Vor drei Jahren beteiligte sich Greenpeace Energy am damaligen Angebot von Greenpeace, dem schwedischen Staatskonzern Vattenfall die Lausitzer Braunkohle abzukaufen. 2017 kreierte das Ökostrom-Unternehmen dann einen Tarif Solarstrom Plus, mit dem die Kunden direkt den Bau von Solaranlagen in Braunkohlerevieren fördern können.
Am Montag bot Greenpeace Energy für den Kohleausstieg nun den ganz großen Deal an: eine Mit-Übernahme von Braunkohle-Tagebauen und -Kraftwerken der RWE ab 2020. Schritt für Schritt sollen die Anlagen dann außer Betrieb gehen.
Schon 2020 könnten laut dem Greenpeace-Energy-Vorschlag der Tagebau Hambach und die sechs ältesten Kraftwerksblöcke stillgelegt werden, 2022 folgten der Tagebau Inden sowie sechs weitere Blöcke, 2025 schließlich der Tagebau Garzweiler und die letzten drei Blöcke. Schon 2020 würden die CO2-Emissionen so um jährlich rund 13 Millionen Tonnen sinken, rechnete der Ökostromer in Berlin vor.
Auf den ehemaligen Tagebauflächen sollen dann 3.800 Megawatt Windkraft und 4.400 Megawatt Photovoltaik installiert werden. Damit lasse sich ein Viertel des wegfallenden Braunkohlestroms ersetzen, so das Konzept. Kostenpunkt dafür: sieben Milliarden Euro.
Weil die Baukosten pro Anlage bei so einer Großinvestition in den Keller gingen, könnte man auf die EEG-Vergütung verzichten und dennoch Renditen zwischen fünf und sieben Prozent erzielen, glaubt Greenpeace-Energy-Vorstand Sönke Tangermann.
Studie sieht 17.000 Megawatt Ökostrom-Potenzial
Was die Machbarkeit angeht, kommt Unterstützung ausgerechnet aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Bereits im Oktober wurde für das Haus Altmaier ein sogenannter Projektbericht mit dem Titel "Erneuerbare-Energien-Vorhaben in den Tagebauregionen" fertiggestellt.
Für die 450 Seiten starke Studie ermittelten mehrere Institute für das Lausitzer Revier allein für die bergbaulichen Flächen ein Zubaupotenzial von knapp 2.000 Megawatt Windkraft und sogar 9.000 Megawatt Photovoltaik. Gerade Solarkraftwerke sind in der Lausitz bisher deutlich unterrepräsentiert.
Das gilt auch für das zweite ostdeutsche Kohlerevier bei Leipzig. Dort ist laut Studie ein Solar-Potenzial von 4.500 Megawatt erschließbar, nur geringe Möglichkeiten gebe es jedoch bei der Windenergie. Das Rheinische Revier wiederum bietet nach Ansicht der Studienautoren jeweils ein Potenzial von 1.000 Megawatt Wind und Sonne.
Allein in den engeren Tagebauregionen könnten damit mehr als 17.000 Megawatt Solar- und Windkraft neu installiert werden. 2020 werden schätzungsweise in den Revieren noch 18.000 Megawatt Braunkohlekapazität laufen.
Allein Wind und Sonne kommen damit, baut man sie konsequent in den Tagebauregionen aus, bei der installierten Kapazität in die Nähe der Braunkohle, können allerdings wegen der geringeren Verfügbarkeit nicht so viel Strom wie der fossile Energieträger liefern. Dennoch bietet der Umstieg auf Erneuerbare aus Sicht der Studie "besondere Chancen", auch durch die Errichtung von Power-to-X-Anlagen für die nächste Stufe der Energiewende.
Bevölkerung soll mitentscheiden
Diese Potenziale ließen sich aber nur "gemeinsam mit den Akteuren vor Ort" erschließen. Nötig sei ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Akzeptanz sowie regional- und kommunalpolitischem Willen in den Regionen. "Dabei ist zu beachten, dass eine hohe Akzeptanz nur zu erreichen ist, wenn nicht nur rein finanzielle Beteiligungsangebote geschaffen werden, sondern auch, soweit möglich, Mitentscheidungen der Bevölkerung möglich sind", heißt es im Projektbericht.
Daran anknüpfend will Greenpeace Energy sein RWE-Konzept auch nicht selbst, sondern im Rahmen von Bürgerenergie umsetzen. Auch kommunale Körperschaften und Private könnten sich finanziell engagieren, schreibt der Ökostromer.
Für die RWE-Belegschaften sollen betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden, Bergleute könnten die Bergbau-Flächen sanieren oder für Erneuerbare umgeschult werden. Für Flächennutzung und Umschulung ist geplant, spezielle Gesellschaften zu gründen, die auch die avisierten Milliarden aus den Strukturhilfen für die Kohlereviere nutzen könnten.