Nächtliche Ansicht des Denkmals für die Schlesischen Aufständischen, im Hintergrund der stillgelegte Schacht des Bergwerks Katowice.
Wahrzeichen von Katowice: Vor dem stillgelegten Bergwerksschacht steht das Denkmal für die Schlesischen Aufständischen. (Foto: Jan Mehlich/​Lestat/​Wikimedia Commons)

Dass der UN-Klimagipfel im Dezember in Katowice und damit im südpolnischen Industrie- und Kohlerevier über die Bühne geht, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn die wichtigste Weltkonferenz über den klimatischen Zustand der Erde findet in diesem Jahr ausgerechnet in einer Region statt, in der die Menschen, jenseits von CO2 und Klimaschutz, seit Jahrzehnten die EU-weit schmutzigste Luft atmen müssen.

Verantwortlich für die in den Wintermonaten fast durchgängig überschrittenen Stickoxid-Werte sind vor allem die vielen veralteten Kohleöfen in Privathäusern und Wohnungen, in denen jene Steinkohle verbrennt, die in den 30 noch arbeitenden Fördergruben Polens, die meisten in Oberschlesien, gefördert wird. Dass sich an der Förderung und Verfeuerung von Kohle hier und in ganz Polen so bald nichts ändern wird, daran lässt die polnische Regierung keinen Zweifel.

Denn die Steinkohleförderung ist einer der energiepolitischen Eckpfeiler der polnischen Regierung von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Dies liegt nicht nur daran, dass die Preise für Kohle sich seit einiger Zeit erholt und damit den in den letzten Jahren in die Krise geratenen Bergwerken Luft verschafft haben. Auch die wegen der gestiegenen Kohle- und CO2-Preise durch die Decke gehenden Energiekosten für Privathaushalte und Betriebe können die Regierung nicht dazu bringen, ihren ideologischen Anti-Erneuerbaren-Widerstand endlich aufzugeben und auf die langfristig zerstörerische Rolle der Kohlverfeuerung zu reagieren.

Stattdessen wirft die Regierung in Warschau der Europäischen Union vor, den Preis für Kohle künstlich hochzutreiben. "Strom aus Kohle wird dem Druck der Preissteigerungen ausgesetzt, das ist das Ergebnis der EU-Klimapolitik", sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki im August.

Kohle verteidigen, Erneuerbare bremsen

Die Zeichen stehen also eher auf Konfrontation. Warschau dürfte denn auch die Klimakonferenz dafür nutzen wollen, auf die anhaltende Notwendigkeit von Kohle im Energiemix hinzuweisen. "Die PiS-Regierung hat in der Energiefrage ein Ziel: die Verteidigung der Kohle. Nichts anders ist mehr wichtig", schreibt Michał Niewiadomski in der konservativen Politik- und Wirtschaftszeitung Rzeczpospolita. Die Verfeuerung von Kohle solle die wichtigste Quelle der Stromerzeugung bleiben.

Die Entwicklung der erneuerbaren Energien habe die PiS gleich nach dem Regierungsantritt 2015 gestoppt, schreibt Niewiadomski, denn diese bedrohten die Rentabilität der Kohlekraftwerke. "Und die sind schließlich der größte Schatz an der Weichsel." Rund 65 Millionen Tonnen Braunkohle werden jährlich in Polen gefördert, etwa 127 Millionen Tonnen ingesamt, rechnet man die Steinkohle hinzu. Zum Vergleich: In Deutschland sind es rund 170 Millionen Tonnen, allerdings allein von der besonders klimaschädlichen Braunkohle.

Beide Länder wollen partout nicht davon lassen, die Kohle auch künftig im großen Stil zu nutzen. In Polen kommt aber noch das beschriebene zweite Problem hinzu: Die erneuerbaren Energien werden in ihrer möglichen Entfaltung gebremst – und sonderlich gefördert wurden sie auch vor dem Regierungswechsel 2015 nicht.

Mehrere Gesetze veranschaulichen die neue Politik. So wurden die Auflagen für den Betrieb von Windrädern etwa bei der Abstandsregelung im Juni 2016 deutlich verschärft. Bei Photovoltaik-Anlagen gibt es zwar ein stabiles Wachstum, doch die installierte Leistung aus Solarparks und Privatanlagen beträgt insgesamt nur rund 300 Megawatt – Deutschland kommt mit 42.000 Megawatt auf das 140-Fache.

Solar-Investitionen nehmen trotzdem zu

Zugleich nehmen in Polen die Investitionen in die Photovoltaik zu – wegen der sinkenden Anlagenkosten, der steigenden Strompreise sowie eines neu eingeführten Auktionssystems. Nach Berechnungen des renommierten Instituts für Erneuerbare Energien (IEO) in Warschau dürfte die installierte Leistung bis 2020 auf 1.200 Megawatt steigen.

Gemäß einem Szenario des IEO könnten es bei entsprechender politischer Unterstützung 3.200 Megawatt werden. Dem entgegen stehen jedoch "das Fehlen einer längerfristigen Perspektive (etwa für die nächsten 25 Jahre) in der staatlichen Politik, vorübergehende und nicht immer durchdachte Regulierungen, mangelnde gesetzliche Stabilität und eine wachsende Rechtsunsicherheit", wie es in einer IEO-Studie vom Mai dieses Jahres heißt.

Diese der Entwicklung saubererer Energien nicht zuträgliche Politik schlägt sich auch in einer aktuellen Bewertung durch das Climate Action Network (CAN) nieder. Im Juni veröffentlichte das internationale Netzwerk von Klimaschutzorganisationen ein Ranking, das Polen auf dem letzten Platz unter allen 28 EU-Staaten auflistet. Bewertet wurden "Fortschritt und Ehrgeiz" bei der Bekämpfung des Klimawandels.

In der Tat wird Polen große Schwierigkeiten haben, das verpflichtende Ziel eines 15-prozentigen Anteils erneuerbarer Energieträger im Energiemix des Landes bis zum Jahr 2020 zu erreichen.

Geld soll in Atomkraft fließen

Statt auf erneuerbare Energien will die Regierung lieber auf Atomkraft setzen. Seit Jahren werden Pläne für drei Reaktoren verfolgt, die in den vergangenen drei Jahren weitere Hürden genommen haben. Noch in diesem Jahr soll die endgültige Entscheidung zum Investitionsstart fallen, die Kostenschätzung der Regierung liegt bei umgerechnet rund 18 Milliarden Euro bis zum Jahr 2040. Mit dem Einstieg in die Atomenergie würde Polen eines der angenehmeren Ergebnisse seiner durch den Realsozialismus erzeugten Rückständigkeit verlieren: die Atomkraftfreiheit.

Polen ist mit Flächen, die sich für Erneuerbare-Energien-Anlagen eignen, reich gesegnet. Bei entsprechend progressiver gesetzlicher Regulierung könnten davon auch die Dörfer und ihre Bewohner profitieren. Die Regierung in Warschau ignoriert diese Chance, ist sich ihrer nicht bewusst – oder beides. Vielleicht werden der UN-Klimagipfel und die damit verbundene mediale Aufmerksamkeit aber auch an der Weichsel für einen Stimmungsumschwung sorgen – ausgehend vom winterlich versmogten Katowice.

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