In einem großen, modernen Rinderstall stehen einige Tiere und fressen Kraftfutter, eines wendet uns den Blick zu.
Die meisten Rinder kommen nicht mehr aus dem Stall heraus. (Foto: Jonas Neunsieben/​Shutterstock)

Das ist das Bild, das viele im Kopf haben: Kühe stehen auf der grünen Wiese, und sie grasen gemütlich vor blauem Himmel. Doch es trifft immer weniger die Realität.

Der Anteil der Milchkühe, die hierzulande auf der Weide gehalten werden, ist weiter gesunken. Mehr als zwei Drittel der Tiere stehen rund ums Jahr im Stall und haben keinen Auslauf. Das geht aus einer Kurzanalyse hervor, für die die Umweltorganisation Greenpeace Daten der Bundesländer ausgewertet hat.

In Deutschland werden rund elf Millionen Rinder gehalten, davon sind knapp vier Millionen Milchkühe. Laut der Greenpeace-Analyse hatten im Jahr 2010 noch 42 Prozent davon Zugang zur Weide. Zehn Jahre später waren es nur noch 31 Prozent.

Dabei konzentriert sich die Milchviehhaltung auf wenige Bundesländer. In Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen stehen rund 60 Prozent der Tiere. Bayern allein bringt es schon auf 28 Prozent.

Die Weidehaltung gilt als besonders artgerecht. Tierärzten zufolge fördert sie die Gesundheit der Kühe durch Sonneneinstrahlung und frische Luft. Die Tiere haben hier mehr Bewegungsfreiheit und können ihrem natürlichen Liegeverhalten besser nachgehen. Zudem werden die Klauen und Gelenke geschont, und die Kühe bleiben auch meist sauberer als im Stall.

Greenpeace betont zudem die Klimakomponente: Beweidetes Grünland speichere deutlich mehr CO22 im Boden als Ackerpflanzen. Hintergrund des trotzdem wachsenden Trends zur ganzjährigen Fütterung mit Silage und Kraftfutter im Stall ist, dass damit Arbeitskraft eingespart werden kann.

Die Umweltorganisation kritisiert in diesem Zusammenhang, dass in den vergangenen Jahren statt der Weidehaltung mit Milliardenbeträgen Haltungssysteme begünstigt worden seien, in denen die Tiere das ganze Jahr im Stall verbringen, etwa Boxenlaufställe.

"Kühe sind von Natur aus Lauftiere, die Gras fressen", sagt Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter. "Wir haben aus ihnen überzüchtete Turbokühe gemacht, die ganzjährig im Stall stehen und mit immer mehr Kraftfuttereinsatz dazu gebracht werden, maximal viel Milch zu geben", kritisiert der Agrarökonom.

Anbindehaltung in Bayern

Interessant sind die Unterschiede zwischen den Bundesländern. Der größte Anteil des Grünlands liegt laut der Analyse in Bayern (22 Prozent), gefolgt von Niedersachsen (15) und Baden-Württemberg (zwölf). Doch während in Schleswig-Holstein über die Hälfte der Milchkühe zumindest zeitweise auf die Weide kommt, stehen in Bayern wie in den Ost-Bundesländern rund 80 Prozent der Kühe das ganze Jahr im Stall.

Problematisch ist dabei der Trend zu immer größeren Ställen. Großbetriebe mit mehr als 200 Kühen ließen aus organisatorischen Gründen kaum noch Weidegang zu, so Greenpeace.

In Bayern wird dabei ein großer Anteil der Rinder in sogenannten Anbindeställen gehalten, die aus Tierschutzgründen sehr umstritten sind und übrigens auch von der bayerischen Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) kritisch gesehen werden.

Die Tiere sind dabei an ihren Standplätzen oder in engen Boxen fixiert, mit einer Kette oder anderen Vorrichtungen am Hals. Sie können sich dadurch kaum bewegen, geschweige denn durch den Stall laufen. Bayernweit gab es diese Haltungsform 2020 in rund 56 Prozent der Höfe mit Milchvieh, nämlich rund 14.000. Die Zahl der betroffenen Milchkühe betrug 303.000.

Greenpeace fordert die Politik auf, die Milchviehhaltung in Deutschland zu verbessern. Weder Bund noch Länder hätten sich bisher ausreichend für Milchviehbetriebe eingesetzt, die ihre Kühe auf die Weide lassen, so Hofstetter gegenüber Klimareporter°. Der Bund müsse mit einem starken Weideförderprogramm die Trendwende einleiten. Es gebe ausreichend Gelder aus der EU-Agrarförderung, die dafür genutzt werden könnten.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) ist grundsätzlich für einen Umbau der Tierhaltung. Ein Plan zur Finanzierung sollte Ende März vorliegen, doch der Termin wurde nicht gehalten.

Die jüngste Agrarministerkonferenz in der vorigen Woche in Büsum wiederum sprach sich zwar dafür aus, Grünlandbetriebe bei den Öko-Regelungen mehr zu berücksichtigen, konkrete Beschlüsse gab es jedoch nicht.

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