Bezahlbare Wohnungen sind Mangelware in den Städten. In den letzten Jahren sind die Mieten sprichwörtlich explodiert – auch die 2015 eingeführte Mietpreisbremse hat das nicht geändert. Die Bundesregierung hat das Problem erkannt und lud deshalb am heutigen Freitag zum "Wohngipfel" ins Kanzleramt.
Im Vorfeld des Treffen waren die Immobilien- und Bauwirtschaft ebenso wie Mieter- und Architektenbund aufgefordert worden, ihre Vorschläge an die Politik zu formulieren. Dagegen blieben Umweltverbände und Vertreter der Effizienzbranche außen vor. "Entscheidende Akteure nicht einzuladen und womöglich Anforderungen aufzuweichen oder abzuschaffen ist der falsche Weg", sagt Tobias Dworschak vom Energiecontracting-Verband VfW.
Wie bereits bekannt wurde, plant die Bundesregierung unter anderem, das Wohngeld zu erhöhen und Bauland zur Verfügung zu stellen. Überzeugende Lösungen erwartet Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) indes nicht von dem Gipfel: "Zurzeit herrscht wilder Aktivismus, aber ein stimmiges Gesamtkonzept fehlt", sagt Metz und verweist auf das Baukindergeld, das kaum den Kauf einer Wohnung oder eines Hauses ermöglichen könne. "Die steuerliche Abschreibung für energetische Sanierungen ist dagegen seit Jahren überfällig."
Ein Gesetz dazu wollte die große Koalition eigentlich in dieser Legislaturperiode vorlegen. Doch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat in seinem Haushaltsentwurf für 2019 erst gar keinen Posten dafür vorgesehen, mittlerweile ist das Thema vom Tisch.
Dabei sind sich Experten weitgehend einig, dass die derzeitige Sanierungsquote von jährlich weniger als einem Prozent des Gebäudebstandes kaum steigen wird, wenn es keine steuerliche Förderung gibt. Um den Gebäudesektor wie geplant bis 2050 klimaneutral zu machen, muss die Sanierungsrate aber deutlich über zwei Prozent liegen.
Stattdessen werden unter dem Deckelmantel der energetischen Sanierung die Mieten nach oben geschraubt. Mietervereine berichten von Modernisierungen, die als energetische Sanierung verkauft werden, aber vor allem den Vermietern höhere Einnahmen sichern sollen.
Experten fordern Mindeststandards
Dass Effizienzmaßnahmen als Sündenbock für steigende Mieten und Baupreise herhalten müssen, befürchtet deshalb Barbara Metz: "Der Eindruck, dass Energieeffizienz im Gebäudesektor dem sozialverträglichen Bauen entgegensteht, ist falsch", betont sie. Bezahlbarer Wohnraum und Energieeffizienz müssten zusammen gedacht werden – sonst würden einkommensschwache Haushalte darunter leiden, die aus Kostengründen in unsanierten Wohnungen leben, dort aber viel Geld fürs Heizen ausgeben müssen.
Eine Untersuchung schätzt, dass hierzulande jeder zehnte Haushalt von Energiearmut betroffen ist. Die Einführung von energetischen Mindeststandards für Mietgebäude könnte das Problem abfedern, schreiben die Nichtregierungsorganisationen Buildings Performance Institute Europe und Regulatory Assistance Project in dem Report.
Das bestätigt auch Christian Noll vom Effizienz-Branchenverband Deneff: "Energieeffizienz senkt die Heizkosten, entlastet die Bürger damit dauerhaft und ist somit ein Schlüssel für bezahlbares Wohnen." Energieeffizientes Bauen sei – anders als behauptet – im Laufe der Jahre günstiger geworden.
"Wegen der Nachfrage sind beispielsweise die Kosten für energieeffiziente Produkte wie Fenster gefallen", sagt Noll. Im Neubau beliefen sich die Kosten für Effizienzmaßnahmen auf durchschnittlich sechs Prozent der Bausumme. Dagegen hätten sich die Preise für Bauland verdoppelt.
Der Neubau muss den Schnitt heben
Ohnehin liegt auf neuen Gebäuden ein besonderes klimapolitisches Gewicht, denn nicht alle Bestandsgebäude können so saniert werden, dass sie Passivhaus-Standard erreichen. Der Neubau muss folglich ausgleichen, was Sanierungen im Altbau selbst unter optimalen Bedingungen nicht leisten können.
"Die Effizienzstandards für Neubau müssten also deutlich höher ausfallen", gibt Metz von der DUH zu bedenken. Allerdings deuten die Zeichen in die andere Richtung. Umweltverbände und Effizienzbranche befürchten, dass im geplanten Gebäudeenergiegesetz energetische Standards für den Neubau vernachlässigt oder aufgeweicht werden.
In ihrem Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und SPD vorgenommen, den Wohnungsbau anzukurbeln. 1,5 Millionen Wohnungen will die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode neu schaffen. Experten halten das Ziel für unrealistisch. Im vergangenen Jahr wurden 285.000 neue Wohnungen gebaut.