Das Great Barrier Reef an der Nordostküste Australiens gilt als eines der sieben "Weltwunder der Natur" und wurde von der Unesco 1981 zum Weltnaturerbe erklärt. Doch die Gefahr wächst, dass es diesen Status verliert.
Der Grund: Derzeit sind rund 90 Prozent des Groß-Riffs von einer Korallenbleiche betroffen, und es ist fraglich, wie stabil die Naturformation auf Dauer ist.
Das Große Barriereriff ist einer der artenreichsten Lebensräume der Welt. 400 der bekannten 700 Korallenarten, 1.500 Fisch- und 4.000 Weichtierarten sind hier beheimatet, ebenso seltene Wal-, Delphin- und Schildkrötenarten.
Die größte Korallenriff-Ansammlung der Erde gilt seit Längerem wegen der steigenden Meerwassertemperaturen als gefährdet. Die Klimaforschung zählt die tropischen Korallenriffe generell zu den Kippelementen des Klimas, die bereits ab einer globalen Erwärmung um 1,5 Grad zum großen Teil absterben könnten – eine Marke, die bereits in den nächsten Jahren erstmals überschritten werden dürfte, zumindest zeitweise.
Die aktuelle Bleiche am Great Barrier Reef ist bereits das sechste solche Ereignis und bereits das vierte innerhalb von sieben Jahren, wie Wissenschaftler:innen der australischen Regierung jetzt mitteilten.
Die Bleichen in den Jahren 2016, 2017 und 2020 hatten zwei Drittel der Korallen des Riffs geschädigt. Bei diesem Stress-Phänomen stoßen die Korallen – vielzellige Nesseltiere – die in ihnen lebenden bunten Algen ab. Diesmal waren 91 Prozent der 719 untersuchten Einzelriffe des 2.300 Kilometer langen Naturwunders betroffen.
Die Bleiche wird durch erhöhte Wassertemperaturen infolge der globalen Erwärmung ausgelöst. Diesmal trat sie sogar erstmals während einer La-Niña-Periode auf, die eigentlich kühlere Temperaturen im Pazifischen Ozean bewirkt. So steht es im Jahresbericht der Great Barrier Reef Marine Authority, die der Regierung in Canberra untersteht.
Australien leidet derzeit unter einer für die Jahreszeit ungewöhnliche Hitzewelle mit Spitzentemperaturen von fast 50 Grad Celsius, die bereits seit Monaten anhält. Ende Februar – also im Hochsommer – habe zudem eine "marine Hitzewelle" eingesetzt, heißt es in dem Report.
Korallensterblichkeit könnte diesmal geringer sein
Expert:innen hoffen, dass sich die meisten Korallen von dem aktuellen Hitzeschock wieder erholen werden. "Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass die Sterblichkeit nicht sehr hoch sein wird", sagte David Wachenfeld, leitender Wissenschaftler der Riffbehörde. Man hoffe, dass es ein Ereignis wie 2020 wird, als es zwar eine Massenbleiche, aber nur eine geringe Sterblichkeit gab.
Wenn das Wasser sich abkühlt, können gebleichte Korallen ihre Farbe wiedererlangen und überleben. Die Bleichen 2016 und 2017 allerdings haben Wachenfeld zufolge zu einem "recht hohen Niveau der Korallensterblichkeit" geführt.
Die Unesco hatte im vergangenen Jahr angedroht, das Barriereriff wegen seines schlechten Zustands auf die Rote Liste gefährdeter Welterbe-Stätten zu setzen. Die australische Regierung, die auch um die hohen Einnahmen aus dem Tourismus-Geschäft bangt, konnte das damals durch massiven politischen Druck gerade noch einmal verhindern.
Nun droht erneut die Herabstufung bei der nächsten Überprüfung im Juni. Der konservative Premierminister Scott Morrison hatte im Januar ein Maßnahmenpaket zum Riffschutz vorgestellt, das bis 2030 umgerechnet 630 Millionen Euro umfasst.
Wissenschaftler:innen und Umweltverbände riefen die Politik vor den australischen Parlamentswahlen am kommenden Wochenende auf, mehr für Klimaschutz zu tun. "Dies ist ein Problem, das nicht mit großen, schillernden Finanzierungsankündigungen gelöst werden kann", sagte der Forschungsdirektor des unabhängigen australischen Klimarats, Simon Bradshaw. Um die Riffe der Welt vor der Zerstörung zu bewahren, müssten die Emissionen in den 2020er Jahren drastisch reduziert werden.
Dass die Bleiche immer häufiger und nun sogar in einem La-Niña-Jahr auftrete, sei nicht normal, sagte Lissa Schindler von der Australian Marine Conservation Society. "Wir sollten uns nicht damit abfinden." Beide politische Lager müssten sich dem Problem stellen, dass ihre Klimaziele für das Riff nicht ausreichten.