Mehr Fahrräder in der Stadt und weniger Parkplätze? Wo sollen da die ganzen Autos bleiben, fragen sich besonders Kommunalpolitiker mit CDU-Parteibuch. In Hamburg fordert die CDU Altona als "Quartiersgarage" eine private Tiefgarage unterm Holstenplatz, um "Parkplatzchaos" zu verhindern.
In der Ruhrstadt Bottrop soll auf dem Gleiwitzer Platz nun ein Park entstehen – die parkenden Autos sollen, geht es nach der örtlichen CDU, künftig in einer Tiefgarage unterm Pflaster verschwinden. Und wenn sich dafür kein privater Investor findet, muss die öffentliche Hand ran, sagt die Union.
Beide Beispiele stammen aus dem Oktober 2019. In der Hauptstadt Berlin forderte die CDU-Fraktion des Abgeordnetenhauses Anfang 2018 den Senat auf zu prüfen, an welchen Stellen der Stadt die Schaffung von Tiefgaragen als Alternative zum Parken im Verkehrsraum realisierbar sei.
Dass ein einziger Stellplatz im Untergrund bis zu 25.000 Euro kostet, ficht Unionspolitiker offenbar nicht weiter an. Es geht ja ums Auto.
Dass Tiefgaragen Wohnen sogar unbezahlbar machen können, davon kann Ingeborg Esser, die Geschäftsführerin des Wohnungswirtschaftsverbandes GdW, erzählen. Bei einem größeren Wohnbau im Taunus habe die Kommune, obgleich eine "fantastische" ÖPNV-Anbindung vorliege, eine Tiefgarage gefordert.
Teurer Klotz am Bein der Verkehrswende
Die völlig überdimensionierte Tiefgarage habe dann den Quadratmeterpreis für die darüber gebauten Wohnungen von 2.300 auf über 4.000 Euro in die Höhe schießen lassen, rechnete Esser letzte Woche bei der Präsentation der Studie "Wohnen leitet Mobilität" des ökologisch orientierten Verkehrsclubs VCD vor, die der GdW unterstützt hat.
So könne man keine bezahlbaren Mieten sichern, sagte Esser. Ein derartiges Herangehen passe nicht mehr in eine Zeit, in der sich ein Großteil der Bevölkerung mit den Wohnkosten überfordert sieht. Aus Sicht des GdW haben sich deswegen auch Vorschriften wie in Baden-Württemberg überlebt, die noch heute festlegten, dass zu einer altersgerechten Wohnung zwingend zwei Autostellplätze gehören.
"Es ist einfach sträflich, nur in Tiefgaragenstellplätzen und solch teuren Angeboten zu denken", betonte die Verbandschefin. Eher müsse man sich Gedanken darum machen, was mit den Tiefgaragen, die vorhanden sind oder noch gebaut werden, in zehn bis 15 Jahren anzufangen ist.
Dabei lasse das Bundesrecht inzwischen viel Spielraum bei der Frage, ob Autostellplätze überhaupt sein müssen, so Esser. Das aber werde von Ländern und Kommunen nicht ausreichend genutzt. Auch für die VCD-Vorsitzende Kerstin Haarmann haben die Kommunen eine "ganze Menge" rechtlich nutzbarer Räume – ob durch Stellplatzsatzungen oder Bauleitplanungen.
Kompromiss für die Übergangszeit
Aber noch sind die Städte voll mit Autos. Wenn nicht vorm Haus oder in Tiefgaragen, wo sollen dann die ganzen Kfz hin? Hans-Georg Kleinmann, Vorstand des Vereins "Nachbarn 60", der die autofreie Siedlung Stellwerk 60 in Köln-Nippes verwaltet, hat einen Kompromiss parat: oberirdische Quartiersgaragen in Modulbauweise.
Der Bau eines solchen Autoabstellplatzes koste um die 8.000 Euro. Und werden die Garagen in 20 oder 30 Jahren nicht mehr benötigt, können sie einfach abgerissen und durch etwas anderes, Nützlicheres ersetzt werden, malte Kleinmann sinnreiche Folgenutzungen in einer dann weitgehend autofreien Stadt aus.
Der Weg von der Quartiersgarage bis zur Wohnungstür schreckt die Bewohner nach Kleinmanns Erfahrungen nicht ab. Gerade autofahrende Eltern mit kleineren Kindern nähmen einen Heimweg von mehreren hundert Metern gern in Kauf, weil sie wüssten, dass die Kinder dafür eine autofreie Fußgängerzone für sich zum Spielen haben – und nicht eine der üblichen Spielstraßen.
Der Unterschied zwischen einer Spielstraße, wo ab und zu ein Auto fährt, und einer Fußgängerzone, wo keines fährt, sei "gravierend", berichtete Kleinmann. "Die Leute sind bereit, 300 Meter zu ihrem Auto zu gehen und es etwas weiter weg zu parken, wenn sie dafür in der Siedlung Lebensqualität haben", lauten seine Erfahrungen nach zwölf Jahren Leben in der autofreien Siedlung.
Praxis-Empfehlungen
aus dem Endbericht von "Wohnen leitet Mobilität"
- Wohnungsunternehmen und kommunale Akteure stärker vernetzen
- Mobilitätsmanager berufen
- kommunalen Masterplan für Wohnortmobilität erarbeiten
- Wohnquartiere nur mit nachhaltigem Mobilitätskonzept neu bauen oder sanieren
- rechtliche Freiräume ausschöpfen
- autoarme Quartiere schaffen
- klima- und sozialverträgliche Mobilität fördern
"Das Wohnumfeld entscheidet"
In den Häusern der Stellwerk-60-Siedlung gibt es auch keine eng bemessenen Fahrradabstellräume, wo sich die Räder gegenseitig im Weg stehen oder liegen, sondern geräumige Fahrradgaragen, in denen jeder Familie – je nach Wohnungsgröße – zwei bis fünf feste Stellplätze zustehen.
Nur zehn bis 20 Prozent der Bewohner nutzten diese Stellplätze nicht, so Kleinmann. Aus den Erfahrungen heraus rief er dazu auf, wenigstens im Neubau auf Quartiersgaragen zu setzen.
Für VCD-Chefin Haarmann entscheidet das Angebot im eigenen Wohnumfeld darüber, ob die Menschen weiter aufs eigene Auto setzen oder ob sie auf ÖPNV, Fahrrad oder Carsharing umsteigen. "Nur wenn Wohnungsunternehmen und Kommunen gut zusammenarbeiten und beispielsweise Fahrrad-Abstellplätze statt Pkw-Parkplätze fördern und bauen, haben Menschen eine wirkliche Wahl, wie sie sich fortbewegen."