Korallenbleiche
Korallenbleiche im südlichen Great-Barrier-Riff vor vier Jahren. (Foto: Richard Vevers/​The Ocean Agency/​XL Catlin Seaview Survey/​Flickr)

Noch ist die Diagnose nicht endgültig – aber schon jetzt ist klar: Die Lage ist ernst, sehr ernst. Dem Great Barrier Reef vor der australischen Nordostküste hat der diesjährige Hitzesommer massiv zugesetzt. Weite Teile des Riffs sind von einer Korallenbleiche betroffen.

Wie weitreichend die Bleiche ist, davon versuchen sich die Forscher:innen der Great Barrier Reef Marine Park Authority gerade ein Bild zu machen. Erste Analysen der Luftaufnahmen lassen Schlimmes befürchten: Die Bilder zeigen eine sehr weit verbreitete Bleiche.

Offenbar sind nun auch Teile des Riffs gefährdet, die von den Korallenbleichen 2016 und 2017 verschont geblieben sind. Südliche Teile des Riffs zeigen eine mittlere bis starke Bleiche.

"Die letzten beiden Ausbrüche sind stärker im Norden des Korallenriffs aufgetreten. Nur ein Prozent des südlichen Teils war damals betroffen", sagte Richard Leck, Meeresexperte beim WWF Australien. Jetzt auch noch den gesunden Teil des Riffs ums Überleben kämpfen zu sehen sei erschütternd.

Die nördlichen und zentralen Bereiche des Riffs, die besonders von Tourist:innen frequentiert werden, scheinen diesmal nur eine mäßige Bleiche aufzuweisen. Dort dürften sich die meisten Korallen nach Einschätzung der Great-Barrier-Reef-Behörde wieder erholen.

Die Untersuchung des 344.000 Quadratkilometer großen Riffs per Flugzeug ist mittlerweile abgeschlossen. In den kommenden Wochen will die Riff-Behörde das Material auswerten und die diesjährige Bleiche mit denen 2016 und 2017 vergleichen. Dabei greift sie auch auf Messungen aus dem Wasser, Citizen-Science-Daten von Laien sowie Kartendienste der australischen und US-amerikanischen Wetterbehörden zurück.

Korallenriffe bewahren Küsten vor Erosion 

Schon in den Jahren 1998, 2002, 2016 und 2017 war das Great Barrier Reef von Massenbleichen betroffen, bei denen große Teile des Korallenriffs abstarben. Im Jahr 2016 verendete ein Drittel der Korallen. Nur ein Jahr später zeigten zwei Drittel des Riffs Anzeichen von Hitzestress.

Gebleichte Korallen sind noch keine toten Korallen. Bei zu hohen Wassertemperaturen stoßen die für Australien typischen Warmwasserkorallen aber die Algen, die sie eigentlich zur Fotosynthese benötigen, ab. Die lebensnotwendige Symbiose von Koralle und Alge funktioniert dann nicht mehr.

Dauert die Bleiche nur kurze Zeit, kann das Gewebe der Korallen wieder Algen aufnehmen und die Symbiose wird fortgesetzt. Leicht oder mäßig gebleichte Riffe haben gute Chancen, sich zu erholen und den Hitzestress zu überleben.

Hält die Korallenbleiche dagegen über einen längeren Zeitraum an oder tritt mehrmals kurz nacheinander auf, können die Korallen absterben, sodass ganze Ökosysteme zusammenbrechen.

Wie viele der gebleichten Korallen sich diesmal wieder erholen und wie viele sterben, ist noch nicht absehbar. Die Korallenriffe sind nicht nur ein Tourismusmagnet, sie verhindern auch die Erosion der Küsten. In den Riff-Ökosystemen ist die Artenvielfalt besonders hoch.

Meer deutlich wärmer als sonst

Die größte Bedrohung für die Korallen sind steigende Temperaturen infolge der Klimakrise. Die australische Wetterbehörde Bureau of Meteorology zählt den Sommer, der sich dort gerade dem Ende zuneigt, zu den drei wärmsten in der Geschichte des Kontinents.

Die Temperaturen an der Meeresoberfläche lagen in den vergangenen Wochen teilweise bei 31 Grad – das sind drei Grad über dem Durchschnitt.

Wenn die weltweite Durchschnittstemperatur um 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit steigt, werden nach dem jüngsten Bericht des Weltbiodiversitätsrates IPBES wahrscheinlich 70 bis 90 Prozent aller Korallen auf der Erde absterben. Bei zwei Grad Erwärmung sind es 99 Prozent. 

WWF-Ozeanexperte Leck forderte die australische Regierung auf, mehr für das Riff zu tun und Maßnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen. "Nur wenn jetzt etwas unternommen wird, können wir die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen", sagte Leck.

"Wir müssen die Energiewende und den Wandel zu einer CO2-freien Wirtschaft durchsetzen – nicht nur uns selbst zuliebe, sondern auch für das Great Barrier Reef."