Die Neuzulassungen von Autos liegen hoch – die Branche ist zuversichtlich: Die Märkte seien "in guter Verfassung", sagte Bernhard Mattes, seit März Chef des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) und damit sozusagen Deutschlands oberster Auto-Lobbyist, als er heute Bilanz über die erste Hälfte des Jahres zog.
Rund 1,8 Millionen Pkw wurden seit Jahresbeginn neu zugelassen, drei Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Weiter eingebrochen ist dem Branchenverband zufolge nur der Dieselmarkt. Der Absatz sei im ersten Halbjahr auf einen Anteil von einem Drittel gesunken, beklagte Mattes.
Das will die Branche wieder ändern – trotz des Abgas-Skandals. "Auch Verbrennungsmotoren sind ein wichtiger Bestandteil der Transformation", sagte Mattes. "Wir brauchen eine Versachlichung der Debatte. Fakt ist: Die Stickoxidemissionen des Straßenverkehrs haben sich seit 1990 um rund 70 Prozent verbessert – obwohl die Verkehrsleistung im gleichen Zeitraum um 50 Prozent gestiegen ist."
Was der VDA-Chef dabei verschweigt: Die Werte liegen in vielen deutschen Städten weiterhin deutlich über den EU-weit seit acht Jahren geltenden Grenzwerten.
Vorwärts und rückwärts gleichzeitig
Vor allem Diesel-Autos seien wichtig für den Klimaschutz, argumentierte Mattes erneut. Das allerdings ist umstritten, wenn nicht gar widerlegt. Laut dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) haben sich die durchschnittlichen CO2-Emissionen von neu zugelassenen Benzinern und Dieseln mittlerweile so gut wie angeglichen. "Der Diesel als Klimaretter ist eine Mär", sagte VCD-Experte Michael Müller-Görnert.
Dass Mattes jobbedingt nicht allein die Sorge um den Planeten treibt, verriet er auch selbst. "Wir Deutschen sind in dieser Technologie führend, unsere Wettbewerber wissen, dass sie uns hier nicht überholen können", so der Lobbyist.
Dennoch wollen die deutschen Autobauer sich nun wohl auf das einlassen, was Mattes die "Vorwärtsstrategie" nennt: Elektromobilität und Digitalisierung. Für die kommenden drei Jahre kündigte er 70 neue E-Modelle der deutschen Hersteller an. Zurzeit gibt es 30. Dazu werden die Hersteller vor allem durch die EU-Klimapolitik gedrängt.
Ab 2020 drohen Strafen bei Autoflotten, die im Schnitt mehr als 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen. Während besonders dicke Verbrennerautos fast die doppelten Werte erreichen, dürfen die Konzerne E-Autos mit null Gramm anrechnen – obwohl der Strom zum Betanken und Herstellen der Fahrzeuge eigentlich noch jede Menge Treibhausgase verursacht. Sie können mit den E-Autos also ihr schweres Luxus-Segment retten.
E-Auto-Prämie fast wirkungslos
Sinnvoll sei dafür, meint Mattes, auch die Fortführung des Umweltbonus – besser bekannt als E-Auto-Prämie. Auch für die gibt es eine Halbjahresbilanz – allerdings eine niederschmetternde. "Von den verfügbaren Mitteln sind rund 100 Millionen Euro verbraucht", gab Andreas Obersteller, Präsident des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa), erst gestern bekannt. "Das entspricht einem Sechstel der Fördersumme."
Vor zwei Jahren wurde das Programm eingeführt, im kommenden Jahr soll es schon wieder auslaufen. Es soll Deutschland dem – mittlerweile aufgegebenen – Ziel der Bundesregierung näher bringen, bis 2020 insgesamt eine Million E-Autos auf die Straßen zu bringen. Dafür bekommen E-Auto-Käufer bis zu 4.000 Euro geschenkt, die Kosten teilen sich Staat und Autokonzerne.
Klimaschützer hatten vor der Einführung gewarnt, dass E-Autos durch die Prämie kaum attraktiver würden: Auch mit Zuschuss seien die E-Autos noch deutlich teurer als ihre fossil betriebenen Pendants – man fördere also nur die wohlhabenden Käufer, die sich ein teures Fahrzeug (und das meist als Zweitauto) ohnehin leisten könnten. Außerdem bevorteile man schwere Stromfresser genauso wie leichte E-Autos.
Momentan ist es wohl egal, ob die Finanzspritze nun ökologisch konzipiert ist oder nicht, denn sie erscheint vor allem als eines: ein Subventionsgrab.