Ob Cappuccino, Espresso, der gute alte Filterkaffee oder ein neumodischer "Frappuccino" – Kaffee ist das Lieblingsgetränk der Deutschen. Vier Tassen täglich werden hierzulande im Schnitt getrunken. Vor Corona waren es noch 3,5 Tassen.
Der Trend lässt sich nicht nur in Deutschland beobachten. Auf der ganzen Welt nimmt der Kaffeekonsum zu und folgerichtig auch Produktion und Export. Über die Hälfte des weltweit produzierten Kaffees endet in den Supermarktregalen der drei Hauptabnahmeregionen: Europäische Union, Nordamerika und Japan.
Während der globale Pro-Kopf-Verbrauch bei zwei Kilogramm Kaffee im Jahr liegt, beträgt er in den drei Regionen stolze sieben Kilogramm.
"Da der Kaffeemarkt recht komplex und undurchsichtig ist, wissen die meisten Verbraucher:innen überhaupt nicht, woher ihr Kaffee kommt, wer ihn produziert hat oder ob der Erzeuger einen fairen Preis erhalten hat", bemängelt das am Donnerstag veröffentlichte Kaffee-Barometer.
Der Bericht basiert auf Recherchen der Organisationen Solidaridad, Ethos Agriculture und Conservation International. Er fasst die jüngsten Entwicklungen der Branche zusammen.
Ebenso undurchsichtig sind für die Konsument:innen die ökologischen Folgen des koffeinhaltigen Getränks. Jährlich fallen schätzungsweise 130.000 Hektar Wald der Ausweitung des Kaffeeanbaus zum Opfer. Der Klimawandel treibt diese Entwicklung weiter voran.
Machtasymmetrie zwischen Röstereien und Kleinbäuer:innen
Steigende Temperaturen und sich verlagernde Regenmuster können in den nächsten Jahren dazu führen, dass sich der globale Ertrag der anspruchsvollen Sorte Arabica halbiert. Die etwas klimaresistentere Robusta könnte durch den Klimawandel immerhin noch um ein Viertel ihres gegenwärtigen Ertrages schrumpfen. Zusammen machen die beiden Sorten 99 Prozent der gesamten Kaffeeproduktion aus.
In einigen Regionen Brasiliens, dem mit Abstand wichtigsten Produktionsland, könnten bis 2050 drei Viertel der heutigen Kaffeefläche ungeeignet für den Anbau werden.
Diese Entwicklung bedroht nicht nur die Lebensgrundlage von Millionen Kaffeebäuer:innen, sondern könnte auch die Verlagerung des Anbaus in höhere Lagen beschleunigen. Dort existieren heute wichtige Ökosysteme, etwa Teile des Amazonas-Regenwaldes.
Der globale Kaffeehandel ist durch eine starke Machtasymmetrie geprägt. Auf der einen Seite stehen Kleinbäuer:innen, die in Süd- und Mittelamerika, aber auch Afrika und Südostasien auf meist weniger als zwei Hektar ihren Kaffee anbauen. Auf der anderen Seite die großen Röstereien wie Nestlé, Starbucks und Kraft Heinz mit Hauptsitz in Europa oder USA, die die Regeln machen.
Die Supermarktpreise haben sich zwischen 1982 und 2018 fast verdoppelt – der Börsenpreis für den Rohkaffee ist in derselben Zeit um 27 Prozent gefallen. Während die großen Röstereien hohe Profite einstreichen, liegt das Durchschnittseinkommen von Kaffeebäuer:innen in acht der zehn wichtigsten Exportländern unterhalb der Armutsgrenze.
Die notorisch prekären Verhältnisse vieler Kaffeebäuer:innen führen auch dazu, dass Maßnahmen, um die Kaffeefarmen an die Folgen des Klimawandels anzupassen, wie das Pflanzen von Schattenbäumen, unterbleiben.
Alle freiwilligen Ansätze sind gescheitert
Bisher scheitert die Kaffeebranche daran, wirksame Lösungsstrategien zu erarbeiten. Zwar hätten die meisten großen Röstereien Nachhaltigkeitsstrategien, so der Bericht, doch "umfassende konkrete, messbare und zeitgebundene Ziele und Vorgaben" seien nach wie vor rar.
In den letzten Jahren hat sich eine Vielzahl an Initiativen gegründet, die die Standards in der Branche verbessern wollen. Dazu gehören Bio- und Fairtrade-Initiativen oder sogenannte Multi Stakeholder Initiatives (MSI). Letztere setzen auf das gemeinsame Handeln von Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und staatlichen Institutionen, um Lösungen zur Stärkung menschenrechtlicher und ökologischer Standards zu entwickeln.
Alle diese freiwilligen Ansätze haben es in den letzten Jahren nicht vermocht, tiefgreifende Veränderungen herbeizuführen. Der Anteil von Bio- und Fairtrade-Kaffee steigt nicht mehr, und Unternehmen werben zwar gerne mit ihrer MSI-Teilnahme, aber der Erfolg ist umstritten.
Die "fehlende Einbeziehung der lokalen Zivilgesellschaft, der Gewerkschaften und der indigenen Organisationen in den Erzeugerländern" führt laut dem Kaffee-Barometer dazu, dass Unternehmen in diesem Rahmen kaum für ihre Verfehlungen verantwortlich oder gar haftbar gemacht werden.
Statt auf freiwilliges Handeln setzt die Europäische Union stärker auf verbindliche Regelungen. Vor wenigen Monaten trat die EU‑Entwaldungsverordnung in Kraft. Unternehmen, die mit Kaffee oder auch mit anderen landwirtschaftlichen Produkten wie Kakao und Palmöl auf dem europäischen Markt handeln, müssen nachweisen können, dass dafür kein Wald gerodet wurde.
Noch weiter soll das EU‑Lieferkettengesetz greifen. Über die genaue Ausgestaltung verhandeln gegenwärtig EU-Kommission, Parlament und Mitgliedsstaaten.