Okmok
Der zehn Kilometer breite Krater des Okmok entstand beim Ausbruch im Jahr 43 vor unserer Zeitrechnung. (Foto: Kerry Key/​Scripps Institution of Oceanography)

In den beiden Jahren nach der Ermordung von Julius Cäsar im Jahr 44 vor Christus spielte im Mittelmeerraum das Wetter verrückt. Das war allerdings nicht die Rache von Cäsar-freundlichen Göttern, sondern Folge eines Vulkanausbruchs.

Im Januar oder Februar des Jahres 43 vor Christus brach 9.000 Kilometer von Rom entfernt ein Vulkan aus: der Okmok in Alaska, genauer: auf einer Insel der Aleuten.

Die gigantische Eruption hinterließ einen Krater mit zehn Kilometern Durchmesser. Asche wurde bis zu 30 Kilometer hoch in die Atmosphäre geschleudert. Dort verdunkelte sie die Sonne – mit geschichtlich weitreichenden Folgen.

Eine aktuelle Studie von Forschenden verschiedenster Disziplinen zeigt, wie der Okmok und das Schicksal der Römischen Republik und von Kleopatras Königreich in Ägypten zusammenhängen.

Am Anfang stand eine Entdeckung in einem Eisbohrkern. Dieser enthielt im Eis aus dem Jahr 43 vor Christus auffällig viel Vulkanasche.

Die Asche lasse sich eindeutig dem Okmok-Ausbruch zuordnen, sagt der Paläovulkanismus-Experte Michael Sigl von der Universität Bern: "Kein anderer bekannter Vulkanausbruch zu dieser Zeit hat Asche mit einem geochemischen Fingerabdruck wie die Asche im Eisbohrkern – nur Okmok."

Anschließend berechneten Vulkanologen, wie viel Asche die Eruption in die Atmosphäre schleuderte. Diese Daten wurden in ein Computermodell des Klimas gefüttert, das dann einen Wetterbericht für den Mittelmeerraum in den Jahren 43 und 42 vor Christus lieferte: Die beiden Jahre waren drei bis sieben Grad kälter als normal.

Schwere Hungersnöte in Rom und Ägypten

Das bestätigen auch Analysen von Baumringen, die zeigen, dass die beiden Jahre zu den kältesten der letzten zweieinhalb Jahrtausende zählen. Außerdem fiel in Italien doppelt so viel Regen wie im Durchschnitt der damaligen Zeit. Gleichzeitig verschob sich der Sommermonsun in Äthiopien am Oberlauf des Nils nach Süden, weswegen die Überflutung des Nils in Ägypten ausblieb.

Bohrkernprobe
Probe mit Vulkanasche des Okmok-Ausbruchs vor 2062 Jahren. (Foto: Michael Sigl/​Universität Bern)

Die Folgen dieser extremen Wetterbedingungen wurden von verschiedenen römischen Geschichtsschreibern gut dokumentiert. Plutarch schreibt etwa in seinem Buch "Das Leben des Antonius", dass dessen Armee im April 43 vor Christus unter Hunger litt und Wurzeln, Baumrinde und Tiere aß, "die von Menschen noch niemals gegessen wurden".

Julius Obsequens schreibt, im Orakel von Delphi habe man im gleichen Jahr eine Stimme gehört, die schrie: "Wahnsinn der Wölfe im Winter und im Sommer wird das Getreide nicht geerntet."

Auch das Folgejahr war hart, wie der Historiker Appian schreibt. Damals war Rom "vom Hunger verwüstet". Ägypten litt ebenfalls unter Hunger. Seneca schreibt, dass in den beiden Jahren 43 und 42 vor Christus der Nil nicht über die Ufer trat.

Das hatte auch geostrategische Konsequenzen im Bürgerkrieg zwischen Markus Antonius und Octavian – dem späteren Kaiser Augustus – auf der einen Seite und den Mördern Cäsars auf der anderen. Zur Zeit der Schlacht bei Philippi im Oktober 42 vor Christus konnte Kleopatra die Truppen von Markus Antonius nicht mit Getreidelieferungen unterstützen, weil Ägypten von "Hungersnöten erschöpft war", wie Appian schreibt. Antonius und Octavian gewannen die Schlacht allerdings trotzdem.

Krise schafft Raum für gesellschaftlichen Wandel

Letztlich trug Okmok so zum Untergang von zwei Supermächten bei: Die Römische Republik wich dem römischen Kaiserreich und das Königreich der Ptolemäer endete mit Kleopatra. In der Studie heißt es dazu: "Naturkatastrophen sind bekannt dafür, einen 'Ausnahmezustand' zu schaffen, der Raum für schnellen sozialen und politischen Wandel bietet."

Allein verantwortlich ist Okmok allerdings nicht, wie der Historiker Joeseph Manning von der US-Universität Yale betont: "Die klimatischen Auswirkungen waren ein harter Schlag für eine bereits gestresste Gesellschaft in einem Schlüsselmoment der Geschichte." 

Manning warnt vor Umweltdeterminismus. Die Vorgänge seien komplexer als "zusammenbrechen oder widerstehen". Manche Menschen hätten gut auf die Krise reagiert, andere weniger. Dennoch lasse sich vom Okmok-Ausbruch und den Reaktionen darauf viel für die heutige Gesellschaft und ihren Umgang mit dem Klimawandel lernen.

Anzeige