Solardächer auf den Gebäuden eines fränkischen Bauernhofes.
So könnte es aussehen – wenn die Politik mitzieht. (Foto: Volker Müther/​Shutterstock)

Der Wiederaufbau in den Jahrhundertflut-Regionen von Juli 2021 läuft. Die Kosten, die dafür aufgewandt werden müssen, sind gewaltig. Allein der Bund hat dafür einen Aufbauhilfefonds mit 30 Milliarden Euro eingerichtet.

Das Ahrtal in Rheinland-Pfalz, die am stärksten betroffene Region, könnte eine Klima-Vorzeigeregion werden – ein "Solahrtal". So sieht es ein Konzept vor, das mehr als 40 Fachleute aus wissenschaftlichen Einrichtungen und gemeinnützigen Vereinigungen erarbeitet haben. Doch das Vorzeigeprojekt kommt nur langsam in Fahrt.

Die Verwüstungen durch die Überschwemmungen sind eine Katastrophe, doch sie bieten auch eine Chance. Beim Wiederaufbau müsse natürlich der Hochwasserschutz berücksichtigt werden, sagt Urban Weber, Physikprofessor an der Technischen Hochschule Bingen.

Aber: "Es sollte auch die Gelegenheit ergriffen werden, die Infrastruktur und die Gebäude gleich auf eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien umzurüsten, wie sie ohnehin mit Blick auf die im Bundesland Rheinland-Pfalz für spätestens 2040 angestrebte Klimaneutralität erforderlich ist."

Dafür liegt seit Mai ein ausgearbeiteter Masterplan vor, vorgelegt von der Initiative "Aus Ahrtal wird Solahrtal". Der Anstoß dazu kam bereits im vorigen August von kommunalpolitischen Akteuren sowie den Scientists for Future und dem bundesweiten NGO-Arbeitskreis "Runder Tisch Erneuerbare Energien", der sich für eine dezentrale Energiewende einsetzt.

Mitglieder sind hier Gruppen wie das Bündnis Bürgerenergie oder Eurosolar. Eine Wissenschaftlergruppe erarbeitete im September das Solahrtal-Konzept, auf dem der aktuelle Masterplan aufbaut. Hauptautor des Konzepts ist Urban Weber.

Laut dem Masterplan ist es möglich, die Energieversorgung des Landkreises Ahrweiler bis 2030 komplett auf erneuerbare Energien umzurüsten. Dazu müssten die Kapazitäten für Solar- und Windenergie in der Region deutlich ausgebaut werden.

Solarausbau verzehnfachen

Pro Jahr sieht das Konzept bei der Photovoltaik einen Zubau von 70 Megawatt auf Dächern und Freiflächen vor. Hinzu kommen bei der Windkraft etwa 40 Megawatt, was etwa zehn Rotoren entspricht. Im Jahr 2021 waren es bei der Solarenergie nur gut sechs Megawatt, also weniger als ein Zehntel, und der Windausbau war zuletzt ganz zum Erliegen gekommen.

Ein zentraler Bereich ist auch die Wärmeversorgung der Häuser für Heizung und Warmwasser. Heizungen, die mit Erdgas und Erdöl laufen, sollen laut dem Konzept ersetzt werden – dort, wo es möglich ist, durch Nahwärmenetze, ansonsten vor allem durch Wärmepumpen, ergänzt durch Solarkollektoren.

Auch die Nutzung von Biomasse, etwa Holz oder Stroh, ist Teil des Konzepts. Allerdings soll sie möglichst effizient in Heizkraftwerken genutzt werden, also gleichzeitig zur Wärme- und Stromproduktion, sowie aus lokaler Erzeugung stammen, die nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion steht.

Vor allem bei der Wärmeversorgung seien eine gezielte Beratung der Hauseigentümer:innen und geeignete Fördermaßnahmen wichtig, um weg von Erdgas und Erdöl zu kommen, so lautet eine Forderung.

Die Grundidee für das Solahrtal traf bereits im letzten Jahr auf viel Zustimmung, bei den Bürger:innen und in der Politik. Es tat sich regional auch einiges, so haben inzwischen bereits acht Gemeinden konkrete Pläne für Nahwärmenetze in Planung.

Und sogar auf dem UN-Klimagipfel im schottischen Glasgow im vergangenen November wurde das Konzept als wegweisend für den Umbau zu einer Klima-Modellregion vorgestellt.

Planungen für fossilen Wiederaufbau

Trotzdem sind die Initiatoren unzufrieden. "Es läuft insgesamt zu zäh", sagt Weber. So sei schon im letzten Jahr bei der Ausgestaltung des Wiederaufbaufonds die Gelegenheit versäumt worden, die Hilfen mit einer klimapolitischen Ausrichtung zu verknüpfen und den Öko-Technologien Vorrang gegenüber den fossilen zu geben.

"Natürlich war es richtig, zum Beispiel zerstörte Gasleitungen wiederherzustellen, damit die Menschen im letzten Winter wieder heizen konnten", meint der Experte. Aber nun werde teilweise sogar der Neubau von Erdgas-Infrastruktur geplant.

Tatsächlich hat der Zweckverband Eifel-Ahr eine Erweiterung des Erdgasnetzes im mittleren und oberen Ahrtal vorbereitet. Ein solcher Ausbau sei ein Unding in Zeiten der Ukraine-Gaskrise und zementiere die Abhängigkeit von dem teuren und klimaschädlichen Rohstoff, meint Weber.

Der Professor appelliert an das Land Rheinland-Pfalz und den Bund, den Klima-Umbau im Ahrtal finanziell gezielt zu unterstützen. "Es ist nie zu spät, mit dem Aufbau einer 100-Prozent-Erneuerbare-Energien-Region zu beginnen", meint er.

Auch wenn jetzt mit etwas Verspätung gestartet werde, könne das Projekt immer noch Modellcharakter haben. An der Ahr lasse sich zeigen, wie schnell der Aufbau gehen kann und welche Vorteile ein ganzheitlicher Ansatz hat, der die Bürger:innen konsequent beteiligt.

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