Sonnenbeschienener Mischwald mit einem Teppich aus intensiv lila leuchtenden Hasenglöckchen.
Der Hallerbos ist ein Rest vom Kohlenwald, dem Ursprung der belgischen Sprachgrenze. Sein Teppich aus Hasenglöckchen ist berühmt. Rechte verleiht ihm das aber nicht. (Foto: Jat Blad/​Pixabay)

Ein Gericht erster Instanz in Brüssel hat letzte Woche entschieden, dass die Regierung Belgiens und die Regionalregierungen von Flandern, Wallonien und Brüssel gegen belgisches Recht und gegen die Menschenrechte verstoßen. Der Grund dafür ist das Verfehlen der Klimaziele.

Im Rahmen der Lastenteilung innerhalb der EU sollte Belgien seine Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 15 Prozent gegenüber 2005 reduzieren. Tatsächlich sind die Emissionen aber nur um elf Prozent gesunken.

Damit verstoßen die belgischen Regierungen gegen Artikel 2 und Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Diese Artikel garantieren das Recht auf Leben und das Recht auf Privat- und Familienleben. Zudem verstoßen die Regierungen laut dem Urteil gegen belgisches Recht, weil sie ihre Sorgfaltspflicht verletzen.

Damit geht das belgische Gericht nicht so weit wie das Bundesverfassungsgericht und das oberste Gericht der Niederlande in ihren Klimaurteilen. In Deutschland und den Niederlanden wurden die Klimaziele als unzureichend eingestuft – in Deutschland, weil die Freiheitsrechte junger Menschen unverhältnismäßig eingeschränkt werden und in den Niederlanden, weil die Menschenrechte verletzt werden.

Das belgische Gericht lehnte es denn auch ab, den Regierungen schärfere Klimaziele vorzuschreiben. Dies stehe einem Gericht aufgrund der Gewaltenteilung nicht zu.

Die gemeinnützige Organisation Klimaatzaak, die die Klage angestrengt hatte, will deshalb in Revision gehen und den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu bringen. Letzteres sei möglich, weil das Revisionsgericht mehr als neun Jahre brauchen könnte, um den Fall zu entscheiden.

Jeder Belgier darf nun klagen, Belgiens Natur jedoch nicht

Bemerkenswert sind beim belgischen Urteil die Entscheidungen zur Klagebefugnis. Das Gericht urteilte, dass sowohl die Organisation Klimaatzaak als auch die 58.000 Belgier, die die Klage unterstützten, klagebefugt sind.

Das ist nicht selbstverständlich. In Belgien sind Klagen im öffentlichen Interesse nicht möglich. Ein Kläger muss zeigen können, dass er ein direktes, persönliches Interesse hat. Beim Klima trifft das aus Sicht des Gerichts für jeden Menschen in Belgien zu. Klimaatzaak nannte das Urteil aus diesem Grund "historisch".

Nicht klagebefugt sind hingegen Bäume. Anwälte wollten sich im Namen von 82 geschützten, "langlebigen" Bäumen ebenfalls an der Klage beteiligen, um deren "Interessen" zu vertreten. Das Gericht verpasste allerdings die Gelegenheit, hier Rechtsgeschichte zu schreiben: Bäume seien keine "Rechtspersonen" und hätten daher keine "Rechte" und folglich auch keine Klagebefugnis, entschieden die Richter.

Der Versuch, der Natur Rechte einzuräumen, ist damit in Belgien vorerst gescheitert. Abwegig war der Versuch allerdings nicht. In Neuseeland wurde einem Wald, einem Fluss und einem Berg per Gesetz der Status einer Rechtsperson verliehen und in Kolumbien hat das Verfassungsgericht dem Fluss Atrato und dem Amazonas-Regenwald ebenfalls diesen Status zuerkannt.

Die Idee geht auf den US-Rechtsprofessor Christopher Stone zurück. Stone schrieb im Jahr 1972 in einem Artikel mit dem Titel "Should Trees Have Standing?" (Sollten Bäume Klagebefugnis haben?): "Ich schlage vor, dass wir Wäldern, Meeren, Flüssen und anderen 'Objekten der Natur', ja der ganzen natürlichen Umwelt, formelle Rechte gewähren."

Die Natur wäre damit nicht länger ein Objekt, dessen Wert sich einzig an seiner Nützlichkeit für den Menschen bemisst, sondern ein Subjekt mit einem Eigenwert.

Sollte sich diese Rechtsauffassung eines Tages durchsetzen, könnte die Atmosphäre selbst gegen ihre Nutzung als Endlager für Treibhausgase klagen. Noch ist es aber nicht so weit, sondern es geht um die Menschenrechte der Belgier.