Das Motto des Weltwassertages 2025 – "Erhalt der Gletscher" – hebt deren Bedeutung für das Überleben der Menschheit hervor. Mit der Abgabe von Schmelzwasser spielen Gletscher eine entscheidende Rolle bei der Regulierung von Wasserkreisläufen. Steigende Temperaturen verursachen Gletscherschwund, der zu Dürreperioden, Überschwemmungen und höheren Meeresspiegeln führt.

 

Zunächst wird der Abfluss mit zunehmender Schmelze immer stärker, dann droht ein Rückgang – und damit das Versiegen einer zentralen Süßwasserquelle. Davon sind bis zu 1,9 Milliarden Menschen in Regionen wie dem Himalaya, dem Karakorum, den Anden, den Alpen, der Arktis, den Rocky Mountains und dem afrikanischen Hochland betroffen, die Schmelzwasser saisonal als Trinkwasser nutzen.

Der Gletscherschwund gefährdet Ökosysteme und die Nahrungsproduktion und führt zur Vertreibung von Menschen. Die Eisschmelze in der Arktis und auf Grönland lässt den Meeresspiegel ansteigen und befördert Extremwetter.

Nehmen die Treibhausgasemissionen nicht rapide ab, führen der steigende Wasserbedarf und die zunehmende Ungleichheit beim Zugang zu Wasser zu chronischem Wassermangel, dem Zusammenbruch von Ökosystemen und eskalierenden humanitären Krisen. Diese werden Milliarden Menschen – uns eingeschlossen – treffen.

Die wirksamsten Mittel gegen die Gletscherschmelze sind globaler Klimaschutz und weniger CO2-Ausstoß. Hier passiert viel zu wenig und zu langsam.

Bild: IDOS

Annabelle Houdret

ist wissen­schaft­liche Mitarbeiterin am German Institute of Develop­ment and Sustain­ability (IDOS) in Bonn. Sie ist Sprecherin des Bonn Water Network und forscht zu Wasser­governance in Nordafrika und in anderen Regionen.

Auf dem Weltklimagipfel im vergangenen November in Baku haben die Vertragsstaaten 300 Milliarden US-Dollar jährlich ab 2035 zugesagt, um einkommensschwache Länder bei der Eindämmung des Klimawandels und der Anpassung zu unterstützen. Doch das ist weit weniger als die von der Wissenschaft geschätzten 1,3 Billionen Dollar, die dafür jährlich benötigt werden.

Ohne deutlich mehr Mittel wird die eskalierende Klima-Wasser-Krise die Gesellschaften in Wasserknappheit, Ernteausfälle und verschärfte Ressourcenkonflikte stürzen und damit wichtige globale Ziele wie das UN-Nachhaltigkeitsziel 6 gefährden, also die Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und die Sanitärversorgung für alle.

Und auch die auf dem Weltklimagipfel angepriesenen CO2-Märkte, deren Effektivität von vielen angezweifelt wird, verheißen keinen Ausweg. Ihre überstürzte Genehmigung, die mangelnde Transparenz und die Missachtung von Umweltgerechtigkeit und Menschenrechten auf dem Klimagipfel in Baku bergen die Gefahr, dass CO2-Kompensation nur als Schlupfloch für große Emittenten dient und im Ganzen keine Emissionen mindert.

Die sich verschärfende Wasserkrise wird alle treffen 

Außer diesen fehlerbehafteten Marktmechanismen bedrohen auch politische Kurswechsel die globale Umweltpolitik. Die zweite Präsidentschaft von Donald Trump etwa führt dazu, dass sich die USA aus dem Pariser Klimaabkommen zurückziehen und klimapolitische Maßnahmen stoppen – und gleichzeitig die Produktion fossiler Brennstoffe ausbauen. Dies verschlimmert die Klimafolgen und torpediert die internationale Zusammenarbeit.

Zugleich nutzen populistische und nationalistische Kräfte weltweit wirtschaftliche Ängste und deren Verstärkung über soziale Medien als Instrument, um die Finanzierung erneuerbarer Energien zu kürzen und kurzfristigen Profiten von Superreichen Vorrang vor Nachhaltigkeit einzuräumen. Diese Entwicklung erschwert die globale Zusammenarbeit im Bereich Klimaschutz – und das zu einem Zeitpunkt, an dem diese dringlicher ist als je zuvor.

Bild: Barbara Frommann/​IDOS

Jean Carlo Rodríguez

Jean Carlo Rodríguez de Francisco ist Sozial- und Umwelt­wissen­schaftler am IDOS. Seine Forschung verbindet politische Ökologie und Umwelt­gerechtig­keit mit Bio­diversität, Wasser­ressourcen und Klima­wandel. Er untersucht politische Gestaltung und deren Einfluss auf indigene Völker und lokale Gemein­schaften in Latein­amerika und weltweit.

Die Wasserressourcen nachhaltig zu bewirtschaften, ist nicht nur ökologisch notwendig, sondern entscheidet auch über den Erhalt von Gemeinschaften, Arbeitsplätzen und wirtschaftlicher Stabilität – über politische Grenzen hinweg.

Internationale Vereinbarungen müssen den unterschiedlichen Wert von Wasser berücksichtigen, Anreize und Vorschriften harmonisieren und den sektorübergreifenden Charakter der Ressource anerkennen. Angesichts schmelzender Gletscher sollte dabei der nachhaltigen Trinkwassernutzung Vorrang vor Unternehmensprofiten eingeräumt und eine gerechte Wasserverteilung gesichert werden.

Populistische Narrative spielen diese Realität herunter oder stellen Klimaschutz als "Elitenthema" dar. Doch die sich verschärfende Wasserkrise wird alle treffen – über höhere Lebensmittelpreise, Arbeitsplatzverlust in Landwirtschaft und Industrie sowie durch verstärkte geopolitische Spannungen um knappe Ressourcen.

Nichtstun wird weitaus teurer

Wer gegenüber der Klimapolitik skeptisch ist, sollte wissen, dass Investitionen in nachhaltige Wasserbewirtschaftung nicht nur den Planeten schützen, sondern auch Lebensgrundlagen absichern, wirtschaftliche Schocks abwenden und dafür sorgen, dass die Bevölkerung nicht den Preis für politische Untätigkeit zahlt.

Investitionen in wasserwirtschaftliche Anpassungsstrategien – einschließlich Wasserspeicherung –, sind besonders in Regionen, die auf Gletscherschmelzwasser angewiesen sind, unabdingbar für langfristige Stabilität.

Wir brauchen entschlossene, wissenschaftsbasierte Maßnahmen zum Schutz von Süßwasserquellen, etwa durch einen rechtebasierten Naturschutz, lokale Lösungen zur Anpassung an den Klimawandel, einen fairen Zugang zu Wasser und Investitionen in wirklichen Klimaschutz – und nicht nur in leere Versprechen.

Wohlhabendere Länder haben die Pflicht, von Gletscherschwund und zunehmenden Dürren betroffene Regionen zu unterstützen und Wassersicherheit zu einem Recht statt zu einem Privileg zu machen.

 

Populistische Parteien stellen solche Maßnahmen als unnötig oder zu teuer dar. In Wahrheit ist das Nichtstun weitaus teurer, wenn etwa Nahrungsmittel knapp werden, die Wirtschaft instabil wird und sich Wasserkonflikte verschärfen. Indem wir Gletscher schützen, retten wir nicht nur das Eis, sondern auch unsere Zukunft.

Ohne sofortige Klimaschutzmaßnahmen werden Milliarden Menschen unter einer Wasserkrise leiden, für die es kein Zurück mehr gibt. Am Weltwassertag müssen wir der Wahrheit ins Auge sehen: Das Klima beeinflusst das Wasser, Wasser ist Leben, und die Zeit läuft uns davon.