Schwerwiegender Fehler im System: Elf Prozent der Weltbevölkerung sind chronisch unterernährt, auf der anderen Seite leben zwei Milliarden Menschen mit Übergewicht oder Fettleibigkeit. Darüber hinaus steht das globale Ernährungssystem mit der Übernutzung der Böden und anderer Ressourcen sowie mit rund einem Viertel des Treibhausgas-Ausstoßes in Verbindung, es führt zu Überfischung und Artenschwund.
In Zukunft dürfte sich die Situation weiter verschärfen. Eine jetzt vorgestellte Studie eines internationalen Forscherteams unter der Leitung der Oxford Martin School untersucht deshalb, unter welchen Bedingungen zehn Milliarden Menschen bis 2050 nachhaltig ernährt werden können.
Das Fazit: Es braucht ein Bündel an Maßnahmen. Dabei sollten sich die Menschen vermehrt vegetarisch ernähren, außerdem müssten der Verlust und die Verschwendung von Lebensmitteln verringert und die landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen verbessert werden.
Die Bedingungen, unter denen unser Essen gegenwärtig produziert wird, dürfen aus Sicht der Wissenschaftler keinesfalls beibehalten werden. "Bereits heute ist das Ernährungssystem ein wichtiger Treiber für den Klimawandel, für die Übernutzung von Wasserressourcen und für Umweltverschmutzung", warnte Mitautor Johan Rockström, neuer Ko-Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Ohne gezielte Maßnahmen könnten diese Auswirkungen bis 2050 um 60 bis 90 Prozent zunehmen.
Deshalb haben die Forscher ein Modell entwickelt, das Umweltwirkungen sowie Produktions- und Konsummechanismen des Ernährungssystems kombiniert. Anhand des Modells suchten die Wissenschaftler dann nach den Optionen, die das Nahrungsmittelsystem innerhalb der Umweltgrenzen halten könnten.
Weniger Fleischkonsum und dafür eine stärker pflanzenbasierte Ernährung könnten die Treibhausgasemissionen des Ernährungssystems um mehr als die Hälfte reduzieren. Auch andere Umweltauswirkungen etwa durch die Düngung von Ackerland könnten gesenkt werden.
Einzelmaßnahmen genügen nicht
"Wenn es um Ernährung geht, sind umfassende politische und ökonomische Ansätze unerlässlich, um die Umstellung zu einer gesunden und stärker pflanzlichen Ernährung für eine große Anzahl von Menschen möglich und attraktiv zu machen", sagte Studien-Leitautor Marco Springmann von der Oxford Martin School. Mit Programmen für Schüler und Beschäftigte, wirtschaftlichen Anreizen sowie mit Produktkennzeichnung und einer Anpassung der staatlichen Ernährungsempfehlungen könne die Politik eine stärker vegetarisch ausgerichtete Ernährung fördern.
Eine rein vegetarische Ernährung braucht es aus Sicht der Autoren nicht, sie empfehlen den Wechsel zu einer stärker pflanzlichen "flexitarischen" Ernährung. Dass sich mit einer fleischreduzierten Ernährung die globalen Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft beinahe halbieren ließen, haben britische Forscher bereits vor einigen Jahren vorgerechnet.
Durch stärkeren Fleischverzicht allein kann der durch die Landwirtschaft verstärkte Klimawandel allerdings nicht begrenzt werden, wie die Studie ausführt. Verluste und Verschwendung müssten halbiert werden, um das Nahrungsmittelsystem innerhalb der Umweltgrenzen zu halten.
Auf 18 Millionen Tonnen bezifferte die Umweltstiftung WWF unlängst das Ausmaß der jährlichen Lebensmittelverschwendung in Deutschland. Damit wächst die Verschwendung hierzulande eher noch, anstatt – wie von der Politik eigentlich angestrebt – zu sinken.
Doch auch bei den Bearbeitungs- und Verteilungsmethoden in der Landwirtschaft muss aus Sicht der Autoren etwas geschehen. Die landwirtschaftlichen Erträge aus der bestehenden Anbaufläche müssten erhöht, der Düngemitteleinsatz begrenzt und sparsame Bewässerungstechniken eingesetzt werden.
"Wenn die Maßnahmen gemeinsam umgesetzt werden, zeigen unsere Untersuchungen, dass es möglich sein könnte, die wachsende Bevölkerung nachhaltig zu ernähren", fasste Springmann die Studie zusammen.
Eine Prognose des UN-Umweltprogramms Unep geht ebenfalls davon aus, dass die Weltbevölkerung auch mit künftig neun oder zehn Milliarden Menschen satt werden kann. Dafür empfehlen die UN-Experten eine "grundlegende Überholung" des Systems, wie die Lebensmittel produziert, verteilt und konsumiert werden.