Über einem Getreidefeld braut sich ein Unwetter zusammen.
Der Klimawandel ist eine massive Bedrohung für die Landwirtschaft. (Foto: Claus Rebler/​Flickr)

Sieben Monate, nachdem Bundeslandwirtschafts­ministerin Julia Klöckner (CDU) den Hitzesommer des Vorjahres als Witterungsereignis von "nationalem Ausmaß" bezeichnete und Dürrehilfen über 340 Millionen Euro für Ernteausfälle versprach, sind noch nicht alle Mittel geflossen.

Bis zu 170 Millionen Euro wollte der Bund dazugeben, für die andere Hälfte sollten die Länder aufkommen. Rund 10.000 Agrarbetriebe seien in ihrer Existenz bedroht, schätzen die Länder. Bei Getreide liegen die Erträge nach ihren Angaben um 16 Prozent unter dem dreijährigen Mittel der Vorjahre.

Aber nun hapert es mit der Bearbeitung der Anträge. Nothilfen allein sind ohnehin nicht die Lösung. Wenn sich das Klima ändert, müssen sich die Landwirte darauf einstellen. Klimawissenschaftler rechnen mit mehr Wetterextremen als Folge der Erderwärmung.

"Wir erwarten, dass Schwankungen zunehmen werden", sagt Frank Wechsung, Agrarwissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, auf einer Veranstaltung des Agrarkonzerns Corteva, der sich erst kürzlich von den fusionierten US-Konzernen Dow und DuPont abgespalten hat.

Grund für die veränderten Bedingungen ist laut Wechsung eine Umstellung der Wetterlagen. "In unseren Breiten ist die Westwind-Wetterlage typisch, die Regen im Winter bringt", erläutert der Agrarwissenschaftler. Weil die Temperaturunterschiede zwischen Subtropen und Arktis zurückgehen, verändert sich das Zirkulationsgeschehen.

"2018 hat gezeigt, wie schlecht wir aufgestellt sind"

Doch immer häufiger beobachten Meteorologen hierzulande sogenannte Trogwetterlagen, bei denen Tiefdruckgebiete über das Mittelmeer abgelenkt werden und enorm viel Niederschläge über die Alpen transportieren, oder blockierende Wetterlagen, bei der sich Hochdruckgebiete faktisch nicht mehr vom Platz bewegen und somit die vorherrschende Westströmung blockieren. Auch im vergangenen Sommer waren die Hochs sehr lange sehr stabil.

Die Folge: Über Monate fiel kaum Regen, die Felder vertrockneten. "Der Dürresommer 2018 hat uns gezeigt, dass wir sehr schlecht aufgestellt sind", sagt der Agrarpolitiker Friedrich Ostendorff von den Bundestags-Grünen. Ohne radikales Umdenken könnten Dürren, Stürme und Starkregen die Böden zerstören und die Menschheit in ernste Probleme stürzen. "Die Bundesregierung hat aus 2018 aber bisher keinerlei Schlüsse gezogen und steht so nackt da wie vor einem Jahr", so Ostendorff.

Dass die Ernten entsprechend dürftig ausfallen würden, war für Jens Rademacher, Marketing-Manager bei Corteva Agriscience, schon zu Beginn des Sommers absehbar. "Wir erhielten bereits im Juni Anrufe von verzweifelten Bauern", sagt Rademacher.

So hätten viele Maispflanzen keinen Kolben angesetzt, weil die Befruchtung ausgeblieben war. Wo die Befruchtung doch erfolgreich war, wurden die Körner aufgrund des Wassermangels wieder abgestoßen, sodass die Bauern – wenn überhaupt – nur Pflanzen mit deutlich geringerer Qualität ernten konnten.

Entweder Höchsterträge oder Klimatoleranz

Konzernvertreter Rademacher ist sich sicher, dass die Landwirtschaft noch stärker auf Züchtungen mit hoher Trockentoleranz setzen muss, wenn sie sich an die veränderten klimatischen Bedingungen anpassen will. "Die Züchtung und die Auswahl der richtigen Sorten wird für eine erfolgreiche Ernte immer wichtiger", sagt er.

Allein über Sorten zu sprechen, reicht Frank Wechsung nicht. "Wenn wir die Effizienz bis aufs Letzte ausreizen, dann bleiben für Pflanzen keine Reserven", sagt der PIK-Forscher. Auf Höchsterträge getrimmt, seien die Pflanzen empfindlicher gegenüber Trockenheit. Deshalb empfiehlt Wechsung die Saatstärke zu verringern, also weniger Pflanzen pro Flächeneinheit anzubauen, und den verfügbaren Anbauflächen auch immer wieder Ruhephasen zur Regeneration einzuräumen.

Auch die übermäßige Verwendung von Stickstoff müsse begrenzt werden. Stattdessen sollte die Bodenfruchtbarkeit durch die Nutzung verschiedener Kulturen oder durch eine räumliche Nähe von Ackerbau und Tierhaltung erhöht werden.

Welche Maßnahmen den Landwirten helfen, sich besser an die verändernden Umweltbedingungen anzupassen, überlegen derzeit auch Mitarbeiter des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Ministerin Klöckner hat für den kommenden Herbst eine Ackerbaustrategie angekündigt, mit der die Landwirtschaft für die Herausforderungen der Zukunft fit gemacht werden soll.

"Wenn Landwirte ihre Flächen an den Klimawandel anpassen, dann tragen sie gleichzeitig auch zur Senkung der Emissionen aus der Landwirtschaft bei", sagt Andreas Täuber, beim Ministerium für Nachhaltigkeit und Klimaschutz zuständig. Diese Synergien aus Klimaschutz und Anpassung sollten die Landwirte nutzen.

"Schöne Bilder und Geschenke für die Agrarindustrie"

Alles, was der Bodenfruchtbarkeit und -gesundheit hilft, trägt aus Sicht von Täuber auch zum Klimaschutz bei. Deshalb sollten Landwirte verstärkt Methoden wie den Anbau wechselnder Pflanzenarten auf einem Feld – die Fruchtfolge – anwenden, weil so der Aufbau von Humus gefördert wird.

Bei der Ackerbaustrategie geht es in Sachen Klimaschutz und -anpassung um Methoden, die Lachgas- und CO2-Emissionen verhindern, sowie um einen geringeren Einsatz mineralischer Dünger, aber auch um die Wiedervernässung von Mooren. "Bislang werden ja viele der 1,5 Millionen Hektar, die in Deutschland trockengelegt worden sind, intensiv genutzt", sagt Täuber.

Das Ministerium will die Bauern in einem freiwilligen Ansatz davon überzeugen, die ehemaligen Moore künftig weniger – wie bei Paludikulturen – zu bewirtschaften. Im Gegenzug könnten die Bauern für die erbrachte Klimaleistung bezahlt werden. 

Dass diese Maßnahmen ausreichen, um die Landwirtschaft auf extremer werdende Witterungsbedingungen vorzubereiten, können die Kritiker nach den Erfahrungen der Vergangenheit nicht glauben. "Ich erwarte von der sogenannten Ackerbaustrategie nichts außer schöne Bilder und Geschenke für die Agrarindustrie", sagt Ostendorff.

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