Damhirsche im Wald
Damhirsche: Schalenwild in zu großer Zahl setzt dem Wald zu und verhindert seine Naturverjüngung. Experten fordern eine intensivere Jagd unter ökologischen Gesichtspunkten. (Foto: Joachim Mayr/​Pixabay)

Wenn Bernhard Schachtner über die Jagd spricht, erzählt er von einer Dienstleistung, nicht von einem vergnüglichen Hobby. Er berichtet nicht von Trophäen, sondern davon, wie er ins Revier Massow südlich von Berlin aufbricht, um intensiv zu jagen. Denn sein Ziel ist es, den Wildbestand so zu regulieren, dass der Wald möglichst wenig Schäden aufweist.

Schachtner ist Geschäftsführer des Ökologischen Jagdvereins Brandenburg. Für ihn ist die Jagd nicht nur zeitintensiv, sondern auch Teil eines funktionierenden und natürlichen Waldes – eines Waldes, der nicht nur mit Nadelholz bestückt ist, sondern auch mit Laubbäumen wie Buche und Eiche.

Mischwälder halten Wetterextremen wie Dürreperioden besser stand als reine Nadelwälder. Das hat auch die Bundesregierung erkannt. Da sich der genaue Verlauf der Klimaänderungen nicht präzise vorhersagen lasse, sei es wichtig "sich hinsichtlich der Baumarten, Mischungen und Altersstrukturen breiter und flexibler aufzustellen", heißt es im Eckpunktepapier des Landwirtschaftsministeriums, das anlässlich des Waldgipfels vergangenen Mittwoch veröffentlicht wurde.

Beim Waldumbau solle insbesondere die Naturverjüngung gefördert werden, ein Weg, bei dem sich der Wald idealerweise durch die eigenen Samen selbst vermehrt und erneuert.

Doch diesem natürlichen Generationenwechsel stehen zu hohe Wilddichten im Weg, kritisiert der Umweltverband BUND. Für den Aufbau naturnaher Laubmischwälder "muss die Jagd so umgesetzt werden, dass die jungen Laubbäume eine Chance haben zu wachsen, anstatt gleich wieder von Rehen aufgefressen zu werden", sagt der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.

Rehe fressen lieber junge Laubbäume

Dass es durch eine zu große Menge an Schalenwild – jagdbaren Tieren wie Reh oder Hirsch – zu Waldschäden kommen kann, bestätigt auch Alois Zollner, der in der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) die Abteilung Biodiversität, Naturschutz und Jagd leitet. "Die häufigsten Wildschäden entstehen durch Verbiss an jungen Pflanzen." Das sei besonders verheerend, so Zollner, wenn die Knospen junger Bäume geschädigt werden, da die Bäume dort die neuen Triebe ausbilden.

"Besonders beliebt sind beim Schalenwild junge Tannen und Laubbäume wie Eiche, Ahorn und Buche", erklärt der staatliche Jagdexperte. Häufig würden diese Baumarten so stark in ihrer Entwicklung gebremst, dass sie gegenüber den weniger schmackhaften Fichten oder Kiefern zurückbleiben. "Aus artenreichen Mischverjüngungen können so artenarme Nadelwälder mit all ihren Nachteilen entstehen", meint Zollner.

Welches Ausmaß die Wildschäden angenommen haben, zeigt ein Blick auf eine Karte des jüngsten Forstgutachtens in Bayern. Nur 53 Prozent des größten deutschen Bundeslandes sind "grüne" Hegegemeinschaften, was bedeutet, dass dort das Verjüngungsziel erreicht werden kann. Auf der anderen Hälfte der Fläche ist die "Verbisssituation" im Jahr 2018 nicht tragbar.

Allerdings war die Lage im Jahr 2006 noch deutlich schlechter. Damals hatte das Schalenwild so viel weggefressen, dass die Waldverjüngung nur noch auf 30 Prozent der Fläche funktionierte. "Dass man sich in Bayern, was den Einfluss des Wildes auf die Waldverjüngung anbelangt, insgesamt auf einem guten Weg befindet, nichtsdestotrotz aber weiterhin Handlungsbedarf besteht, zeigen die Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung", fasst Alois Zollner von der LWF zusammen.

Um die Waldschäden zu verringern und eine Naturverjüngung zu ermöglichen, spielt die Jagd eine entscheidende Rolle. Für Zollner ist klar: "Der beste Schutz gegen Wildschäden sind angepasste Wildbestände."

Ganz anders sieht das der Deutsche Jagdverband, die größte Interessenvertretung der deutschen Jäger. "Waldumbau mit dem Gewehr funktioniert nicht", sagt DJV-Vizepräsident Dirk-Henner Wellershoff. Der Verband fordert das Pflanzen von Bäumen sowie Pflege- und Schutzmaßnahmen.

"Waldumbau ohne Jagd nicht bezahlbar"

Diese Schutzmaßnahmen sind teuer. In Niedersachsen sind insgesamt rund 15.000 Kilometer Zaun im Wald verbaut, so steht es in der jüngsten Waldinventur des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. "Diese Zaunlänge entspricht der Außengrenze der Europäischen Union. Gekostet haben diese Zäune mindestens 100 Millionen Euro und sie wurden vielfach durch öffentliche Mittel finanziert", stellt der Bericht klar.

"Beim Wild-Wald-Konflikt treffen viele Pauschalaussagen aufeinander", meint Andreas König, Professor für Wildbiologie und Wildtiermanagement an der TU München. Man könne aber auch mit einem veränderten Jagdverhalten den Wald regulieren. "Häufig werden die männlichen Tiere geschossen, die weiblichen aber nicht", so König. Jäger würden damit aber keine Population steuern.

Das liege unter anderem daran, dass Jäger in bestimmten Gebieten von einer falschen Geschlechterverteilung der Wildpopulation ausgingen, da es dazu keine Daten gebe, kritisiert König. "Eine Sofortmaßnahme wäre eine detaillierte Erfassung der Tiere, die wirklich erlegt worden sind, nach Alter und Geschlecht. Daraus ließe sich ableiten, wie in Zukunft eine Population gesteuert werden muss, damit Ziele wie der Waldumbau erreicht werden können."

Diese Daten hat der Jäger Bernhard Schachtner für sein Waldgebiet in Brandenburg allerdings auch nicht. Aber er weiß, zu welchen Jagdzeiten es besonders effektiv ist, zu jagen. Und so gibt es in seinem Revier kaum Verbiss.

Für Schachtner ist klar: Bei der Naturverjüngung im Wald spielt die ökologische Jagd eine große Rolle. Diese bedeute Arbeit und Zeitaufwand, doch dauerhaft regulierte Wildbestände seien lange nicht so teuer wie das Pflanzen, Pflegen und Einzäunen von Jungbäumen. "Der Waldumbau ist ohne eine intensive, funktionierende Jagd einfach nicht bezahlbar", fasst der Jäger zusammen.

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