Ein belebter Bahnsteig des Hamburger Hauptbahnhofs mit einem Regionalexpress.
Einen Ansturm auf die Regionalbahnen hat das Neun-Euro-Ticket ausgelöst. (Foto: Wolfgang Klee/​Deutsche Bahn AG)

Bereits nach einem Monat ist klar: Das Neun-Euro-Ticket für den Nahverkehr ist ein Verkaufserfolg. Jetzt liegen auch erste belastbare Daten vor, wie die Bundesbürger es genutzt haben: sehr intensiv und vor allem für Ausflüge am Wochenende, wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat. Unter der Woche stiegen demnach viele vom Auto in den Nahverkehr um.

Die Bundesregierung hatte das Neun-Euro-Ticket zusammen mit dem umstrittenen steuerlichen Tankrabatt Anfang Juni eingeführt. Beides soll den Geldbeutel der Verbraucher schonen, die angesichts der steigenden Energiepreise mehr bezahlen müssen. Eine Idee war auch, Autofahrer dazu zu bewegen, Busse und Bahnen zu nutzen.

Das Ticket berechtigt dazu, einen Monat bundesweit den Nahverkehr zu nutzen, also auch Regionalbahnen. Es gilt jeweils für einen Monat und ist auf Juni, Juli und August beschränkt. Allein im Juni wurden 21 Millionen verkauft, hinzu kamen gut zehn Millionen Abonnenten, die einen Rabatt auf ihr Monatsticket bekommen.

Um festzustellen, wie sich die Bundesbürger verhalten, hilft den Statistikern, dass fast alle Deutschen ein Mobiltelefon nutzen und es immer dabei haben. Die anonymisierten Daten zeigen Bewegungen. Die Statistiker verglichen Werte für die ersten sechs Monate 2022 mit denen aus demselben Zeitraum 2019, dem letzten normalen Jahr vor der Corona-Pandemie.

Das Ergebnis: Im Juni, dem ersten Monat mit Neun-Euro-Ticket lag die Mobilität im Schnitt 42 Prozent höher. In der Spitze, etwa über das Pfingstwochenende, waren es bis zu 56 Prozent. Selbst die Berichte über überfüllte Züge schreckten die Kunden nicht. Ende Juni lag das Plus noch bei 40 Prozent. Der Mai kam gegenüber Mai 2019 nur auf plus drei Prozent.

Was alle bemerkt haben, die mit der Bahn ins Grüne fahren wollten, ist jetzt auch statistisch belegt: Gerade an den Wochenenden hat das Neun-Euro-Ticket einen wahren Ansturm auf die Regionalzüge ausgelöst.

Die Statistiker ermittelten für die Sonnabende im Juni ein Plus von 83 Prozent im Vergleich zu gleichen Tagen 2019. Sonntags lag das Plus noch bei 61 Prozent. Leicht zugelegt hatte die Wochenend-Mobilität auch schon im Mai.

Aber auch unter der Woche stiegen die Bundesbürger mit dem günstigen Ticket viel häufiger in die Züge: Lag für April und Mai die Mobilität montags bis freitags noch etwas niedriger als für dieselben Tage 2019, waren es im Juni im Schnitt 36 Prozent mehr.

Straßenverkehr nahm unter der Woche leicht ab

Gleichzeitig stellten die Statistiker fest, dass sich der Werktags-Straßenverkehr von Mai zu Juni etwas verringerte: Während er im Mai fünf Prozent über dem Vorkrisenzeitraum lag, schrumpfte das Plus im Juni auf zwei Prozent.

"Die gegenläufigen Entwicklungen an Werktagen auf der Straße im Vergleich zur Schiene deuten darauf hin, dass Pendlerinnen und Pendler vom Straßen- zum Schienenverkehr gewechselt sind", schließen die Statistiker. Allerdings zeigen die Daten nicht, ob jemand den Bus oder ein Auto genommen hat. Aber die Statistiker vermuten, dass einige das eigene Auto stehen ließen.

Das legen auch Staudaten des Verkehrsdatenspezialisten Tomtom nahe. In 23 von 26 Städten brauchten Pendler danach im Juni weniger Zeit zur Arbeit und zurück als im Mai. Der Schluss: Viele stiegen auf Busse und Bahnen um, sodass weniger Fahrzeuge unterwegs waren und die, die noch Auto fuhren, flüssiger durchkamen.

Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind Durchschnittswerte für ganz Deutschland. Unterschieden nach Stadt und Land haben die Statistiker nicht. Gerade in sehr ländlichen Gebieten ist der Nahverkehr in Deutschland schlecht ausgebaut oder nicht mehr vorhanden.

Die Statistiker nutzten anonymisierte Mobilfunkdaten des Anbieters Telefónica (O2, Blau, Fonic), die das Schweizer Unternehmen Teralytics aufbereitet hat. Rückschlüsse auf einzelne Personen sind nicht möglich. Die Statistiker nutzten nur Daten, wenn Sim-Karten an Start- und Zielpunkten mindestens 30 Minuten verweilten. Erfasst wurden nur Entfernungen ab 30 Kilometern. Für kürzere Strecken sind die Daten nicht zuverlässig.

Ergänzung am 31. August: Das Neun-Euro-Ticket war noch viel besser als gedacht

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