Xi Jinping spricht im Sitzen, vor sich ein Schild mit der Aufschrift
Worum es Chinas Präsident Xi Jinping geht, steht auf dem Schild. (Foto: Pressedienst des Präsidenten Russlands/​Wikimedia Commons)

Italien macht als erster G7-Staat und erstes EU-Kernland mit – bei Chinas "neuer Seidenstraße". Am Wochenende leitete Rom seinen Einstieg in das chinesische Mega-Infrastrukturprojekt ein.

Das Projekt hat einen Namen, der sanft klingt. Doch anders als das alte Netz von Karawanenstraßen, dessen Hauptroute Ostasien auf dem Landweg mit dem Mittelmeer verband, ist das von China geplante Handels- und Logistik-Netzwerk mit enormen Eingriffen in die Natur verbunden. Auch der Ressourcen- und Energieverbrauch im globalen Transportsektor könnte deutlich steigen und das Vorhaben in Konflikt mit den Zielen des Pariser Klimavertrages bringen, warnen Umweltexperten.

Am Samstag wurde in Rom in Anwesenheit von Chinas Staatspräsident Xi Jinping und des italienischen Regierungschefs Giuseppe Conte eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit unterzeichnet. Diese ist allerdings nicht bindend. Das hoch verschuldete Italien hofft auf einen Schub für seine Wirtschaft durch Projekte mit der Volksrepublik. Allerdings gibt es auch in Italiens Regierung Vorbehalte. Kritiker in der EU warnen ebenfalls vor der Gefahr einer wachsenden Abhängigkeit von China. Die USA unter Trump sehen die Seidenstraße ohnehin kritisch.

China hat bereits begonnen, seine 2013 vorgestellte Vision des riesigen Infrastruktur-Netzes umzusetzen, das neue Verbindungen über den Land- und Seeweg zu verschiedenen Teilen Asiens, Europas und Afrikas schaffen soll. Peking zufolge haben sich 65 Länder angeschlossen, die zusammen zwei Drittel der Weltbevölkerung stellen und für ein Drittel der Weltwirtschaftsleistung stehen.

Weniger Lebensraum für bedrohte Arten

Die neue Seidenstraße – offiziell "One Belt, One Road" (ein Band, eine Straße) genannt – bedeutet eine massive Erweiterung der Straßen- und Eisenbahn-Infrastruktur, den Bau neuer Häfen am Indischen und am Pazifischen Ozean sowie den Bau von Öl- und Gaspipelines nach Russland, Kasachstan und Myanmar. Kritiker sehen auch einen Zusammenhang mit der Ausweitung chinesischer Kohleexporte.

Für das Seidenstraßen-Netz wurden mehrere Korridore definiert, in denen die neuen Trassen verlaufen sollen. Die Umweltstiftung WWF sieht hier große Gefahren für den Naturschutz. Laut einem WWF-Bericht überlappen sich die Korridore mit über 1.700 Vogelschutz-Schlüsselgebieten sowie 46 "Hotspots" der biologischen Vielfalt, in denen viele bedrohte Arten leben.

Letztere gelten als absolut schützenswert, da von zentraler Bedeutung, um den Erhalt von Tier- und Pflanzenarten zu sichern. Unter anderem würde der Bau der neuen Seidenstraße zusätzliche Risiken für den Bestand des Amur-Tigers und anderer vom Aussterben bedrohter Tiere bedeuten.

Die neuen Trassen könnten sich laut WWF zu Barrieren für einige Tier- und Pflanzenarten entwickeln oder sogar den kompletten Verlust von bestimmten natürlichen Lebensräumen bedeuten. Außerdem drohen sie ein Einfallstor für sogenannte invasive Arten zu werden, die sich in neue Regionen ausbreiten, wo sie das biologische Gleichgewicht stören können.

Mehr Bedarf an fossilen Treibstoffen

Eine im vorigen Jahr erschienene Studie eines internationalen Expertenteams warnt vor weiteren Risiken. Dazu gehört eine erhöhte Umweltverschmutzung, vor allem durch die Abgase von Lkw, Zügen und Schiffen.

Zudem führten der Verbrauch von Rohstoffen und Kraftstoffen sowie die verstärkte Ausbeutung der Öl- und Gasvorkommen zu einer zunehmenden Abhängigkeit von fossilen Energien und hohen Treibhausgas-Emissionen, heißt es in der Untersuchung. Sie wurde vom Portugiesischen Forschungszentrum für Biodiversität und Genetische Ressourcen zusammen mit der Universität Halle-Wittenberg und dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung erarbeitet.

Die Umweltforscher halten es für notwendig, dass alle Teilprojekte der Seidenstraße einer strategischen Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung unterzogen werden. "Dazu gehört, dass von Anfang an in dem Entscheidungsprozess das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Entwicklungsplänen ganzheitlich betrachtet wird – einschließlich der Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Biodiversität", sagt Fernando Ascensão, der Leitautor der Studie.

Die Experten verweisen darauf, dass China im eigenen Land zumindest theoretisch die Voraussetzungen für ein solches Vorgehen geschaffen hat. Die Umweltgesetze schreiben für alle wirtschaftlichen Großprojekte solche Umweltprüfungen vor. Die Forscher raten Peking an, diese "guten Umweltpraktiken" auch für die neuen Handelskorridore außerhalb seines Staatsgebietes mit den jeweiligen Ländern zu verabreden.

An Entscheidungen sollten neben Regierungen und Finanzinstitutionen auch zivilgesellschaftliche Organisationen, betroffene Kommunen und Experten aus den Bereichen Naturschutz, Klimawandel und Gesundheit beteiligt werden. Dann sei es möglich, bei der Seidenstraße ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und ökologischer Nachhaltigkeit zu erreichen. Ascensãos Kollege Henrique Pereira meint sogar: "Das könnte für China eine Chance zur Übernahme einer Führungsrolle bei der weltweiten Förderung der Nachhaltigkeit bedeuten."

Glaubt man Xi Jinpings Worten, ist das nicht völlig abwegig. Chinas Präsident hat sich für eine "grüne, gesunde, intelligente und friedliche" Seidenstraße ausgesprochen und die kooperierenden Länder aufgefordert, dafür den Umwelt- und Naturschutz zu verbessern. Daran muss gemessen werden, was in der Praxis passiert. Auch bei den Projekten, die Italien mit China plant. Xi nannte vorige Woche "Häfen, Logistik, Schiffbau, Transport und Telekommunikation" als Bereiche der Zusammenarbeit.