In Bremen trafen sich in dieser Woche Autorinnen und Autoren des Weltklimarats IPCC. Sie bereiten derzeit die Zusammenfassung eines neuen Sonderberichts vor, der im kommenden September veröffentlicht werden soll.
Das Thema: wie der Klimawandel sich auf die Ozeane und Eisgebiete auswirkt – auf Systeme also, "von denen unser Leben auf diesem Planeten abhängt", wie es der Klimaforscher Hans-Otto Pörtner formuliert.
Fest steht schon jetzt: Wenn der Sonderbericht im Herbst erscheint, wird er wenig Erfreuliches enthalten. Die maritimen Systeme sind in keinem guten Zustand.
Einen Vorgeschmack lieferte der Gastgeber des Treffens, das Alfred-Wegener-Institut (AWI), kurz zuvor mit einer neuen Studie zu den Folgen der Erderhitzung im Arktischen Ozean. Sie ist im freien Fachmagazin Scientific Reports erschienen und enthält, so die Meeresforscher, "besorgniserregende Ergebnisse".
Die Meereisschmelze in der Arktis hat demnach ein "extremes Ausmaß" erreicht. Schon 2040 könnte die Nordpolarregion im Sommer eisfrei sein – mit weitreichenden Folgen.
Das Forscherteam um den Meereisphysiker Thomas Krumpen hat sich mit der sogenannten Transpolardrift beschäftigt. Diese große arktische Strömung sorgt für Nachschub an neuem Eis. Sie schiebt junges Meereis quer über den Nordpol – von den Küsten Sibiriens, wo es in flachen Schelf- und Randmeeren entsteht, durch die zentrale Arktis bis in die Framstraße zwischen Island und Grönland.
Wie die Auswertung von Satellitendaten der vergangenen 20 Jahre zeigt, schwächt die Erderwärmung dieses wichtige Transportband ab. Nur 20 Prozent des jungen Eises kommen überhaupt noch an. 80 Prozent dagegen schmelzen, bevor das Eis seine "Kinderstube" in dem sibirischen Teil des Nordpolarmeers verlassen hat.
Vor dem Jahr 2000 trat dagegen noch rund die Hälfte des Eises die – etwa zwei bis drei Jahre andauernde – transarktische Reise an. Der größte Teil des jungen Eises verschwindet also, bevor es älter als ein Jahr werden und zu mächtigerem Packeis anwachsen kann.
"Unsere Studie zeigt extreme Veränderungen in der Arktis", sagt Thomas Krumpen vom AWI. "Das Meereis in der Karasee, der Laptewsee und der Ostsibirischen See schmilzt mittlerweile so schnell und flächendeckend, dass der Eisnachschub für die Transpolardrift nachhaltig abnimmt."
Die Arktis wird sich biologisch und chemisch verändern
Das Eis, das nun die Framstraße erreicht, stammt denn auch vor allem aus der zentralen Arktis. Es hatte folglich weniger Zeit, an Dicke zuzulegen. Meereisdicken-Messungen in der Framstraße, die von den AWI-Wissenschaftlern regelmäßig durchgeführt werden, bestätigen dies.
"Eis, das heutzutage die Arktis durch die Framstraße verlässt, ist rund 30 Prozent dünner als noch vor 15 Jahren", sagt Krumpen.
"Wir werden derzeit Zeuge, wie ein wichtiger Transportstrom abreißt und die Welt einem meereisfreien Sommer in der Arktis einen großen Schritt näherkommt", so der Wissenschaftler.
Doch ein eisfreier Nordpol in den Sommermonaten ist nur eine der Folgen der versiegenden Transpolardrift. Langfristig ist überdies damit zu rechnen, dass sich die Arktis biologisch und chemisch verändert.
Denn die Eisdrift transportiert nicht nur Eisschollen. In diesen Eisschollen sind auch wichtige Mineralien, Algen, Schweb- und Nährstoffe enthalten – sofern das Eis in den flachen Küstenregionen Sibiriens gebildet wird. Dort wirbeln Wellen, Wind und Gezeiten deutlich mehr Partikel vom Meeresboden auf als auf hoher See. Außerdem befördern Flüsse wie Lena oder Jenissej Sedimente an die sibirische Küste, die beim Gefrieren des Wassers im Eis eingeschlossen werden.
Falls nun aber die Eisschollen – wie die Studie zeigt – größtenteils erst auf hoher See gebildet werden, können sie sehr viel weniger Nährstoffe aufnehmen. Diese Nährstoffe fehlen dann in der Framstraße. Dort kommt weniger Material in einer anderen Zusammensetzung an, wie Sinkstoffanalysen zeigen, die AWI-Biologen seit 20 Jahren in der Framstraße durchführen.
"Anstelle sibirischer Mineralien landen mittlerweile mehr Überreste abgestorbener Algen und Kleinstlebewesen in unseren Sedimentfallen", erläuterte Ko-Autorin Eva-Maria Nöthig.
Auch zu einer höheren Anreicherung von Mikroplastik könnte es in der zentralen Arktis kommen.