Hier ist US-Präsident Trump zu sehen, der von Arbeitern der alten Energiewirtschaft gefeiert wird.
US-Präsident Donald Trump lässt sich von Arbeitern der konventionellen Energiewirtschaft feiern. (Foto: Screenshot/​White House)

Klimareporter: Herr Professor Brüggemann, es heißt, wir leben im Trump-o-zän. Das heißt: im Zeitalter der Fake-News. Dringen die wirklichen Fakten da überhaupt noch durch?

Michael Brüggemann: So ganz im Trump-o-zän sind wir noch nicht, aber wir müssen verhindern, dass es so weit kommt. In diesem Zeitalter wäre es dann endgültig egal, was Fakt ist und was nicht.

In anderen Ländern ist man da leider schon weiter unten auf dieser schiefen Ebene. Wenn in den USA ein Präsident gewählt wird, der schon im Wahlkampf nachgewiesenermaßen an den verschiedensten Fronten gelogen und die Wahrheit verdreht hat, spricht das dafür, dass viele seiner Wähler im Trump-o-zän leben – gerade auch beim Thema Klimawandel.

Bei uns ist es anders?

Auch in Deutschland gibt es Teile der Bevölkerung, die sich in ihren Filterblasen verschanzen. Man lebt dort in seinen eigenen Wirklichkeiten und bestärkt sich gegenseitig in den Ansichten.

Diese Gruppen sind tatsächlich von dem abgekoppelt, was die Gesellschaft insgesamt denkt. Aber bisher sind diese Gruppen hierzulande weit davon entfernt, Mainstream zu werden.

Sie erforschen die Berichterstattung zum Klimawandel im In- und Ausland. War sie denn früher besser?

Nein, eher schlechter. Es gab einige Missstände, die inzwischen abgestellt sind. Früher gab es oft das Muster der sogenannten ausgewogenen Berichterstattung. Dabei wurden immer ein Klimaforscher und ein Leugner des Klimawandels mit ihren Meinungen gegenübergestellt. Der Journalist glaubte, damit die journalistischen Standards erfüllt zu haben, obwohl die Leugner meist gar nicht in der Forschung aktiv waren.

Das gibt es heute in den meisten Medien nicht mehr. In TV-Talkshows kommt es manchmal noch vor, es verspricht höhere Einschaltquoten, als wenn man sich einig ist – egal, wie relevant die Positionen sind.

Klimaskeptiker kamen und kommen besonders in den britischen und den US-Medien zu Wort. In Deutschland weniger ...

Richtig. Die Berichterstattung in Deutschland hat immer stärker den Stand der Wissenschaft widergespiegelt. Andererseits sind viele hiesigen Medien nicht gut darin, innovativ, originell, in die Tiefe gehend und kontinuierlich über den Klimawandel zu berichten.

Es ist so: Während der jährlichen Weltklimagipfel im Spätherbst werden die Leser und Zuschauer zugeballert, und im Rest des Jahres läuft alles auf Sparflamme. Da sind wiederum einige angelsächsische Medien wie der Guardian besser aufgestellt.

Vor 35 Jahren schockten Spiegel und Co die Leser und Zuschauer mit Katastrophen-Szenarien zum Klimawandel. Beispiel: "Kölner Dom versinkt im Meer." Das war originell. Aber auch gut? Denn es war übertrieben. So hoch könnte das Wasser im Extremfall erst in Tausenden von Jahren steigen.

Das Spiegel-Titelbild mit dem Kölner Dom war einerseits eine gute Idee – wegen der prägnanten Bildsprache. Das merkt man daran, dass wir heute noch darüber reden. Andererseits schwankt der Spiegel zwischen Katastrophismus und Vernachlässigung des Themas hin und her.

Porträtfoto Michael Brüggemann
Foto: Mentz/​UHH

Zur Person

Michael Brüggemann ist Professor an der Universität Hamburg. Der Kommunikations­forscher beschäftigt sich vor allem mit der Klima- und Wissenschafts­kommunikation. Zudem ist er in leitender Funktion am Exzellenz­cluster für integrierte Klimasystem­analyse und -vorhersage Clisap tätig.

Grundsätzlich gilt: Das Thema als Weltuntergang auszumalen rüttelt die Leute zwar kurz auf, führt aber zur Abstumpfung. Man ist damit überfordert, sich damit auseinanderzusetzen. Viele sagen dann: "Ich kann ja doch nichts machen."

Sie setzen sich in ihren SUV, um das Leben zu genießen, solange es geht, und denken: "Nach mir die Sintflut." Es kann sogar dazu führen, dass Menschen sich ganz abwenden und zu Klimaleugnern werden. Die sagen dann: "Alles übertrieben, kann doch gar nicht so schlimm sein, alles gelogen."

Kann man so komplexe Themen wie Klimawandel und Energiewende, bei denen Handeln und Folgen Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, auseinanderliegen, überhaupt angemessen in die Öffentlichkeit transportieren?

Das ist für den Journalismus schwer, weil er auf kurze, aktuelle Ereignisse fokussiert ist. Der Klimawandel ist ein Phänomen, das in anderen Zeitdimensionen verläuft. Der Journalist muss daher versuchen, den Bezug zu aktuellen Ereignissen herzustellen, bei denen die globale Erwärmung möglicherweise eine Rolle spielt.

Zum Beispiel?

Wenn irgendwo eine Hitzewelle herrscht, wäre es falsch zu schreiben: Seht – das ist der Klimawandel. Das lässt sich wissenschaftlich nicht exakt nachweisen. Richtig ist es zu argumentieren: Wenn die globale Erwärmung nicht gebremst wird, wird es in Zukunft mehr solcher Hitzewellen geben.

Zudem müssen die Journalisten ihre Kontrollfunktion gegenüber der Politik, in diesem Fall der Klimapolitik, wahrnehmen. Sie dürfen sich nicht mit großen, langfristigen Zielen abspeisen lassen, sondern müssen die einzelnen Schritte dorthin kritisch begleiten.

Wenn die Politik beschließt, Deutschland solle bis 2050 klimaneutral sein, ist das gut und schön. Doch Journalisten sollten kritisch darauf schauen, was die Regierung hier und heute tut.

Die klassischen Leitmedien, Tageszeitungen sowie TV-News- und Magazinformate, verlieren angesichts veränderter Mediennutzung und verringerter Recherchekapazität an Bedeutung. Kann man da gegensteuern?

Da widerspreche ich. Der Journalismus hat heute mehr Output und ein größeres Publikum als je zuvor. Die Auflagen der meisten Printmedien gehen zwar zurück, doch die Leserschaft ist durch die zusätzliche Online-Verbreitung sogar gewachsen.

Auch Fernsehen und Rundfunk erreichen weiterhin hohe Einschaltquoten. Bei einer Befragung anlässlich des Pariser Klimagipfels 2015 zeigte sich: Die Mehrzahl der Leute hat darüber im TV erfahren, nicht per Internet oder soziale Medien. Diese "alten" Informationskanäle funktionieren weiterhin.

Viele Journalisten unterschätzen ihre eigene Bedeutung. Ich wundere mich über das falsche Bild, dass sie von sich haben. Ihr Publikum ist doch tatsächlich größer geworden, nicht kleiner.

Es gibt zwar mehr Output, aber die Recherchekapazitäten sind geringer geworden ...

Das trifft vor allem auf die Regionalzeitungen zu, nicht auf die nationalen Blätter, die die Standards setzen. Trotzdem ist das natürlich ein Problem, weil die Breitenwirkung sinkt.

Da macht sich der Journalismus selbst klein. Die Verleger streichen die Ausgaben zusammen, um trotz sinkender Auflagen und Werbeeinnahmen die traumhaften Gewinnmargen der Vergangenheit zu erhalten, die aber nie wieder zurückkommen werden. Sie machen ihr eigenes Geschäftsmodell kaputt, denn die Leser merken irgendwann, dass die Qualität sinkt.

Das ist gerade bei einem komplexen Thema wie dem Klimawandel ein Problem. Dafür braucht man gut ausgebildete Journalisten, die auch die Zeit haben, sich in die Materie hineinzuvertiefen. Solche gibt es gerade bei den Regionalzeitungen kaum noch, und bei vielen privaten TV-Sendern und Radios gab es sie noch nie.

In den USA sind dafür einige innovative Online-Angebote entstanden, die hoch spezialisiert über Klimawandel berichten. Starken Klimapolitik-Journalismus gab es in Deutschland neben der Qualitätspresse auch eher online, zum Beispiel bei Correctiv, zu lesen.

Ich folge mit Spannung auch der Entwicklung von Klimareporter oder den Riffreportern. Solche Initiativen sind für die kontinuierliche Behandlung der Themen Klima und Energiewende ein großer Gewinn.

Wie muss Klimakommunikation unter diesen Bedingungen heute aussehen, damit die Bürger in der Breite gut und angemessen informiert werden?

Guter Klimajournalismus sieht, je nach Leserschaft, sehr unterschiedlich aus. Der Redakteur der Bild-Zeitung muss sein Publikum anders ansprechen als der Zeit-Redakteur. Beide müssen die Bezüge zur Lebenswelt der jeweiligen Leserschicht herstellen.

Wie kann die Klimakommunikation denn finanziert werden, wenn man davon ausgeht, dass die Verleger die alten Zeiten nicht zurückholen können?

Es gibt mehrere Ansätze, die parallel verfolgt werden müssen. Den öffentlich-rechtlichen Medien kommt hier eine besondere Rolle zu; sie haben eine Bringschuld angesichts der guten Finanzierungausstattung.

Auch stiftungsfinanzierter Journalismus kann helfen, die Lücke zu füllen. Leider ist bei den Stiftungen hierzulande das Bewusstsein noch gering ausgeprägt, dass sich hier ein neues wichtiges Feld für sie auftut, das man nicht nur punktuell, sondern kontinuierlich fördern sollte.

Wenn man Journalismus als gemeinnütziges Geschäft sieht, das sich selbst finanzieren soll, aber keine großen Profite abwerfen muss, dann könnten sich auch die Zeitungen wieder mehr Journalismus leisten. Dafür müssten manche Verleger ihre Einstellung zu ihrer langjährigen Cashcow namens Tageszeitung überdenken.

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