Zwei Bienenfresser auf einer Wiese
Vorboten des Klimawandels: Eigentlich in den Subtropen und den Tropen beheimatet, zieht es immer mehr Bienenfresser nach Deutschland. (Foto: Sabine Schwarze/​Pixabay)

Der Bienenfresser mag es warm und trocken. Eigentlich ist er im Süden Europas, im nördlichen Afrika und in Asien bis zum westlichen Altai beheimatet. Doch im Sommer 1995 beobachtet der Umweltschützer Ernst Paul Dörfler erstmals, dass ein Pärchen der exotisch bunten Vögel an der Elbe in Mitteldeutschland brütet.

Sie waren gewissermaßen Vorboten des Klimawandels, denn der Bienenfresser profitiert von der Erwärmung der Erde. Sein Verbreitungsgebiet wächst: 2016 zählten Ornithologen schon mehr als 2.000 brütende Paare in Deutschland.

Die Vögel stießen sogar bis Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein vor. Gut die Hälfte der heimischen Population lebt heute in Sachsen-Anhalt, wo Dörfler zu Hause ist. Auch andere südeuropäische Vogelarten wie der Seidenreiher oder die Mittelmeermöwe werden mittlerweile in Deutschland gesichtet.

Ornithologen beobachten noch weitere Phänomene. Immer mehr Zugvögel verändern ihre ursprünglichen Routen oder sie verzichten gleich ganz auf den strapaziösen Flug in den Süden. Nach zahlreichen milden Wintern hat sich die Zahl der hierzulande überwinternden Kraniche innerhalb weniger Jahre verzehnfacht. Mittlerweile trotzen mehrere zehntausend Kraniche den Wintermonaten. Auch Stare, Stieglitze und Lerchen, die üblicherweise in den Mittelmeerraum ziehen, bleiben zunehmend hier – wie Ernst Paul Dörfler festgestellt hat.

Der Vogelkenner hat ein Sachbuch über Vögel vorgelegt: Mit leichter Feder vermittelt Dörfler auf gut 280 Seiten sein Wissen über die gefiederten Genossen. Er erzählt verständlich und anekdotenreich von den Fähigkeiten und dem Sozialverhalten der Vögel. Und versetzt die Leserin in Stauen: Oder wussten Sie, dass nur Vögel im Schlaf ein Auge offen halten können? Oder dass sich Zaunkönige zu einer Wärmekugel zusammenkuscheln, um sich vor der Kälte zu schützen?

Das Buch

"Nestwärme" ist im Carl Hanser Verlag erschienen. Das Buch stand auf der Spiegel-Bestsellerliste und die erste Auflage war innerhalb von zwei Monaten ausverkauft.

Neben aktuellen Forschungsergebnissen sind viele persönliche Beobachtungen Dörflers in das Buch eingeflossen. Die Schilderungen des promovierten Chemikers sind voller Bewunderung. Sentimentalitäten, wie sie gelegentlich mit Naturbeschreibungen einhergehen, bleiben der Leserschaft erspart – zum Glück.

Stattdessen eröffnet die Lektüre ungewohnte Einblicke. Denn Dörfler verhilft seinen Lesern zu einem erhellenden Perspektivwechsel, indem er die Lebensweise von Vögeln immer wieder mit der von Menschen vergleicht. Dass uns die Vögel aus Sicht von Dörfler einiges voraus haben, lässt schon der Untertitel erahnen: "Was wir von Vögeln lernen können".

In etlichen Punkten schneiden die Vögel denn auch besser ab: partnerschaftliches und solidarisches Verhalten, gesündere Lebensweise, Arbeitsteilung und Gleichberechtigung bei der Aufzucht des Nachwuchses und ein Leben im rechten Maß.

Die Menschen hingegen, indem sie über ihre Verhältnisse leben und immer mehr Ressourcen verbrauchen, zerstören die Natur und damit letztlich ihre Lebensgrundlagen. Vögel verbrauchen nur so viel, wie sie tatsächlich benötigen – ein Leben im Überfluss kommt ihnen nicht in den Sinn.

Und so ist "Nestwärme" ein eindringlicher Appell eines Umweltschützers: Wir Menschen sollen unsere Ansprüche hinterfragen, uns wieder stärker als Teil der Natur verstehen und die Lebensgrundlagen sowie die Vielfalt der Arten bewahren.

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