Auch in Polen wird der Strommix grüner. Letztes Jahr ist der Anteil der Kohle im Strommix auf 74 Prozent gefallen. Die Stromerzeugung aus Steinkohle ging um fünf und die aus Braunkohle sogar um 15 Prozent zurück. Die Gründe dafür sind ein deutlicher Anstieg der Stromproduktion aus Sonne, Wind und Gas sowie mehr Stromimporte.
Nun könnte die Coronakrise diesen Trend noch beschleunigen, wie der polnische Klimaminister Michał Kurtyka in einem Meinungsbeitrag für das Magazin Euractiv schreibt: "Die Coronavirus-Pandemie zwang die Entscheidungsträger, ihre Sichtweise auf die Wirtschaft zu ändern und sich an die neue Normalität anzupassen."
Und diese bestehe in einer "Transformation hin zu niedrigen und Null-Emissionen". Nachdem Polen noch im Dezember das EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050 für sich nicht gelten lassen wollte, ist das eine beachtliche Wende.
Die Coronakrise ist dabei sowohl ein Push- als auch ein Pull-Faktor. Wie in anderen Ländern auch ist die Krise ein Schock für die polnische Wirtschaft und den Staatshaushalt. Das "stößt" (englisch push) die Kohle aus dem Energiemix, denn ihre Gewinnung und Verbrennung ist auch in Polen unrentabel.
Ein ungenannter Regierungsvertreter sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Die Coronakrise wird riesige Summen kosten. Aus Sicht der Staatsfinanzen können wir den Abbau von Kohle nicht länger finanzieren." Aus diesem Grund plant die polnische Regierung nach Reuters-Angaben die Schließung dreier Kohlegruben. Dies solle aber erst nach der zweiten Runde der polnischen Präsidentschaftswahlen in zwei Wochen bekannt gegeben werden.
Aber auch die Verstromung der Kohle lohnt sich nicht mehr. Letztes Jahr entschied ein Gericht, dass sich der Energiekonzern Enea nicht am Bau des Kohlemeilers Ostrołęka C beteiligen darf. Geklagt hatte die Umweltorganisation Client Earth, nachdem sie eine Enea-Aktie erworben hatte. Rechtsanwalt Peter Barnett, der Client-Earth beim Prozess vertrat, sagte: "Dieses Projekt war nie lebensfähig, weder aus finanzieller noch aus Klimaperspektive."
Glänzende Aussichten für Erneuerbare
Als "ziehender" Faktor (englisch pull) wirkt die Coronakrise wegen der Notwendigkeit, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Minister Kurtyka schreibt: "Polen braucht unbedingt grüne Investitionen, da sie dazu beitragen werden, die Wirtschaft anzukurbeln."
Investitionen in erneuerbare Energien eignen sich besonders gut als Stimulus: Sie haben eine hohe Hebelwirkung, weil private Investoren den größten Teil der erforderlichen Mittel aufbringen. Sie schaffen landesweit Jobs etwa bei der Installation von Solaranlagen. Und es besteht die Aussicht auf Förderung durch die EU im Rahmen des geplanten 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds.
Die Aussichten für Erneuerbare sind daher glänzend. So erwartet das Institut für Erneuerbare Energien IEO, eine Warschauer Beratungsfirma, dass sich die Kapazität von Photovoltaikanlagen bis 2025 auf 8.000 Megawatt verfünffacht, verglichen mit 2019.
Und auch in Windkraft wird wieder investiert. "In Polen passiert mehr als in jedem Markt, den ich gesehen habe, seit ich in der Erneuerbaren-Branche arbeite", sagte Gary Bills von der britischen Beratungsfirma K2 Management der US-Nachrichtenagentur Bloomberg. "Es gibt ein riesiges Interesse an Windkraft, an Land und offshore."
Bloomberg betitelte den dazugehörigen Artikel denn auch mit: "Das Kernland der Kohle in Europa ist der heißeste Markt für grünen Strom". Dieser macht derzeit nur ein Fünftel der installierten Erzeugungskapazität von 47.000 Megawatt aus. So bleibt noch viel Raum für Wachstum.