Wer an einen holzbefeuerten Kamin denkt, der bekommt in der Regel ein Gefühl von Wärme, Gemütlichkeit und Wohlbefinden. Denkt Axel Friedrich an einen holzbefeuerten Kamin, stellt sich vor allem eines bei ihm ein: Wut. "Ein Skandal!", schimpft der Chemiker und ehemalige Abteilungsleiter im Umweltbundesamt.
Was er meint: Die Bundesregierung sieht in Holzöfen einen sinnvollen Beitrag zur Energiewende. Und stellt über die staatliche KfW-Bank den Deutschen üppige Fördermittel zur Verfügung.
Dabei ist die Holzverbrennung in privaten Kaminen und Kesseln alles andere als umwelt- und klimafreundlich, klagt Friedrich. Zumindest in der derzeitigen Praxis.
Friedrich hat nachgemessen. Er entzündete einen Kamin und kontrollierte anderthalb Stunden lang die Schadstoffbelastung. Ergebnis: Die maximale Belastung entsprach der an einer stark befahrenen Straße. Und das, obwohl der Kaminofen ein neues Modell war, das eigentlich die strengeren Grenzwerte einhalten muss, die seit Januar 2015 in Deutschland gelten.
Ähnlich "besorgniserregende" Werte stellten auch die Forscher des Danish Building Research Institute fest, als sie die Schadstoffe aus traditionellen dänischen Kaminöfen maßen. Vor dem Anfeuern lag die "Hintergrundbelastung" in dem Wohnzimmer bei rund 1.700 Partikeln pro Kubikzentimeter.
Nach drei Stunden Brenndauer des Ofens hatte sich die Partikelkonzentration auf rund 30.000 Partikel pro Kubikzentimeter erhöht. In Friedrichs Messungen lagen die Spitzenwerte sogar bei 40.000 Partikeln pro Kubikzentimeter. Wer zu Hause den Kamin befeuert, verwandelt sein Wohnzimmer quasi in eine Schnellstraße mit Rushhour-Verkehr.
Und nicht nur das Wohnzimmer. "Auch in der Nachbarschaft werden sehr hohe Schadstoffkonzentrationen gemessen", sagt Kare Press-Kristensen vom Danish Ecological Council, das an der Untersuchung beteiligt war. "Man muss nicht einmal selbst einen Kamin haben, um einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt zu sein. Es genügt, wenn der Nachbar einen Ofen hat."
Vorzeitige Todesfälle
Die Europäische Umweltagentur EEA bezifferte kürzlich die Zahl der vorzeitigen Todesfälle durch erhöhte Feinstaubbelastungen auf 430.000 pro Jahr. Die Weltgesundheitsorganisation geht für Europa sogar von 600.000 Fällen aus. Weltweit sterben nach den jüngsten Erhebungen der WHO sogar rund acht Millionen Menschen vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung.
Dass die größte Quelle für Feinstaub aber nicht der Verkehr ist, sondern Kamine und Öfen, "ist ein gut gehütetes Geheimnis", sagt Press-Kristensen. "Die Leute denken immer noch, Holz sei ökologisch."
Dabei emittieren selbst neue, emissionsarme Öfen und Pelletkessel nach Messungen des Danish Ecological Council mehr Feinstaub als Lkws. Es müsse mehr geschehen, meint der Umweltexperte, um auf die Gefahren für die menschliche Gesundheit und für das Klima aufmerksam zu machen.
Rund elf bis 13 Millionen Holzfeuerungsanlagen – so der amtlich korrekte Begriff – gibt es in Deutschland. Das Umweltbundesamt spricht sogar von 15 Millionen. Europaweit sind es 70 Millionen.
Nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sind sie für 56 Prozent der europäischen Rußemissionen verantwortlich, während der Straßenverkehr 22 Prozent beiträgt. Auch beim Feinstaub sorgen Kamine und Co mit einem Viertel für den größten Ausstoß und übertreffen den des Verkehrs (rund 15 Prozent).
Wenn im Verkehrssektor aufgrund strengerer Grenzwerte künftig die Schadstoffemissionen sinken, wird der Anteil der Öfen an den gesamten Rußemissionen noch weiter steigen. Für das Jahr 2025 beziffert ihn das Internationale Institut für Angewandte Systemanalyse IIASA für Deutschland auf 65 Prozent.
Auch klimaschädlich
Feinstaub ist nicht nur schädlich für die menschliche Gesundheit. Rußpartikel, die zum Feinstaub zählen, gelten zudem als fast genauso klimaschädlich wie CO2. Sie entstehen bei der unvollständigen Verbrennung von Dieselkraftstoffen, aber auch in Kraftwerken oder bei offenen Bränden.
Die Partikel, die auch black carbon genannt werden, setzen sich auf Gletschern ab, was dazu führt, dass das Eis mehr Sonnenstrahlen absorbiert, was wiederum das Schmelzen des Eises beschleunigt.
Zudem lässt Luftverschmutzung Pflanzen langsamer wachsen. Der ökologische Vorteil des nachwachsenden Rohstoffs Holz wird durch Holzöfen kräftig geschmälert.
Zum 1. Januar 2015 hat die Bundesregierung die Grenzwerte angehoben, gestaffelt nach dem Alter der Öfen. Ziel: Nach und nach sollen die älteren Anlagen ausgetauscht werden. Für jüngere Öfen gibt es großzügige Übergangsregelungen. "Doch bislang läuft der Austausch nicht gut", hat Axel Friedrich vom Industrieverband Haus-, Heiz- und Küchentechnik (HKI) erfahren.
Das ist nicht das einzige Problem. Damit Öfen weniger Schadstoffe produzieren, müssten sie – was bislang nicht der Fall ist – generell über Filter verfügen, außerdem über Ventilatoren, die die Luftzufuhr permanent regulieren. Damit könnten die Emissionen um 90 Prozent sinken, schätzt Friedrich. "Allerdings sind solche technischen Lösungen teuer. Wenn das nicht vorgeschrieben ist, wird es auch nicht gemacht."
Ungeeignete Messmethoden
Ein weiteres Problem liegt in der Messung der Ofen-Schadstoffe. Bislang richtet sich die Messung – anders als beim Verkehr oder bei Baumaschinen – nach der Masse der Partikel, nicht nach der Anzahl. Ultrafeine Partikel fallen auf diese Weise nicht ins Gewicht.
Sie sind aber besonders gesundheitsgefährdend. Sie gehen direkt ins Blut und erhöhen das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden. "Pro Tausend Partikel mehr haben Sie einen Anstieg des Herzinfarkt-Risikos um sieben Prozent", rechnet Friedrich vor.
Zudem sind die Messgeräte, die Schornsteinfeger benutzen, wenig genau. Sie erlauben eine Abweichung von etwa 50 Prozent. "Das kann man also vergessen", kommentiert der Umweltexperte.
Und selbst wenn die Messung ergeben sollte, dass ein Ofen die Grenzwerte nicht einhält, habe das praktisch keine Konsequenz, weil "es fast keine Überwachung mehr gibt". Die Bundesländer hätten immer mehr Personal abgebaut, folglich gebe es kaum noch Kontrollen.
Friedrich und die Deutsche Umwelthilfe wollen nun das Umweltzeichen "Blauer Engel" für Öfen mit höheren Standards beantragen. Nur wenn es eine Definition gebe, was ein besseres Gerät ist, könne es auch bessere Vorschriften geben.
Sollte es aber zu keiner Lösung kommen, sieht Friedrich nur einen Ausweg: "Dann sollten Holzöfen verboten werden."