20 Prozent auf EU-Importe, 34 Prozent auf Waren aus China und über 40 Prozent auf Einfuhren aus einigen der ärmsten Länder der Welt wie Syrien, Madagaskar oder Lesotho – mit diesen Zoll-Ankündigungen eskaliert die US-Regierung derzeit den internationalen Handelskrieg. Im eigenen Land läuft ein Krieg der anderen Art derweil auf Hochtouren.
Der von der Trump-Administration auserkorene Feind: die Wissenschaft.
Sprachlich vorbereitet wurden die beispiellosen Angriffe auf Institutionen der Wissenschaft in den USA schon lange zuvor. So erklärte der heutige Vizepräsident J.D. Vance 2021 in einer Rede: "Wir müssen die Universitäten in diesem Land ehrlich und aggressiv angreifen."
Und etwas später in derselben Rede auf der "National Conservatism Conference": "Die Professoren sind die Feinde."
Damals noch von vielen mit naiver Gleichgültigkeit zur Kenntnis genommen, hat sich das gesprochene Wort seit Trumps Wiederwahl unglaublich schnell in politisches Handeln übersetzt. Besonders jenen Disziplinen, die der Trumpschen Ideologie widersprechen, geht es an den Kragen – Klimaforschung, Politik- und Sozialwissenschaften, Gesundheitsforschung.
Im Gesundheitssektor wurden mehrere tausend Stellen gekürzt, ebenso in der Klimaforschung. Für die Umweltschutzbehörde EPA ist die Kürzung von 1.100 Stellen vorgesehen. Überwiegend betroffen sind Mitarbeiter:innen im Bereich Klimaschutz und Luftverschmutzung.
Die Wetter- und Ozeanbehörde NOAA mit Hauptsitz im US-Bundesstaat Maryland muss mit einer Budgetkürzung von 30 Prozent auskommen. Außerdem wurden bereits über 1.000 Wissenschaftler:innen gekündigt und nochmal so vielen droht das gleiche Schicksal, wie Medien berichten.
Die NOAA ist gemeinsam mit dem europäischen Erdbeobachtungsprogramm Copernicus der wichtigste Lieferant für Atmosphären- und Ozeandaten. Die Klimaforschung weltweit steht auf diesem Datenfundament.
Wissenschaftler:innen senden SOS
Von elementarer Bedeutung für die weltweite Klimaforschung ist auch die Nasa. Doch der US-Raumfahrtbehörde wurden auf Anweisung der berüchtigten Organisation für Regierungseffizienz Doge – den Rang einer Bundesbehörde hat sie nicht – unter Elon Musk Verträge und Zuschüsse in Höhe von 420 Millionen Dollar gestrichen.
Darunter fällt auch der Vertrag zwischen der Nasa und dem Weltklimarat IPCC.

Mit einem Hilferuf in Form eines offenen Briefes wandten sich nun vor wenigen Tagen knapp 2.000 Wissenschaftler:innen an die Menschen in den USA. "Wir sehen in diesem Moment eine echte Gefahr" heißt es dort. "Wir haben unterschiedliche politische Überzeugungen, aber als Forscher sind wir uns einig, dass wir unabhängige Wissenschaft schützen wollen."
Und weiter: "Wir senden dieses SOS, um eine deutliche Warnung auszusprechen: Der Wissenschaftsbetrieb unserer Nation wird dezimiert." Es könne Jahrzehnte dauern, bis der angerichtete Schaden wieder behoben sei.
Mit dem Brief wendet sich erstmals eine große Zahl von Wissenschaftler:innen institutsübergreifend und öffentlich an die Bürger:innen und die Regierung. Um die Administration nicht zu verärgern und dadurch ihre Gelder zu verlieren, hätten bisher die meisten Forschenden, Universitäten und Institute geschwiegen, so die Autor:innen.
"In den Wissenschaftsbetrieb ist ein Klima der Angst eingekehrt." Forscher:innen würden aus Sorge um Finanzierung und Arbeitsplätze "ihre Namen aus Veröffentlichungen streichen, Studien aufgeben und Förderanträge und Papiere umschreiben".
So würden etwa wissenschaftlich korrekte Begriffe wie "Klimawandel", die von der Regierung als bedenklich eingestuft werden, nachträglich gestrichen.
Die Wissenschaftler:innen fordern die Regierung auf, ihren "massiven Angriff auf die amerikanische Wissenschaft" einzustellen. An die Öffentlichkeit apellieren sie, sich dem Aufruf anzuschließen.
"Wir alle profitieren von der Wissenschaft, und wir alle können nur verlieren, wenn die Forschung in unserem Land zerstört wird", schließt der Brief.
Drei von vier Forschenden erwägen Auswanderung
Bei den Unterzeichner:innen finden sich prominente Namen wie die Biochemikerin Frances Arnold vom California Institute of Technology und der MIT-Chemiker Moungi Bawendi, beide mit dem Nobelpreis ausgezeichnet, sowie der renommierte Klimatologe und frühere IPCC-Leitautor Benjamin Santer.
Schon während Trumps erster Amtszeit hatten über 800 Geowissenschaftler:innen und Energieforscher:innen die Regierung in einem offenen Brief aufgefordert, die Klimakrise ernstzunehmen. Damals war die Situation aber lange nicht so dramatisch wie heute. Weltweit registriert die Wissenschaftscommunity jetzt mit großer Verwunderung, in welchem Tempo die Institution Wissenschaft in den USA demontiert wird.
Zahlreiche Universitäten stehen unter Beschuss. Wegen einer Leitlinie, die trans Menschen die Teilnahme an Sportprogrammen erlaubte, hat die US-Regierung etwa der Universität von Pennsylvania 175 Millionen Dollar an Fördergeldern gestrichen.
Der Columbia-Universität kürzte die Regierung 400 Millionen Dollar. Die New Yorker Hochschule war eines der Zentren für propalästinensische Kundgebungen und Aktionen im vergangenen Jahr. Die Eliteuni reagierte mit Zugeständnissen, unter anderem der Einschränkung von Protesten auf dem Campus.
Vor wenigen Tagen gab die Trump-Administration bekannt, auch staatliche Fördermittel und Forschungsaufträge für die Harvard-Universität in Höhe von neun Milliarden Dollar prüfen zu wollen. Harvard-Professor:innen hatten die Regierung kurz zuvor öffentlich kritisiert.
Wie weitreichend die Folgen für die US-Wissenschaft sind, zeigt eine Umfrage des Fachjournals Nature aus dem vergangenen Monat. Von über 1.600 befragten Forscher:innen erwägen demnach mehr als drei Viertel, die USA zu verlassen.
Dabei sind längst nicht nur Forschungsvorhaben in den USA betroffen. Schritte wie die angekündigte Auflösung der Behörde für Entwicklungszusammenarbeit USAID treffen Projekte weltweit. Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Forschungsprojekte, die bisher von USAID oder anderen US-Institutionen gefördert wurden.