"Die Kreativität, die Ideale und der Mut der Jugend der Welt sollten mobilisiert werden, um ... eine nachhaltige Entwicklung herbeizuführen und eine bessere Zukunft für alle zu sichern." So steht es in der Rio-Erklärung der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung von 1992.
Dieser Aufruf "von oben" ist 27 Jahre später durch eine weltweite Bewegung von unten beantwortet worden – "Fridays for Future".
Die jungen Streikenden betreiben nun die Mobilisierung der Politik, indem sie das Thema Generationengerechtigkeit auf die öffentliche Tagesordnung gesetzt haben, auch durch die kalkulierte Regelverletzung als Basis ihrer Proteste.
Freitags beenden die Protestierenden den Unterricht zwei bis drei Schulstunden früher, um im Einklang mit grundlegenden Erziehungszielen und Verfassungsartikeln – nämlich Artikel 2, 5, 8 und 20a – für die konsequente Einhaltung internationaler Klimavereinbarungen und gegen das business as usual in Politik und Gesellschaft zu demonstrieren.
Dass der einsame Protest einer mutigen, ernsthaften und wahrhaftigen 16-jährigen Schülerin wie Greta Thunberg in kurzer Zeit Hunderttausende in aller Welt aktivieren konnte, haben die meisten Beobachter "dieser Jugend" nicht zugetraut. Die zeigt sich nun problembewusster als die Generation, die derzeit in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Verantwortung trägt, sie aber nicht im notwendigen Maß wahrnimmt.
Ökologische Bildung – meist ein Lippenbekenntnis
Die Forderung, doch wieder den ganzen Freitag zur Schule zu gehen, ist durchsichtig. Die Kritiker wehren sich nur vordergründig gegen die begrenzte Regelverletzung, tatsächlich aber vor allem gegen die Begründung: den Hinweis auf einen übergesetzlichen ökologischen Notstand. Trotzdem sollte man die Forderung konstruktiv-kritisch aufgreifen – schon deswegen, weil es nicht zweitrangig ist, was und wie in den Schulen gelernt wird.
Ökologische Bildung (offiziell: Bildung für nachhaltige Entwicklung) steht spätestens seit der Rio-Erklärung von 1992 international und auch in Deutschland im Pflichtkatalog von Bildungsprogrammen. In der Schulwirklichkeit sind oft nur Schwundformen davon angekommen, die kaum Breitenwirkung erzeugen.
Hätte man seit Anfang der 1990er Jahre unsere Schulen zu Schulen des Umwelt- und Klimaschutzes umgebaut, unsere "Unfähigkeit zur Zukunftsbewältigung" (Günther Anders) wäre weniger stark ausgeprägt. Verglichen etwa mit der intensiven Debatte über die Digitalisierung der Bildung – Stichwort: Tablets in die Schulen – fristet die vielbeschworene Bildung für nachhaltige Entwicklung ein Schattendasein.
Der ökologische Umbau der Schule ist überfällig
Doch es gibt eine gute Nachricht: Es ist gar nicht notwendig, die bildungspolitische Reset-Taste zu drücken. Es reicht ein Systemcheck mit anschließender Revitalisierung von oft nur brachliegenden Ressourcen. Es gibt europaweite Programme und Portale für nachhaltige Bildung, Angebote der Kultusministerien der Bundesländer, gute Beispiele von Umweltschulen oder ökologischen Bildungsstätten. All dies sollte genutzt und zusammengeführt werden. Die föderale und zersplitterte Vielfalt kann – reorganisiert – eine Stärke sein.
Zur Person
Norbert Pfaff war bis Juli 2018 Lehrer an einem hessischen Gymnasium mit den Fächern Politik/Wirtschaft, Deutsch und Evangelische Religion. (Foto: Anne Katharina Simon)
Eine ökologische Schule ist aus ökologischen Baumaterialien errichtet, hat im Idealfall einen kreis- oder wabenförmigen Grundriss, gestaltet Klassenräume offen für selbstorganisiertes Lernen, öffnet sich als Nachbarschaftsschule nach außen zur Gemeinde oder Stadt – zum Beispiel durch Zusammenarbeit mit der Lokalen Agenda 21 oder Kooperationen mit Hochschulen in der Nähe.
Sie ermöglicht und sucht vielfältige Naturerfahrungen, ausgehend zum Beispiel vom schuleigenen Biotop, bietet ein ökologisches und regionales Mittagessen und praktiziert insgesamt einen ökologischen Alltag zur Einübung eines nachhaltigen Lebensstils.
Das Lernen erfolgt idealerweise gerade nicht im Rahmen eines neuen Faches "Nachhaltigkeit" oder "Umwelt und Klima", sondern fächerübergreifend – etwa zwischen natur- und geisteswissenschaftlichen Fächern. Vernetzte Probleme und Risiken können nur durch vernetzende Analysen und die Vernetzung verschiedener Akteure erkannt werden.
Die Konzepte sind da, es fehlt die Koordinierung
Die Konzepte dafür sind schon lange vorhanden, so wie vieles nicht neu ist und auch längst praktiziert wird, aber oft in Zeitnischen wie vor den Sommerferien, unkoordiniert und als Ausnahmefall, da der Lehrplan ruft, die Stofffülle drängt. Es müssen also zum Beispiel Zeitinseln geschaffen werden, etwa durch Koordinationsstunden für fächerübergreifende Projekte.
Umweltschutzbeauftragte an jeder Schule – idealerweise unterstützt von sachkundigen Schülerinnen und Schülern – können die ökologische Bildung fördern, aber das Engagement in der Breite nicht ersetzen. Auf die Tagesordnung gehört auch der zum Teil skandalös niedrige Anteil der politischen Bildung im Lernbereich Gesellschaftswissenschaften.
Das Bundesbildungsministerium sollte ein Gremium einsetzen, das die Vielzahl vorliegender Best-Practice-Beispiele von Unterrichtskonzepten und -materialien sammelt, auswertet, weiterentwickelt und allen Lehrern unbürokratisch zur Verfügung stellt. Dort mitarbeiten sollten Lehrer, Wissenschaftler verschiedener Disziplinen, aktive Naturschützer und andere Vertreter der Zivilgesellschaft.
Allerdings tragen auch die Lehrer selbst eine besondere Verantwortung für die ihnen anvertrauten Schüler. Im Rahmen ihrer pädagogischen Freiheit können sie jederzeit – ob in AGs, bei der Erarbeitung von Facharbeits-, Präsentations- und Abiturthemen oder im Rahmen des Wahlpflichtunterrichts – die ökologische Bildung fördern, und viele tun dies auch bereits engagiert.
Der ökologische Umbau der Schule ist überfällig – auch als Beispiel für andere gesellschaftliche Bereiche. Er sollte von den Protestierenden gefordert und mit ihnen realisiert werden. Dadurch werden öffentliche Proteste nicht überflüssig, sondern glaubwürdiger und auf mittlere Sicht wirkungsvoller.