5.000 Menschen protestieren für eine Zukunft ohne Kohle. Im Hintergrund das "Ende Gelände"-Camp in Düren-Stepprath. (Foto: Michael Goergens/​Ende Gelände)

Um sieben Uhr morgens an diesem Samstag ist schon viel los im "Ende Gelände"-Camp in Düren in Nordrhein-Westfalen. Die Menschen stehen in langen Schlangen für Tee, für Brote und für die letzte Ausrüstung für den Aktionstag: Weiße Maleranzüge, Atemmasken, Strohbeutel.

Es ist kalt, aber das scheint die 5.000 Menschen im Camp nicht zu stören. Die meisten wirken euphorisch, sind neugierig, was sie an diesem Tag erwartet.

Hinter vielen von ihnen liegt ein langer Anreisetag und eine kurze, kalte Nacht im Zelt. Am gestrigen Freitagmorgen hat die Polizei die 1.200 Menschen aus dem vom Bündnis "Ende Gelände" organisierten Sonderzug, der in Prag startete und über Dresden, Leipzig, Berlin und Hannover ins Rheinland fuhr, nach der Ankunft am Bahnhof Düren eingekesselt. Die Klimaschützer durften den Bahnhof erst nach Angabe der Personalien verlassen. Verhandlungen mit der Polizei führten zu keiner Lockerung, sodass bis in den frühen Abend Menschen in der polizeilichen Kontrollstation verblieben.

Gegen neun Uhr am Samstagmorgen brechen die Gruppen Richtung Tagebau auf, organisiert in der "Ende Gelände"-Fingerstruktur. Die Aktivisten wollen "ein Zeichen setzen für den sofortigen Kohleausstieg und für Klimagerechtigkeit".

Das Ziel des Aktionswochenendes: Die Braunkohle-Infrastruktur rund um den Tagebau blockieren und damit gegen den weiteren Abbau des extrem klimaschädlichen Energieträgers protestieren.

Umweltorganisationen demonstrieren zur Unterstützung

Über dem Camp kreist ein Polizeihubschrauber, mehrere Busse, die Menschen in die Nähe des Tagebaus bringen sollen, werden von der Polizei kontrolliert. Die meisten Menschen machen sich zu Fuß Richtung Tagebau auf, vor ihnen liegt eine Wanderung von zwölf Kilometern.

Das ursprüngliche Camp, von dem die Aktivisten hatten starten wollen, war nicht genehmigt worden und wurde von der Polizei geräumt. Deshalb hatte das Bündnis auf einen Zeltplatz im Dürener Ortsteil Stepprath ausweichen müssen, der vom Tagebau weiter entfernt liegt, sodass ein längerer Fußmarsch nötig ist.

Immer wieder ertönen Rufe wie "Nemo" oder "Teleobjektiv". Es sind Bezugsgruppennamen, die Teilnehmer versuchen sich in der großen Menschenmenge nicht aus den Augen zu verlieren. "Wir sind heute 5.000 Menschen. Das ist super. Das ist die größte "Ende Gelände"-Aktion, die es je gegeben hat", ruft eine junge Frau durchs Megafon. Die Menschen jubeln, dann geht es Slogans skandierend los: "What do we want? Climate Justice!"

Klimaschützer von
"Ende Gelände"-Aktivisten ziehen zum Tagebau Hambach, um für eine Zukunft ohne Kohle zu demonstrieren. (Foto: Nora Börding/​Ende Gelände)

Die Sonne scheint und nach Angaben von "Ende Gelände" sind mehr als 6.500 Menschen rund um das Tagebaugebiet von RWE unterwegs. In der Nähe des Bahnhofs Buir und vor dem Hambacher Forst treffen die angemeldete Demonstration, zu der ein Bündnis aus Umwelt- und zivilgesellschaftlichen Organisationen aufgerufen hatte, und der pinke Finger von "Ende Gelände" aufeinander.

Die Demo, so sagte es eine Sprecherin am Freitagabend im Protestcamp, versteht sich ausdrücklich als solidarische Demonstration zu den Blockaden der Aktivisten. "Wir alle hier sehen in den Aktionen von 'Ende Gelände' ein aufrüttelndes Signal für den Klimaschutz", heißt es bei den Veranstaltern. "Das sollten weder Politiker und Politikerinnen noch RWE ignorieren."

Der pinke Finger versucht, von der Demo aus in den Tagebau Hambach zu gelangen. Das Loslaufen der Demonstration verzögert sich, da die Polizei bemängelt, einzelne Menschen seien vermummt. Es ist laut, die Menschen rufen "Auf geht's, ab geht's, Ende Gelände".

Inzwischen ist ein Bagger besetzt und die Hambachbahn blockiert.

Wasserwerfereinsatz auf der A4
"Ende Gelände"-Protestwochenende: Wasserwerfereinsatz auf der A4 gegen Klimaaktivisten. (Foto: Channoh Peepovicz/​Ende Gelände/​Flickr)

Gegen Mittag wird die Autobahn A4 nach Angaben der Polizei Aachen ab Kreuz Kerpen in beide Fahrtrichtungen gesperrt. "Eine Personengruppe im Zusammenhang Ende Gelände hatte sich in Richtung der Autobahn begeben", so die Polizei auf Twitter. Sie setzt Wasserwerfer gegen die Aktivisten ein.

Ergänzung um 15 Uhr: Aus dem angemeldeten Demozug haben sich kurz vor Morschenich einige hundert Menschen mit dem pinken Finger von "Ende Gelände" abgespalten und sind über die Felder und durch einen Wald hindurch auf die Hambachbahn gelangt. Auf der Route gibt es mehrere Zusammenstöße mit der Polizei, die Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzt. Auch berittene Polizisten versuchen die Aktivisten aufzuhalten, aber ohne Erfolg.

Auf der Hambachbahn treffen mehrere Finger aufeinander und picknicken auf den Schienen. Die Polizei steht passiv an den Böschungen und schickt Schaulustige weg. Einige RWE-Mitarbeiter stehen ebenfalls oben und beobachten die Szenerie.

Aktivisten besetzen Hambachbahn
Besetzung der Hambachbahn. (Foto: Tim Wagner/​Ende Gelände)

Die Menschen auf den Schienen singen "Samstags frei für die Polizei", ein älterer Polizist im Einsatzwagen ruft "Das würde mir auch gefallen", Aktivisten jubeln ihm zu.

"Der Weg war lang, aber ohne zu krasse Stresssituationen", sagt eine jüngere Aktivistin auf den Gleisen. Sie habe einmal etwas Pfefferspray ins Gesicht bekommen, aber sei sonst immer durch die Größe der Gruppe geschützt gewesen. Ihre Freundin ergänzt: "Und dass wir es jetzt alle auf die Schienen geschafft haben, fühlt sich so gut an, dafür waren es die Kilometer wert."

Viele der Aktivisten sind frühmorgens im Camp aufgebrochen und wurden auf ihrem Weg mehrmals von der Polizei aufgehalten. Aufgrund der angemeldeten Demonstration der Umweltverbände konnten sie aber ihr Recht auf Versammlungsfreiheit geltend machen und durften weiterziehen bis Buir. Vor dem Bahnhof gingen sie dann über die Felder, um ihr Ziel, die Kohle-Infrastruktur zu blockieren, erreichen zu können.

Bei der Blockade wird gesungen, manche holen auch den Schlaf nach, den sie in den vergangenen Nächten nicht bekommen haben. Die Schienen sind großläufig besetzt mit schätzungsweise über 1.000 Menschen.

Gegen 15 Uhr berichtet "Ende Gelände" auf Twitter, die Bagger-Blockade werde geräumt.

Die Sperrung der A4 wurde am Nachmittag laut Polizei wieder aufgehoben.

Ergänzung am Sonntag, 9 Uhr: Nach Angaben von "Ende Gelände" haben rund 2.000 Aktivisten die Hambachbahn auch über Nacht besetzt gehalten. Ihre Versorgung mit Wasser und Essen habe die Polizei aber verhindert.

Sonntag Mittag: Die Polizei beginnt mit der Räumung der besetzten Hambachbahn.

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