Aktivisten mit Extinction-Rebellion-Banner beim nächtlichen Protest
Extinction Rebellion protestiert in Madrid. (Foto: Nicolas Vigier/​Flickr)

Klimareporter°: Herr Seminario, die spanische Regierung hat in dem Madrider U-Bahnhof, von dem aus man zur diesjährigen Weltklimakonferenz kommt, Plakate mit Slogans der Klimabewegung ausgehängt. "Nenn es nicht 'Wandel', sondern 'Notfall'", steht zum Beispiel darauf. Ist das ein gutes Zeichen?

Daniel Seminario: Ich glaube, das soll die Bevölkerung beruhigen. Es soll so aussehen, als ob etwas passiert. Es ist das Gleiche, wie wenn sie uns zu Gesprächen einladen. Ich sage nicht, dass wir uns als Bewegung darauf nicht einlassen sollten. Aber viel Zeit sollten wir dafür nicht verschwenden, solange nur geredet, aber nicht genug getan wird.

Wie lange sind Sie schon in der Klimabewegung aktiv?

Ich bin erst seit drei Monaten Klimaaktivist. Davor war ich völlig ignorant, muss man sagen. Ich wollte nicht wirklich zuhören, wenn es um die Klimakrise ging. Das Problem ist: Sich mit dem Klimawandel zu beschäftigen ist niederschmetternd. Je mehr man das tut, desto schrecklichere Dinge erfährt man. Irgendwann habe ich das Problem immer mehr im Kopf hin- und hergewälzt – und bin dann zu Extinction Rebellion gegangen.

Warum Extinction Rebellion?

Ich habe im Radio ein Interview mit Roger Hallam gehört, also einem der Gründer von Extinction Rebellion. Was er gesagt hat, fand ich spannend.

Er hat ein Konzept für möglichst effektiven zivilen Ungehorsam entwickelt, mit dem er Massen zum "Aufstand gegen das Aussterben" bewegen will. Die Bewegung ist vor allem durch beeindruckende Straßenblockaden bekannt.

Daniel Seminario an Geländer gelehnt
Foto: privat

Daniel Seminario

ist 36 Jahre alt und Ingenieur. Vor Kurzem hat er seinen Job aber vorübergehend an den Nagel gehängt. "Ich will mich um meinen Sohn kümmern, habe auch sonst ein paar Projekte – und natürlich Klimaaktivismus." Seminario lebt in San Sebastián im Baskenland.

Genau, das weckt die richtige Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Die Leute sehen: Da gibt es welche, die brechen bewusst im Namen des zivilen Ungehorsams Regeln. Dann stellt sich die Frage, warum um Himmels willen machen die das, riskieren Strafen und so weiter? Es macht die Dringlichkeit deutlich.

Ich habe dann im Internet recherchiert und gesehen, dass es in meiner Heimatstadt San Sebastián schon eine Ortsgruppe gab. Seitdem bin ich "Rebell".

Wie kommt die Bewegung in Spanien an?

Wir werden vor allem kritisiert. Momentan will sich die breite Öffentlichkeit noch nicht mit uns und der Klimakrise auseinandersetzen. Viele Medien stellen uns negativ dar – als Sekte, als gewalttätig und gefährlich. Aber das stimmt nicht. Viele von uns sind auch bei Fridays for Future und dort gibt es solche Presse nicht.

Sind Sie selbst auch dabei?

Ja, ich mache inzwischen auch dort mit.

Oft hört man es anders herum: Aktivisten von Fridays for Future, die dann auch zivilen Ungehorsam praktizieren wollen.

Das normale Demonstrieren motiviert mich auch. Die Freitagsdemos sind ein Ort, an dem sich viele Teile der Bewegung treffen und verbinden können. Das sind ja nicht lauter gegnerische Gruppen, sondern wir gehören alle zusammen. Wir kämpfen gemeinsam gegen das Monster, das die Klimakrise ist.

In Deutschland ist es zum großen Teil Fridays for Future zu verdanken, dass die Klimakrise in der politischen und medialen Debatte jetzt einen zentralen Platz einnimmt – auch wenn die Bewegung damit allein natürlich noch nicht zufrieden ist. Welchen Einfluss haben Sie hier in Spanien?

Große Buchstaben, grün angestrahlt:
Foto: Susanne Schwarz

Live von der COP 25

Die 25. UN-Klimakonferenz findet vom 2. bis zum 13. Dezember in Madrid statt. Klimareporter° ist vor Ort und berichtet direkt vom Konferenzparkett.

Fridays for Future wird nicht negativ gesehen, aber einen solchen Einfluss haben wir hier leider noch nicht. Die Menschen sind noch nicht an einem Punkt, an dem sie zuhören wollen.

Dabei ist Spanien doch auch stark vom Klimawandel betroffen, oder?

Ja, besonders im Süden des Landes, wo es krasse Dürren gibt. Das zeigt sich aber auch in der Klimabewegung. Die ist im Süden viel stärker.

Heute soll in Madrid anlässlich des Klimagipfels eine riesige Demo stattfinden: mit Fridays for Future, den klassischen Umweltverbänden, Entwicklungsorganisationen, Extinction Rebellion. Was erhoffen Sie sich?

Wir wollen, dass die Staatenlenker bei den Verhandlungen wissen: Unser aller Augen sind auf sie gerichtet. Wenn sie die Klimakrise ernst nehmen, müssen sie handeln und die Treibhausgas-Emissionen müssen schon bis zum nächsten Jahr drastisch sinken. Wenn das nicht passiert, können sie sich darauf einrichten, dass die Proteste eskalieren.

Alle Beiträge zur Klimakonferenz in Madrid und zum Alternativgipfel in Santiago finden Sie in unserem COP-25-Dossier.

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