Der Strommarkt kennt negative Preise seit Jahren – wenn viel Sonne scheint und viel Wind weht, aber wenig Strom gebraucht wird, die Betreiber der konventionellen Kraftwerke ihre Anlagen jedoch nicht herunterfahren wollen. Am Montag war zum ersten Mal in der Geschichte auch der Ölpreis negativ.
Ein durch die Corona-Pandemie drastisch sinkender Verbrauch trifft auf eine wenig verminderte Förderung. Zudem nähern sich die Öl-Tanklager ihren Kapazitätsgrenzen.
Ein Barrel (159 Liter) der US-Ölsorte WTI kostete am Montag minus 37 US-Dollar. Wer Öl verkaufte, musste dem Käufer also 37 Dollar geben, damit dieser den Rohstoff abnimmt. Das betraf allerdings "Futures", also Wertpapiere, die eine Öllieferung in der Zukunft betreffen.
Die "Future"-Papiere, die eine Lieferung Ende Mai nach sich ziehen, werden am heutigen Dienstag abgerechnet. Wer also gestern ein solches Papier besaß, verpflichtete sich, Ende Mai das Öl physisch in Empfang zu nehmen – und zwar in Cushing, dem Handelsplatz für US-Öl im US-Bundesstaat Oklahoma. Dort befinden sich auch die meisten Lagertanks für Öl.
Der Ölexperte Damien Courvalin von der US-Investmentbank Goldman Sachs befürchtet allerdings, dass die Tanks "dann wahrscheinlich komplett voll sein werden". Letzten Freitag waren sie Courvalin zufolge bereits zu 77 Prozent gefüllt "und der Trend der letzten beiden Wochen deutet darauf hin, dass in der ersten Maiwoche die Lagerkapazität erreicht ist".
Die große Frage ist nun, was mit den Papieren passiert, die eine physische Öllieferung Ende Juni nach sich ziehen. Diese verloren am Montag "nur" 18 Prozent ihres Werts und gingen für 20 Dollar aus dem Markt. Diese Papiere profitieren unter anderem davon, dass das Ölkartell Opec und Russland ihre Förderung ab Mai um durchschnittlich zehn Prozent oder 9,7 Millionen Barrel pro Tag drosseln.
Zudem ist die Zahl der aktiven Fördertürme in den USA um fast die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr gefallen. Dennoch könnte auch im Mai noch ein Überangebot an Öl bestehen, denn im April liegt die Ölnachfrage um 29 Millionen Barrel pro Tag unter dem Wert von 2019, wie die Internationale Energieagentur IEA schätzt.
Branche unter Druck
Hinzu kommt, dass eine Armada von Öltankern mit Öl aus Saudi-Arabien auf die USA zusteuert. Das Königreich hat seine Exporte in die USA im März im Vergleich zum Februar mehr als verdoppelt: auf gut 0,8 Millionen Barrel pro Tag. In den ersten beiden Aprilwochen wurden dann gar 1,4 Millionen Barrel pro Tag angelandet, schätzt Tankertracker, eine Analysefirma, die Satellitenbilder auswertet.
Ein ungenannter Vertreter Saudi-Arabiens bestritt diese Zahlen allerdings und sagte dem US-Sender CNBC, sein Land exportiere derzeit nur rund 0,6 Millionen Barrel pro Tag in die USA. Trotzdem erstaunt es nicht, dass Goldman Sachs davon ausgeht, dass der Preis für die Juni-Papiere "in den kommenden Wochen wahrscheinlich unter Druck geraten wird".
Für die Mai-Papiere fand sich am Dienstag dann doch noch ein Käufer, der offensichtlich über freie Lagerkapazitäten verfügt. Der Preis stieg so um 33 auf minus vier Dollar.
Nach Expertenansicht wird sich der Preisverfall nicht weiter auf die Preise an den deutschen Tankstellen auswirken, weil die Lagerprobleme vor allem eine in den USA gehandelte Ölsorte betreffen. Der schrumpfende Ölmarkt sorgt aber für Beschäftigungsabbau.
So seien im März hierzulande rund 51.000 Arbeitsplätze oder rund neun Prozent der Stellen in der Ölbranche verloren gegangen, bei Zulieferern noch einmal 15.000 Arbeitsplätze, berichtet die FAZ.