Eigentlich fallen am Anfang eines Jahres weniger Bäume im Amazonasregenwald den Kettensägen und Äxten zum Opfer. Die typischen Winter-Regenfälle behindern einerseits Brände, andererseits die Rodungen selbst. Doch in diesem Frühjahr verhinderte der Winterregen nicht, dass die Entwaldung zwischen Januar und März einen neuen Rekordwert erreichte.
Nach den Zahlen des Deter-Systems des brasilianischen Weltraumforschungsinstituts Inpe wurden beinahe 800 Quadratkilometer Regenwald gerodet.
Das sind 52 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum und der höchste Wert, den das Inpe seit der Einführung neuer Messmethoden 2016 registriert hat.
Vor allem in den nordwestlichen Bundesstaaten Mato Grosso, Pará, Amazonas, Roraima und Rondônia wurde massiv abgeholzt. Die veröffentlichten Zahlen spiegeln nur die Entwaldung wider, die erfasst wurde, und nicht den tatsächlichen Waldverlust.
Aufgrund der sich ausbreitenden Corona-Pandemie sehen sich die brasilianische Umweltbehörde Ibama und die halbstaatliche Naturschutzorganisationen ICMBio gezwungen, die Strafverfolgung bei illegaler Abholzung einzuschränken. Zum Teil hätten die Beschäftigten schon die Altersgrenze von 60 Jahren überschritten und seien damit besonders anfällig gegenüber Covid-19, zum Teil machten es Flugbeschränkungen unmöglich, entlegene Gebiete zu erreichen.
Es wird nun befürchtet, dass die Holzbranche sowie die Agrar- und Rohstofflobby diese Gelegenheit nutzen, um in Schutzgebiete und von Indigenen bewohntes Land vorzudringen.
"Schon vor der Pandemie hat die Entwaldung rapide zugenommen, und jetzt, mit dem Rückzug der Inspektionsteams, konnten wir in einigen Gebieten eine Vervierfachung beobachten", sagte ein leitender Mitarbeiter des ICMBio dem Greenpeace-Portal Unearthed. Auch Vertreter:innen indigener Völker berichteten von einer Zunahme des Holzeinschlags.
Der Amazonaswald beeinflusst das regionale und weltweite Klima erheblich, er gilt als Kippelement im Klimasystem. Ein Großteil der Niederschläge im Amazonasbecken stammt aus verdunstetem Wasser des Regenwalds. Ein Rückgang infolge der Erderwärmung sowie zunehmende Entwaldung könnten den Regenwald an einen kritischen Punkt bringen, sodass er in einen anderen Zustand kippt – mit weitreichenden Konsequenzen.