Schon lange ist klar, dass die Staaten der Welt nicht auf Kurs sind. Die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (SDG) werden krachend verfehlt. In New York soll am Montag und Dienstag auf dem zweitägigen UN-Nachhaltigkeitsgipfel ganz offiziell Bilanz gezogen werden. Rund 150 Staats- und Regierungschefs wollen am Sitz der Vereinten Nationen beraten, wie die Ziele, die das Leben aller Menschen nachhaltiger und lebenswerter machen sollen, doch noch erreicht werden können.

Jahr für Jahr dokumentieren Berichte das schleppend langsame Vorankommen zu den Entwicklungszielen. "Das Bild des gesamten Fortschritts ist sehr ernüchternd", sagte UN-Untergeneralsekretär Li Junhua bei der Vorstellung des SDG-Berichts in diesem Juli.

 

"Die neuesten Daten zeigen, dass nur 15 Prozent aller Ziele bis 2030 erreicht werden können", so Li. Das sei allerdings eine leichte Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr, als nur zwölf Prozent der Ziele erreichbar waren.

Bei rund der Hälfte aller Ziele sei man – zum Teil auch weit – vom Weg abgekommen. Bei über einem Drittel (37 Prozent) der Ziele gebe es Stagnation oder sogar Rückschritte, wie etwa beim Ziel, Armut in allen Formen und überall zu beenden. In den vergangenen Jahren hätten die Corona-Pandemie, Russlands Krieg gegen die Ukraine und klimabedingte Katastrophen viele Fortschritte zunichtegemacht und die Transformation gestoppt.

Mit Beginn der Pandemie ist zum ersten Mal seit einer Generation die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, gestiegen. Erstmals seit drei Jahrzehnten haben sich Fortschritte in Schlüsselbereichen wie Impfungen für Kinder oder Abbau von Einkommensungleichheit laut dem Bericht umgekehrt.

Würde die gegenwärtige Entwicklung anhalten, würden 575 Millionen Menschen am Ende dieser Dekade unter extremer Armut leiden und 84 Millionen Kinder nicht zur Schule gehen. Würde das Tempo beim Abschaffen der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern so bleiben, würde es 286 Jahre dauern, bis geschlechtsspezifische Unterschiede in den Rechtssystemen und diskriminierende Gesetze abgeschafft wären.

"Schwierige geopolitische Lage"

Deshalb sollen die Länder nun in New York auf Ebene der Staats- und Regierungschefs Rechenschaft ablegen, wie weit sie bei den SDGs vorangekommen sind – und wie sie die Ziele doch noch erreichen wollen.

UN-Generalsekretär António Guterres forderte bei der Eröffnungsplenarsitzung zum SDG-Aktionswochenende, "groß zu denken und ehrgeizig zu sein". Es sei nicht die Zeit für kleinteilige Reformen. "Dies ist die Zeit für Veränderungen – mit allen Händen an Deck. Lassen Sie uns die SDGs wieder auf den Weg bringen", sagte Guterres.

Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. (Bild: UNDP/​Wikimedia Commons)

Kein einziges Land erreicht nach derzeitigem Stand alle Entwicklungsziele, allerdings sind europäische Länder am weitesten gekommen. Auf dem diesjährigen SDG-Index steht Finnland an erster Stelle, gefolgt von Schweden, Dänemark, Deutschland und Österreich.

Allerdings sieht der Index Deutschland lediglich bei sauberem Wasser und Sanitäreinrichtungen auf dem richtigen Weg. Bei neun der 17 Ziele gebe es noch "Herausforderungen". Bei weiteren sieben Zielen stehe Deutschland vor "erheblichen" oder "großen Herausforderungen".

Am anderen Ende des Index liegen Libanon, Jemen, Papua-Neuguinea, Venezuela und Myanmar. Diese Länder bewegen sich bei besonders vielen SDG-Zielen in die falsche Richtung und sind am weitesten von den Zielvorgaben entfernt.

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) dämpfte im Vorfeld die Erwartungen an den Gipfel. "Ich habe in dieser schwierigen geopolitischen Lage nicht die Erwartung, dass die Welt nach dem Gipfel in New York nächste Woche eine andere ist als heute", sagte sie.

"Wenn es uns in New York gelänge, die 17 Ziele als gemeinsames Leitbild zu bestätigen und eine Aufholjagd zu vereinbaren, wäre das ein wichtiger Erfolg." Die Staaten müssten zusammenarbeiten, um den Frieden zu sichern und globale Probleme wie den Klimawandel zu bewältigen, so Schulze. In New York geht es also nicht nur um Rückenwind für die globale Nachhaltigkeitspolitik, es geht auch um die Stärkung des Multilateralismus.

Strategie für Multilateralismus

Am vergangenen Freitag hatte Schulze eine neue Strategie ihres Ministeriums für multilaterale Entwicklungspolitik vorgestellt. Kernelement ist der Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit. Als zweitgrößter Geldgeber der Vereinten Nationen wolle Deutschland seine Rolle nutzen, um dieses Ziel ins Zentrum zu rücken.

Auch der Ausbau sozialer Sicherungssysteme soll vorankommen. Weltweit lebten rund vier Milliarden Menschen ohne soziales Netz, sagte Schulze. Gemeinsam mit der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, dem Welternährungsprogramm und der Weltbank wolle das Bundesentwicklungsministerium mehr Länder beim Aufbau von Sozialsystemen unterstützen.

Drittes Element der neuen Strategie sind mehr günstige Entwicklungskredite für Nachhaltigkeits-Investitionen. Schulze will sich für eine Reform der Weltbank einsetzen, damit mehr Projekte günstig finanziert werden können, wenn sie der ganzen Welt zugutekommen, wie etwa der Schutz von Regenwäldern oder der Bau von Solarparks. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte in der vergangenen Woche dafür 305 Millionen Euro versprochen.

 

Im Jahr 2015 waren die globalen Nachhaltigkeitsziele von den UN-Staaten beschlossen worden. Diesen Konsens unter den Ländern herzustellen, war eine Sternstunde der internationalen Umwelt- und Entwicklungsdiplomatie. Die UN-Ziele sollen das Leben für alle Menschen auf der Erde verbessern und gleichzeitig Umwelt und Klima schützen.

Die Bereiche Soziales und Umwelt wurden mit der Wirtschaft auf eine Ebene gestellt. 17 Ziele mit insgesamt 169 Unterzielen wurden dafür definiert. Die SDGs gelten für alle Staaten. Allerdings sind die Ziele nicht rechtlich verbindlich. Die Fortschritte werden aber regelmäßig – wie jetzt in New York – überprüft.

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