Guwoly Stella Henry im Lehrgarten. (Bild: Mina Schmidt)

Zwischen Okrapflanzen und Grünkohl steht Guwoly Stella Henry im Lehrgarten eines Dorfes im südsudanesischen Bundesstaat Warrap, etwa zweieinhalb Stunden nordöstlich von Wau, der zweitgrößten Stadt des Landes. Die studierte Ernährungswissenschaftlerin koordiniert dort seit drei Jahren Projekte der Hilfsorganisation Aktion gegen den Hunger zur Ernährungssicherheit.

Sie hat viel zu tun, denn in Südsudan herrscht seit Jahren eine akute Hungerkrise. Auf die Unabhängigkeit von Sudan im Jahr 2011 folgte ab 2013 ein fünfjähriger Bürgerkrieg, begleitet von ethnischen Konflikten, dem Absturz der Wirtschaft, Trinkwassermangel und Hunger.

Der Bürgerkrieg ist vorbei, die multiplen Krisen sind geblieben: Drei Viertel der elf bis zwölf Millionen Menschen in Südsudan sind auch heute in Zeiten des zerbrechlichen Friedens noch auf humanitäre Hilfe von außen angewiesen. Während die vielen Hilfsorganisationen versuchen, das Land weiter zu stabilisieren, erschweren neue Herausforderungen diesen Prozess: Der Klimawandel ist da.

Das Wetter ist unberechenbarer geworden

In Warrap ist es für Anfang Oktober, das Ende der Regenzeit, sehr trocken. Die vergangenen drei Jahre waren hingegen von Überschwemmungen im ganzen Land geprägt, die viele Nutzpflanzen zerstört haben. "Das Wetter ist komplett unvorhersehbar geworden", sagt Stella Henry.

Obwohl Nahrungsmittelknappheit schon immer ein Problem war, konnten sich die Menschen früher wenigstens darauf verlassen, dass zu anderen Zeiten des Jahres Verbesserungen eintraten. Während die Trockenzeit zwischen November und April mit starker Sonne größere Herausforderungen barg, kamen mit der Regenzeit zwischen Mai und Oktober die fruchtbaren Monate.

Großes Beet mit kleinen Pflänzchen vor einem geflochtenen Zaun.
Gemeinschaftsgarten am Wasserbecken. (Bild: Mina Schmidt)

Henry bereiten die neuen Umstände große Sorge. Denn wenn sich die Trockenzeit ausdehnt oder noch heißer wird, oder wenn Überschwemmungen in der Regenzeit weiter zunehmen, dann wird die ohnehin schwierige Situation katastrophal. Wieder einmal zeigt sich: Der Klimawandel verschärft die bestehenden Krisen auf der Erde und trifft jene am stärksten, die am wenigsten zu ihm beitragen.

Neue Pflanzen, neue Möglichkeiten

Stella Henry und ihr Team arbeiten daran, Lösungen für die Menschen vor Ort anzubieten. Dabei ist ihr Ansatz ein holistischer und integrativer, von Schulungen zu resilientem Anbau bis zu großen Wasserspeichersystemen.

Im ersten Schritt erhalten die Menschen im Lehrgarten ein Training dazu, welches Gemüse sie unter welchen Bedingungen anbauen und zur Selbstversorgung nutzen können. Dabei arbeitet das Team mit unterschiedlichen Methoden, die helfen, die schwierigen Klimabedingungen auszugleichen und sich gegen mögliche extremere Wetterereignisse zu wappnen.

Eine große Rolle spielt das sogenannte Climate Smart Programming. Bei dieser "klimabewussten Planung" werden auf der Grundlage von Klimainformationen, die über längere Zeiträume gesammelt werden, Arbeitsprozesse angepasst. Gleichzeitig bezieht der Ansatz die soziokulturellen Gegebenheiten ein, um die Menschen bestmöglich vor einem erhöhten Risiko durch Klimaveränderungen zu schützen.

Allein im vergangenen Jahr hat Henrys Team deshalb 5.000 Feigenbäume gepflanzt. Weil die Bäume eine zusätzliche Nahrungsquelle bieten, das Klima regulieren und Schatten und Kühle spenden, passt diese Maßnahme gut zu den Bedürfnissen der Dorfbevölkerung.

Oberteil der Pflanze mit noch grüner Okra-Frucht und gelber Blüte.
Blühende Okra-Pflanze. (Bild: Mina Schmidt)

Auch lernen die Leute im Ort bei Stella Henry und ihrem Team, wann im Jahr jetzt welche Pflanze wo am besten wächst. So bauen sie unter anderem Reis in der Regenzeit an. Obwohl großflächiger Reisanbau mit Blick auf Wasserverbrauch und CO2-Bilanz nicht besonders nachhaltig ist, hat die Pflanze den Vorteil, es nicht nur sehr feucht zu mögen, sondern auch Überflutungen standzuhalten.

So stellt Reis eine gute Ergänzung zu Cassava (Maniok) dar. Denn auch Cassava gilt sowohl bei starkem Regen als auch bei mäßiger Trockenheit als widerstandsfähig und darf deshalb in Henrys Garten nicht fehlen. Okra und Amaranth werden wegen ihrer Fähigkeit, ohne viel Wasser auszukommen, in den Monaten angepflanzt, in denen es nicht regnet.

Amaranth hat weitere Vorteile. Die Blätter dieses Pseudogetreides sind schon nach wenigen Wochen bereit zur Ernte. "Pflanzen wie Amaranth sind schnell reifende Sorten", erklärt die Ernährungsexpertin. Aufgrund ihres raschen Wachstums sind sie ein essenzieller Beitrag zur Ernährungssicherheit. Amaranth ist außerdem nährstoffreich und produziert viele Samen, die wieder zur Aussaat verwendet werden können.

Regenwasser, Wirtschaft und die Zukunft

Aber auch in den trockenen Monaten geht es natürlich nicht ohne Wasser. Deshalb hat das Team damit begonnen, überall Bassins in Straßennähe auszuheben. Regenwasser im größeren Stil zu sammeln, zu speichern und zu nutzen, wird hier water harvesting genannt.

Während der Zeiten mit ausreichendem Niederschlag können die Menschen in den Gemeinden nah bei ihren Häusern in ihren eigenen Gärten arbeiten. Wenn es dann monatelang nicht regnet, ziehen sie mit ihrer Landwirtschaft direkt neben die ausgehobenen Becken. Dadurch können sie sich das gesamte Jahr über selbst versorgen. Auch vor Überschwemmungen, die die Straßen unpassierbar machen, können die Bassins schützen, indem das Wasser über Gräben in sie abläuft.

Teich mit steilen Hängen und bräunlichem Wasser, die Umgebung ist etwas bewachsen, im Teich stehen einige Wasserpflanzen.
In der Regenzeit gefülltes Wasserbecken. (Bild: Mina Schmidt)

Maßnahmen wie Climate Smart Programming, schnell reifende Sorten oder Wasserspeicher sind gute Wege für schnelle humanitäre Hilfe. Und Stella Henry beobachtet, dass sie bereits Wirkung zeigen. Doch in einem der ärmsten Länder der Welt reicht das nicht, um langfristig und großflächig für Ernährungssicherheit zu sorgen, wenn die Klimakrise schon mit der Tür ins Haus fällt.

Das weiß auch die Expertin. Bei jedem Satz, den sie sagt, merkt man ihr an, dass sie größere Pläne für die Landwirtschaft vor Ort hat. Sie spricht von Upscaling, von Autonomie, vom Aufbau der lokalen Wirtschaft. "Es gibt einen Bedarf an kommerziellen Formen der Landwirtschaft. Nothilfe in kleinem Maßstab ist wichtig, aber nicht nachhaltig genug", erklärt sie.

Dass das in einem politischen, klimatischen und wirtschaftlichen Kontext wie in Südsudan schwierig ist, ist auch Guwoly Stella Henry klar. Aber das Land habe einen fruchtbaren Boden und eine motivierte Jugend, diese müsse nur einbezogen werden. "Südsudan hat keine Lust mehr auf Unterernährung und Hunger. Südsudan möchte nachhaltig und resilient sein", sagt sie und lächelt.

 

Redaktioneller Hinweis: Die Reise, deren Kosten übernommen wurden, erfolgte im Rahmen der Kampagne "In den Fokus", initiiert von einem Zusammenschluss deutscher Hilfsorganisationen und gefördert durch das Auswärtige Amt.

In einer ersten Fassung war der Name Guwoly Stella Henry nicht korrekt angegeben, wir bitten das zu entschuldigen und haben es korrigiert.

 

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