Michael Moore spricht in Mikro
Michael Moore hat eine neue Doku produziert, die leider nicht so kritisch ist, wie sie daherkommt. (Foto: David Shankbone/​Wikimedia Commons)

Nass, grau und kalt kracht der Himmel herunter auf eine Schlammhölle, die mit orangefarbenem Band abgesperrt ist. "Eine Gruppe von Bürgern war besorgt, dass der Bau von Windrädern ihre so geliebten Berge in Mitleidenschaft ziehen könnte", sagt eine Stimme aus dem Off.

Ein paar der besorgten Bürger:innen – ihre Namen oder den ihrer Initiative erfährt man nicht – kommen auch noch selbst zu Wort, beteuern ihr Interesse am Klimaschutz und ihre Abneigung gegenüber der Windkraft. Sie blicken betroffen auf die modderige Baustelle, die in dem Ort Lowell im US-Bundesstaat Vermont liegt und auf der offenbar irgendwann eines von 21 Windrädern stehen soll.

Es ist einer der zahlreichen wenig subtilen Kunstgriffe, denen man sich aussetzt, wenn man sich die neue Dokumentation "Planet of the Humans" aus der Produktion von Michael Moore antut. Igitt, Windkraft, möchte man angesichts des schlechten Wetters und der netten Menschen fast denken, sich dabei in eine dicke Decke einkuscheln und eine Tasse heißen Tee umklammern.

Von wegen aufgedeckt

Es ist eine der Hauptaussagen des Streifens: Erneuerbare Energien und sonstige Technologien können die Welt nicht retten, unendliches Wirtschaftswachstum funktioniert nicht – auch nicht in Grün. Für diese Argumentation gibt es gute Gründe. Moores Film trägt sie nur leider nicht vor. Stattdessen greift er auf beeindruckende Bilder zurück und an etlichen Stellen auf Zahlen, die falsch, veraltet oder im Kontext irreführend sind.

All das wird im Tonfall einer investigativen Recherche vorgetragen. Michael Moore und sein Team klären auf: Solaranlagen werden aus teils raren Materialien hergestellt und gehen irgendwann wieder kaputt. Elektroautos brauchen Strom, der heute teilweise fossil ist. Für Biomasse Wälder abzuholzen, ist Quatsch.

Der Film

US-Filmemacher Michael Moore hat "Planet of the Humans" zum Earth Day am 21. April auf seinem Youtube-Kanal veröffentlicht, wo er insgesamt 30 Tage kostenlos zu sehen sein soll. Moore selbst hat diesmal nur produziert. Als Autor, Regisseur und Produzent ist Jeff Gibbs genannt.

Das alles ist grundsätzlich nicht falsch, auch wenn Solaranlagen und Windräder schon lange nicht mehr so ineffizient sind, wie Moore es darstellt. Neu ist es aber bei Weitem nicht. Die Klima- und Umweltbewegung debattiert seit vielen Jahren darüber, was daraus zu schlussfolgern ist.

Darauf geht der Film nur leider nicht ein, denn er lebt von seiner Aufdeckungsdynamik. Schließlich will er gleichzeitig den Beweis antreten, dass die führenden Köpfe der US-Umweltbewegung heillos korrumpiert sind.

Auch dass große Umweltverbände mit Unternehmen zusammenarbeiten, wird in der Bewegung seit Jahrzehnten kritisch diskutiert: Kann man durch solche Partnerschaften einen Wandel anstoßen oder hilft man vor allem beim Greenwashing?

Aber das Filmteam belässt es nicht dabei. Es stellt mehr oder weniger eine Verschwörungstheorie auf, nach der die großen Umweltverbände sich bewusst und eigennützig auf die Seite des großen Kapitals schlagen.

Und dann auch noch Bevölkerungspolitik

Bei der Wachstumskritik in "Planet of the Humans" gibt es auch noch eine halbwegs überraschende Komponente. Das eigentliche Problem sei allen Experten zufolge das Bevölkerungswachstum, heißt es schon ziemlich am Anfang. Viel konkreter wird der Film dazu nicht.

Meinen Moore und sein Team lediglich, dass alle Menschen das Recht auf ihre eigenen Körper und eine bewusste Familienplanung haben sollten, etwa durch Zugang zu sozialer Sicherung, Bildung, Verhütungsmitteln und Schwangerschaftsabbrüchen?

Anderenfalls bestünde das Problem für sie in der bloßen Existenz von Menschen, und das öffnet Tür und Tor zu ökofaschistischen Ansätzen: Wer sind denn bitte schön die Überflüssigen auf der Welt?

Die linke Wachstumskritik verkäme dann zur bloßen Rhetorik. Statt ein politisch-ökonomisches System anzuklagen, das fossile Macht sichert, wird die Kritik auf die einzelnen Menschen abgewälzt, von denen manche angeblich zu viel sind.

Susanne Schwarz ist Redakteurin bei Klimareporter°. In ihrer Kolumne "Schwarze Zeiten" schreibt sie über große und kleine klimabezogene Krisenmomente. Es herrscht meist kein Themenmangel.

Bei vielen Kapitalismuskritiker:innen der Klimabewegung hat der Film denn auch für Entsetzen gesorgt. "Es ist wirklich entmutigend, wie viel Schaden dieser Film angerichtet hat zu einem Zeitpunkt, an dem viele Menschen bereit für einen tiefgreifenden Wandel sind", kommentierte etwa die kanadische Autorin Naomi Klein. "Es gibt wichtige Kritik an einem Umweltschutz, der nicht mit unendlichem Verbrauch und Wachstum brechen will. Aber dieser Film gehört nicht dazu." 

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