Kleine Kirche mit schiefergedecktem Turm und Solarpaneelen auf dem Dach, vermutlich im mitteldeutschen Raum.
Sonnenenergie vom Kirchendach kann auch als lebens- und glaubensbejahendes Symbol verstanden werden. (Foto: Bildagentur Zoonar/​Shutterstock)

Kein Wetterhahn auf dem Kirchturm, aber ein "Grüner Hahn" an der Wand: In vielen kirchlichen Einrichtungen symbolisiert das Zeichen ein gelungenes Umweltmanagement.

Wie grün ist Kirche? Siegrun Höhne, Umweltmanagement-Beauftragte der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) mit Büro in Wittenberg, wiegt den Kopf. In den Kirchen spiegele sich die Gesellschaft.

"Mir begegnen Menschen, die sich engagiert in Gemeinden für den Klimaschutz einsetzen, die 1. Mose 2,15 zitieren: 'Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaue und bewahre.'" Andere dächten, die Treibhausgasemissionen des Dorfkirchleins fielen ja nicht ins Gewicht, erzählt Höhne.

"Mancher sagt auch, der Auftrag der Kirche sei ein anderer: Verkündigung und in Diakonie den Menschen dienen." Vielleicht 15 Prozent der Gemeindeglieder in der EKM widmeten sich dem Klimaschutz. Darunter viele aus der zunehmend sensibilisierten jungen Generation, aber auch Ältere.

"Andere sehen ihren Fokus eher in der Flüchtlingsarbeit oder in Gemeinwohlinitiativen." Solches Engagement existiere gleichberechtigt nebeneinander. Siegrun Höhne sieht aber immer noch ein starkes Gefälle zwischen der Landeskirche und den Gemeinden. "Wir müssen uns an der Lebenswirklichkeit messen, egal, ob es um den Schöpfungsglauben oder den Heizungsumbau im christlichen Seniorenheim geht."

Keine "Kirchen-Klimablase"

Höhne, die an der Universität Halle Landwirtschaft studiert hat und später eine Ausbildung zur Mediatiorin absolvierte, ist schon seit 1998 am kirchlichen Thema Umwelt und Klimawandel dran. "Neben den landeskirchlichen Beauftragten für Umwelt und Entwicklung oder für Umweltmanagement – das sind Vollzeitstellen – gibt es auch nicht fest gefügte Strukturen, wie zum Beispiel unseren Arbeitskreis Landwirtschaft und Umwelt."

 

Der Arbeitskreis hat etwa 300 Ansprechpartner aus der Praxis, die in einem eher losen Netzwerk wirken. Höhne betont: "Ich versuche zu vermitteln, dass sich jeder Kirchenort an unseren Umweltaktionen beteiligen kann."

Initiativen wie der "Grüne Hahn" oder "Grüne Datenkonten" können Nachhaltigkeit in der kirchlichen Organisationsstruktur verankern und eine starke Öffentlichkeitswirkung erzielen. Ein Energiebericht ist dann "auf Knopfdruck" abrufbar und dokumentiert die längerfristige Entwicklung.

So können Kirchengemeinden und -einrichtungen beim Umwelt- und Energiemanagement voneinander profitieren, erläutert Höhne. "Und das in der EKM sogar gebührenfrei, weil wir das finanzieren." Eine "Kirchen-Klimablase" gebe es aber nicht. Die engagierten Gemeindeglieder lebten nicht abgeschottet wie in einem Kloster, sondern inmitten großer Vielfalt.

Beraterin und Schlichterin

Siegrun Höhne berät und begleitet interessierte Gemeinden und Einrichtungen, bildet kirchliche Umweltauditoren aus und kooperiert mit den umliegenden Landeskirchen und katholischen Bistümern. Das Umweltmanagementsystem "Grüner Hahn", ein Zertifikat, das die Vorgaben der internationalen Norm ISO 14001 und der europäischen Öko-Audit-Verordnung Emas erfüllt, ist ihr zufolge an kirchliche Bedürfnisse angepasst und erlaubt es jeder Gemeinde oder Einrichtung, eigene Schwerpunkte und Ziele zu setzen.

Der "Grüne Hahn" stärke die kirchliche Glaubwürdigkeit nach innen und außen, sei betriebswirtschaftlich sinnvoll und ökologisch bedeutsam – und markiere einen systematischen Weg vom Reden zum Tun, wirbt Höhne für das Zertifikat. Jede Gemeinde passt das Umweltprogramm selbst an die eigene Situation an und setzt es schrittweise um. Wesentlich für das Gelingen sind laut Höhne eine gute Kommunikation zwischen Haupt- und Nebenamtlichen und zwischen Umweltteam, Leitung und Gemeindebasis sowie ein lebendiger Austausch mit anderen "Grünen Hähnen".

Die Umweltbeauftragte ist bei Naturkindergärtnerinnen, in Tagungszentren und kleinen Gemeinden ebenso gern gesehen wie als Konfliktschlichterin. "Es gibt schon gelegentlich Streit um Windräder auf Kirchenland oder wenn eine Eierbrüterei dort errichtet werden soll." Oft wäre es ihr lieber, sie wäre eher gerufen worden.

Ein heikles Thema sind Altäre und Friedhöfe, weiß Siegrun Höhne. An den frischen Blumen auf dem Altar übers ganze Jahr entzünden sich zunehmend Diskussionen. Kritiker bemängeln, dass für wenig Geld Blumen in Entwicklungsländern gezogen werden, um dann mit großem Aufwand und viel CO2-Ausstoß nach Mitteleuropa geflogen zu werden. Wer es ernst mit den Worten der Bibel nehme, solle auf kurzlebigen Altarschmuck verzichten oder zumindest auf frische Feldblumen aus dem Garten nebenan zurückgreifen.

Eigene Windräder auf Kirchenland

Ob die Blumen, die Dohlen im Kirchturm oder der Schutz von Fledermäusen und Eulen, all das verkörpert für Höhne die Vielfalt des Lebensraums Kirche. Oft holten sich die Gemeinden selbst die nötige Sachkunde, zum Beispiel beim Naturschutzbund.

Ein Schritt, der durchaus auf allen Ebenen schwer erscheint, sei der Abschied von lieb gewordenen Gewohnheiten, etwa bei der Mobilität. So stelle sich gerade durch die Digitalisierung die Frage, ob jede Dienstreise noch verantwortbar sei. Und Elektrofahrzeuge könnten in kirchlichen Einrichtungen durchaus eine klimafreundliche Alternative sein.

Viele kleine Dinge fügen sich zu einem großen Anliegen, ist sich die Umweltbeauftragte sicher. Klassiker seien der faire Handel, aber auch das Zurück von Einweg zu Mehrweg beim Gemeindefest. Und natürlich die Energieversorgung. In der EKM ist inzwischen ein Stromverbund entstanden, der so viel Ökostrom erzeugt, wie die Kirchen rechnerisch verbrauchen.

Höhne hält eigene Windräder auf Kirchengrund für eine gute Investition. Längst seien auch Kirchendächer kein Tabu mehr für Solaranlagen. Schon vor 20 Jahren hatte eine Initiative der Deutschen Bundesstiftung Umwelt das Ziel, tausend Gotteshäuser damit auszustatten.

Immer stärker ins Blickfeld rückt das Umnutzen von Gemeindehäusern oder Kirchbauten. Dabei sei viel Kreativität gefragt, sagt Höhne, denn in der EKM gibt es rund 4.000 Kirchen und Kapellen – deutschlandweit die meisten pro Einwohner. "Schon bei der Planung sollte uns bewusst sein, dass Bauen im Denkmal heute neue, innovative Technik beinhalten muss, um das Klima zu schützen."

Der Umgang mit den Gebäuden und Fragen der Mobilität spielen auch in den Diskussionen zur Vorbereitung der Herbstsynode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eine Rolle. Dort wolle man erreichen, dass sich die EKD ein "Klimagesetz" gibt, kündigt Siegrun Höhne an. Der Entwurf liege bereits vor.