Eine Frau in Kiew trägt einen Mundschutz.
Ob improvisiert oder professionell, ein Mundschutz ist eine "End-of-pipe-Lösung". Wirkliche Entlastung bringen Maßnahmen an der Quelle. (Foto: Heinrich-Böll-Stiftung/​Flickr)

Klimareporter°: Frau Schneider, die Luftbelastung mit Stickoxiden ist 2017 leicht zurückgegangen, im Schnitt um zwei Mikrogramm je Kubikmeter, sagen Daten des Umweltbundesamtes. Ist das eine gute Nachricht?

Alexandra Schneider: Der Rückgang beim Stickstoffdioxid passt sich ganz gut in den Trend der letzten Jahre ein, bei dem eine stetige leichte Abnahme der Belastung zu verzeichnen ist. Das heißt aber nicht, dass es im nächsten Jahr nicht auch wieder etwas nach oben gehen kann. Auch haben einige Städte zuletzt schon Maßnahmen gegen Stickoxide ergriffen, möglicherweise folgt daraus der leichte Rückgang. Dazu könnte auch die ständige Verbesserung der Fahrzeugflotte beigetragen haben. Trotzdem gibt es noch viele Hotspots, an denen die Grenzwerte deutlich überschritten werden.

Von Fahrverboten abgesehen, sind schnell wirkende Maßnahmen nicht in Sicht?

Nein.

Kann man als Stadtbewohner überhaupt selbst etwas Sinnvolles tun, um die Belastung geringer zu halten? Würde ein Mundschutz beispielsweise helfen?

Bei Gasen wie Stickoxiden bringt ein Mundschutz nichts. Der funktioniert vielleicht ganz gut bei größeren Partikeln, bei Ultrafeinstaub aber schon weniger gut. Schon gegen diese benötigt man einen speziellen Mundschutz, damit sie herausgefiltert werden. Gegen Stickoxide müsste man schon eine Atemschutzmaske aufsetzen. Das wäre wahnsinnig unangenehm.

Was kann man sonst tun?

Das ist echt schwierig zu beantworten. Beim Radfahren zum Beispiel kann man versuchen, Wege zu nutzen, die nicht gerade am Stau oder den am meisten belasteten Straßen entlangführen. Wohnt man an solchen Straßen, sollte man nicht die Fenster öffnen, unter denen die meisten Autos fahren. Es fällt aber wirklich schwer, den Belastungen irgendwie zu entkommen.

Zu welchen Zeiten ist die Belastung am größten?

Stickoxide entstehen bei jeder Verbrennung – wenn also Kohle, Öl, Gas oder Holz verfeuert werden. Emissionen aus Feuerungsanlagen machen aber in den Städten den kleinsten Teil der Belastung aus, das allermeiste Stickstoffdioxid stammt eben aus dem Straßenverkehr. Deshalb sollte man zum Beispiel nicht die Rushhour morgens und abends wählen, um an der Straße entlangzujoggen.

(Foto: privat)

Zur Person

Alexandra Schneider ist Meteorologin und Epidemiologin am Helmholtz-Zentrum München. Sie leitet dort die Arbeitsgruppe für Umweltrisiken des Instituts für Epidemiologie.

Zu beachten sind auch die sogenannten Inversionswetterlagen, wenn also der vertikale Luftaustausch behindert ist. Dann haben wir eine besonders schlechte Luftqualität.

Stickoxide bewegen sich im Ozonkreislauf, reagieren ständig zwischen Stickstoffmonoxid, Ozon und Stickstoffdioxid hin und her. Stickstoffdioxid gehört zu den Vorläufersubstanzen zur Bildung von bodennahem Ozon.

Wie wirken sich Stickoxide auf Haustiere und Pflanzen aus?

Zu Tieren ist mir nicht so viel bekannt. Bei Pflanzen weiß man, dass Stickstoffdioxid bei ihnen Stressreaktionen auslöst und erhöhte Allergen-Konzentrationen in den Pollen zur Folge hat. Wenn sich die Pollen dann von den Pflanzen lösen, können sie verstärkt Allergien beim Menschen verursachen.

Wenn an einer viel befahrenen Straße auch noch Bäume blühen, droht dann der "Worst Case" ...

Für Allergiker kann das problematisch werden.

Die Deutsche Umwelthilfe beklagt, dass es nur in 146 von über 11.000 deutschen Städten und Gemeinden verkehrsnahe Messstellen gibt. Müsste nicht mehr gemessen werden?

Sicher, das Messnetz kann man weiter verbessern. Im Prinzip halte ich aber die Zahl der Messstellen, die durch das Umweltbundesamt genutzt werden, für ausreichend. Anhand der damit gewonnen Werte kann man zu deutschlandweiten Modellen kommen. So weiß man auch, wie hoch die Belastung in Gebieten ist, wo nicht direkt gemessen wird.

Die Hintergrundbelastung mit Stickoxiden liegt in Deutschland in der Regel unterhalb des Grenzwerts – nur dort, wo viel Verkehr ist, kann es zu Überschreitungen kommen. Das kann dann auch in einer kleineren Stadt passieren.

Neben Stickoxiden belasten auch Staub und andere Emissionen die Luft. Wie hat sich die Luftverschmutzung insgesamt entwickelt?

Die Luft in Deutschland ist, sieht man vom Stickstoffdioxid ab, insgesamt besser geworden, die Konzentration an Feinstäuben hat abgenommen. Aber selbst, wenn die Grenzwerte eingehalten werden, heißt das ja nicht, dass die Gesundheit der Bevölkerung zu hundert Prozent geschützt ist. Es gibt keinen Wert für Belastungen, von dem man sagen kann, darunter passiert gesundheitlich nichts mehr.

Ein Grenzwert bedeutet, dass man gewisse gesundheitliche Folgeschäden akzeptiert?

Ein Grenzwert ist oft einfach Verhandlungssache. Wie hoch der ist, kann man vielfach gar nicht rational begründen. Die Wissenschaft kommt und sagt, wir finden diese oder jene Gesundheitseffekte, dann sagt die Industrie, wir können aber nicht weiter heruntergehen.

Einen Grenzwert aber festzulegen, der nur der Wissenschaft gefällt und den einzuhalten utopisch ist, bringt auch nichts.

Dennoch könnte nach wissenschaftlicher Ansicht der in Deutschland für Stickstoffdioxid geltende Grenzwert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter nach unten verschoben werden. Selbst unterhalb dieses Werts beobachten wir genügend gesundheitliche Folgen.

Sind Sie dafür, den Wert abzusenken?

Auf jeden Fall.

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