Weltweit werden Lebensmittel in großem Umfang verschwendet. Täglich landen eine Milliarde Mahlzeiten im Müll. Im Laufe eines Jahres summiert sich die Verschwendung auf eine Milliarde Tonnen weggeworfener Lebensmittel. Das geht aus dem Food Waste Index Report des UN-Umweltprogramms Unep hervor, der dieser Tage veröffentlicht wurde.
Unep-Chefin Inger Andersen bezeichnete die Lebensmittelverschwendung als "globale Tragödie". Millionen würden hungern, während überall auf der Welt Lebensmittel verschwendet würden.
Die Verschwendung ist nicht auf Länder mit hohem Nationaleinkommen begrenzt. Bei der durchschnittlichen Lebensmittelverschwendung unterscheiden sich Länder mit hohem, mittlerem und unterem Einkommen nur um sieben Kilogramm pro Kopf und Jahr.
Trotzdem sehen die Autor:innen des Berichts besonders die G20-Staaten in der Pflicht, die Lebensmittelverschwendung zu verringern, denn in diesen Ländern leben etwa zwei Drittel der weltweiten Bevölkerung.
Die größere Kluft besteht dagegen zwischen Stadt- und Landbevölkerung. Während Menschen in ländlichen Regionen Lebensmittelabfälle eher kompostieren oder an Tiere verfüttern, werfen in Städten lebende Personen die Abfälle in den Müll. Die Autor:innen des Reports sehen denn auch die Stadtverwaltungen in der Pflicht, sich des Problems anzunehmen.
28 Prozent der weltweiten Landwirtschaftsflächen werden laut Unep beansprucht, um Lebensmittel anzubauen, die letztlich in der Tonne landen. Die massive Verschwendung von Lebensmitteln treibt damit auch planetaren Krisen wie den Verlust von Ökosystemen und der Artenvielfalt und die zunehmende Erhitzung der Erde an, mahnt der Bericht.
Wenn organische Abfälle auf Deponien unter Sauerstoffmangel verrotten, entsteht Methan, das besonders stark zur Klimakrise beiträgt. Lebensmittelverluste und -abfälle verursachen acht bis zehn Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Das ist fast das Fünffache der Gesamtemissionen der Luftfahrt.
"In der Wertschöpfungskette gibt es noch viele Ineffizienzen"
Doch nur wenige Staaten haben die Verringerung der Lebensmittelverschwendung in ihre nationalen Klimabeiträge (NDCs) aufgenommen, die sie im Rahmen des Pariser Klimaabkommens zugesagt haben. Demnach haben bis 2022 nur 21 Länder Lebensmittelverluste beziehungsweise deren Reduzierung in ihre NDCs einbezogen, darunter China, Kap Verde, Namibia, Sierra Leone und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Das Unep fordert deshalb alle Regierungen auf, die Reduzierung von Lebensmittelverlusten und -abfällen so rasch wie möglich in ihre NDCs aufzunehmen. Die Gelegenheit biete sich dafür mit der Überarbeitung der NDCs, die die Länder bis zum nächsten Jahr vorlegen sollen.
Dabei haben sich die Staaten schon vor geraumer Zeit mit Verabschiedung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (SDG) vorgenommen, die Verschwendung von Lebensmittels durch Verbraucher:innen und im Einzelhandel bis 2030 zu halbieren.
Auch die Bundesregierung hat sich ein solches Halbierungsziel gesetzt. Die dazu veröffentlichte Strategie aus dem Jahr 2019 sieht Dialogforen mit der Lebensmittelindustrie vor, außerdem soll die Berichterstattung über Lebensmittelabfälle verbessert werden.
Dem WWF geht das nicht weit genug. Die Bundesregierung habe keinen Plan vorgelegt, wie sie dieses Ziel erreichen wolle und wie dies gemessen und kontrolliert werden soll, kritisiert die Umweltstiftung.
Einfach werden dürfte das nicht, denn die meisten Lebensmittel wandern in privaten Haushalten in die Tonne. Laut Statistischem Bundesamt sind die Haushalte für 59 Prozent der Lebensmittelverschwendung verantwortlich. Das liegt im Bereich der jetzt veröffentlichten Unep-Studie, die den weltweiten Beitrag der Haushalte auf 60 Prozent schätzt.
In Deutschland werden vor allem frische Lebensmittel wie Obst und Gemüse sowie Brot und Backwaren weggeworfen, gefolgt von Getränken und Milchprodukten. Neben frischen Produkten landen häufig bereits zubereitete Mahlzeiten im Müll, weil zu viel gekocht oder aufgetan wurde. Auch das Alter scheint eine Rolle zu spielen: Haushalte mit älteren Personen werfen tendenziell weniger weg.
Auch die EU will mit einer Verschärfung ihrer Abfallrahmenrichtlinie die Menge der Lebensmittelabfälle begrenzen. Mitte März hat sich das EU-Parlament dafür ausgesprochen, dass die Lebensmittelabfälle im Einzelhandel, in Restaurants und in privaten Haushalten bis 2030 um 40 Prozent verringert werden sollen. In der Herstellung und Verarbeitung sollen es 20 Prozent weniger sein.
Das ist anspruchsvoller als der Entwurf der EU-Kommission, die jeweils zehn Prozentpunkte weniger Reduktion vorgeschlagen hatte. Außerdem möchte das Parlament, dass die Kommission prüft, ob noch höhere Ziele für 2035 gesetzt werden können.
Mit dem Entwurf fällt die Kommission einmal mehr hinter ihre eigenen Ambitionen zurück. In der Farm-to-Fork-Strategie ("Vom Hof auf den Tisch") hatte sich die EU auch verpflichtet, die Lebensmittelabfälle im Einzelhandel und bei den Verbraucher:innen bis 2030 zu halbieren.
Melanie Speck von der Hochschule Osnabrück plädiert für eine deutlich stärkere Reduzierung der Lebensmittelabfälle – um 50 bis 75 Prozent bis 2030. "Insgesamt wäre es wichtig, nicht nur die Endverbraucher in den Blick zu nehmen, sondern die gesamte Wertschöpfungskette", sagt die Ernährungswissenschaftlerin. Dort gebe es noch "viele Ineffizienzen".