Viel deutlicher als erwartet hat der ultrarechte Kandidat Jair Bolsonaro die erste Runde der brasilianischen Präsidentschaftswahlen am gestrigen Sonntag für sich entschieden. Auf den 63-jährigen früheren Hauptmann der Militärdiktatur, die Brasilien von 1964 bis 1985 beherrschte, entfielen 46 Prozent der Stimmen.
Der Kandidat der gemäßigt linken Arbeiterpartei PT, Fernando Haddad, kam hingegen nur auf 29 Prozent. Der 55-jährige Universitätsprofessor und frühere Bürgermeister von São Paulo war für den ehemaligen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva eingesprungen, der aufgrund einer Haftstrafe nicht erneut kandidieren konnte.
Alle übrigen Kandidaten schnitten deutlich schlechter ab, darunter mit nur einem Prozent die Umweltpolitikerin Marina Silva. Die Stichwahl am 28. Oktober wird deshalb zwischen Bolsonaro und Haddad stattfinden.
Die Wahlen gelten als wichtigste Richtungsentscheidung für Brasilien seit dem Ende der Militärdiktatur vor gut 30 Jahren. Zum einen ging es am gestrigen Sonntag nicht nur um das Amt des Präsidenten. Auch die Gouverneure aller Bundesstaaten wurden neu gewählt, ebenso zwei Drittel des Senats und alle 513 Mandate für das Abgeordnetenhaus. Ergebnisse dazu liegen noch nicht vor.
Zum anderen befindet sich Brasilien schon seit längerer Zeit in einer tiefen Krise. Die Wirtschaft ist abgestürzt, das Land ist tief gespalten. Selbst ein Zerfallen der Demokratie in dem größten Land Südamerikas halten Beobachter für möglich.
Mit Bolsonaro strebt ein wahrlich extremer Kandidat das Präsidentenamt an. Mehrfach erklärte der "Trump Brasiliens", er werde – genauso wie Donald Trump – aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen, wenn er die Wahl gewinnt.
Ebenfalls genauso wie Trump hält Bolsonaro wenig von rechtsstaatlichen Prinzipien. Im Vorfeld der Wahl kündigte er an, er werde als Wahlausgang nur seinen Sieg akzeptieren. Ähnlich hatte sich auch Trump vor den US-Wahlen geäußert.
Und nicht nur das. Bolsonaro provozierte während des Wahlkampfs mit radikalen Äußerungen. Er verherrlichte die Militärdiktatur, äußerte sich positiv über Folter, sprach sich für die Zwangssterilisierung Armer aus, sagte, die Anhänger der Arbeiterpartei sollten erschossen werden. Falls der ehemalige Fallschirmjäger Präsident wird, will er – wiederum Trump-ähnlich – vor allem Generäle zu Ministern machen.
Umweltpolitik ist abgemeldet
Auch umweltpolitisch sieht es schlecht aus. "In Bolsonaros Regierungsprogramm findet Umweltpolitik nicht statt", sagt Gerhard Dilger von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der lange das Büro der Stiftung in São Paulo geleitet hat, gegenüber Klimareporter°. Die mächtige Agrarlobby des Landes steht hinter dem rechtsgerichteten Kandidaten. Auch die landwirtschaftliche Parlamentsgruppe, die bisher rund die Hälfte der Abgeordneten und Senatoren umfasst, unterstützt Bolsonaro.
Die Geringschätzung von Umwelt- und Klimaschutz hat aber bereits unter dem scheidenden Präsidenten Michel Temer begonnen, der 2016 das Amt von Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei übernommen hatte, nachdem Rousseff des Amtes enthoben worden war.
Unter Temer wurden Amazonas-Schutzgebiete verkleinert, der Umwelt-Etat wurde auf die Hälfte zusammengestrichen. Statt die Umwelt zu schützen, ging es darum, die Wirtschaft anzukurbeln und "Investoren anzulocken".
"Temer hat auf den Abbau von Rechten und den Ausverkauf des Landes gesetzt", sagt Dilger. "Das Gewicht der reaktionären Kräfte im Parlament hat unter ihm weiter zugenommen." Die Entwaldungsraten im Amazonas stiegen wieder an, nachdem sie zuvor historische Tiefstände erreicht hatten. Laut der Menschenrechtsorganisation Global Witness wurden 2017 in Brasilien 57 Umweltaktivisten ermordet, so viele wie noch nie.
Im Wahlkampf spielte Umweltpolitik so gut wie keine Rolle – nicht nur bei Bolsonaro, auch bei den anderen, gemäßigteren Kandidaten. "Wachstum um jeden Preis wird von rechts bis halblinks als Ausweg aus der Rezession angepriesen", sagt der Brasilienkenner Dilger.
Für Brasilien und für den Rest der Welt sind das keine guten Nachrichten.