Was das anfängliche Verbot von Gasheizungen für den Klimaschutz war, könnte bei der Klimaanpassung ein Verbot sogenannter Schottergärten werden, jedenfalls, was das Maß an öffentlichem Streit betrifft.

Erste Städte würden jetzt strikt gegen die steinigen Gärten vorgehen, heißt es öfter mit klagendem Unterton in verschiedenen Medien. Grundstückseigner würden von Kommunen sogar mit Luftbildern "überführt" und dann zum Rückbau innerhalb eines halben Jahres verdonnert.

 

Schottergärten tatsächlich zu verbieten, ist aber – wie beim fossilen Parallelfall – nicht so einfach. Auf Bundesebene geben jedenfalls das Baugesetz wie auch das Naturschutzgesetz ein solches Verbot derzeit nicht her, erklärt der Berliner Rechtsanwalt Olaf Dilling in einer Talkrunde des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) unter der Überschrift "Kies versus Grün?".

Wann ein Garten ein Schottergarten ist, sei rechtlich nirgends klar definiert, dafür müsse man in die jeweiligen Landesbauordnungen schauen, erläutert Dilling. So schreibe das Land Berlin nur vor, nicht überbaute Flächen eines Grundstücks seien wasseraufnahmefähig zu halten oder entsprechend zu begrünen, soweit dem nicht andere Erfordernisse der Flächennutzung entgegenstehen.

Dieses Ausweichen auf andere Erfordernisse habe nach seiner Kenntnis beispielsweise Baden-Württemberg eingeschränkt, indem das Land eine Vorschrift erließ, dass Schottern grundsätzlich keine zulässige Verwendung sei.

Nordrhein-Westfalen will Schottergärten verbieten

Das Land Nordrhein-Westfalen wiederum kündigte kürzlich an, ab 2024 in der Landesbauordnung Schotterungen und auch Kunstrasen explizit zu verbieten.

Einen rechtlichen Spielraum dafür, wie private Gärten gestaltet werden können, hält Olaf Dilling aber für sinnvoll. So gebe es Steingärten, in denen die Pflanzen von Mauern vor zu viel Sonne geschützt werden. Für den Umweltrechtler kommt es aufs Gesamtbild an. Eine "mathematisch-schematische" Betrachtung verbiete sich.

Ein Warenverteilzentrum aus der Vogelperspektive.
Wenn es um Versiegelung in den Kommunen geht, sind Schottergärten eher ein Randproblem. (Bild: Marcin Jóźwiak/​Pixabay)

Welchen Anteil maximal kieshaltige Gärten an der Bodenversiegelung in deutschen Städten überhaupt haben, ist nicht bekannt. Daten gibt es nur zum gesamten Versiegelungsgrad.

Als die am stärksten versiegelte deutsche Stadt gilt Ludwigshafen am Rhein. Laut einer im Mai dieses Jahres vom Gesamtverband der Versicherer (GDV) veröffentlichten Untersuchung sind zwei Drittel von Ludwigshafen bebaut, betoniert oder asphaltiert, vor allem wegen großer Industrieflächen.

Den niedrigsten Versiegelungsgrad weist demnach Suhl in Thüringen mit rund 30 Prozent auf. Die Daten stammen allerdings aus dem Jahr 2018.

Aktuellere Angaben gibt es von Köln. Die Millionenstadt habe einen Versiegelungsgrad von rund 61 Prozent, erläutert beim VKU-Talk Ulrike Franzke, Vorständin der Stadtentwässerungsbetriebe (StEB). Die Stadt sei dabei nicht gleichmäßig versiegelt. Einerseits verfüge Köln über zwei Grüngürtel, andererseits sei die Altstadt ein hoch verdichteter Stadtraum, so Franzke.

Bei denen, die sich beruflich mit Klimaanpassung befassen, sind mittlerweile neue Töne zu hören. Starkregen könne heutzutage nicht mehr nur Menschen im Alpenbereich, im Harz oder im Schwarzwald treffen, sondern praktisch jeden, betont GDV-Experte Olaf Burghoff in der VKU-Runde.

Außerdem: Früher stöhnte eine Stadt in einem Jahr unter Hitze, in einem anderen über sintflutartige Regenmassen und Überschwemmungen. Diese Extreme treten jetzt nicht nur häufiger auf, sondern auch gleichzeitig oder in kurzer Folge. Daraus schließt die Kölnerin Ulrike Franzke: "Die Vorsorge für Hitze, Dürre und Überflutung muss man immer gemeinsam denken."

Bundesregierungen schoben Klimaanpassung zehn Jahre auf

Die StEB-Vorständin lässt keinen Zweifel daran, dass mit dem Klimawandel die Belastung und die Risiken für die Bürger weiter zunehmen, gerade in dicht besiedelten Städten. Die beste Antwort darauf ist für Franzke die Umwandlung der Stadt in Grün-Blau, mit viel mehr Vegetation und offenen Gewässern. Dazu kommen noch technische Maßnahmen wie der Bau von Rückhaltebecken oder eine leistungsfähigere Kanalisation.

Umweltministerium sucht Ideen

In der "Woche der Klimaanpassung" starten Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt eine Online-Beteiligung. Bis zum 8. Oktober können alle Bürgerinnen und Bürger online im "Dialog Klimaanpassung" ihre Ideen und Anliegen für ein klimasicheres Deutschland einbringen. Ziel ist es, von möglichst vielen Menschen Ideen und Beiträge für eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie zu erhalten.

Ähnliches ist von Bundesumweltministerin Steffi Lemke zu lesen. "Hitze und Dürre, Starkregen und Hochwasser – immer häufigere Wetterextreme zeigen uns auch in Deutschland die Bedeutung der Vorsorge und Anpassung an die Folgen der Klimakrise", teilt sie anlässlich der zurzeit laufenden bundesweiten Woche der Klimaanpassung mit.

Dass jetzt, bildlich gesprochen, alles auf einmal kommt und die Anpassungsprobleme zugleich gelöst werden müssen, liegt auch an den Bundesregierungen der letzten anderthalb Jahrzehnte. Deutschland legte zwar schon 2008 eine erste Klima-Anpassungsstrategie vor, richtige Aufmerksamkeit bekam das Thema aber erst zehn Jahre später, im Superdürrejahr 2018.

Weitere fünf Jahre dauerte es dann noch, bis im Juli dieses Jahres der Entwurf für ein Bundesklimaanpassungsgesetz auf den Tisch kam.

Flächenkonkurrenz erschwert Entsiegelung

Da sind viele Kommunen schon weiter. Für den Umbau der städtischen Infrastruktur wird in Köln derzeit ein umfassendes Entsiegelungskataster angelegt. Daraus sollen bis Ende des Jahres Entsiegelungspotenziale abgeleitet werden, berichtet StEB-Vorständin Franzke in der VKU-Runde.

Die Stadt habe bisher 76 Flächen identifiziert, die, wie sie formuliert, "multifunktional" oder "wasserbewusst" umgebaut werden müssen. Gegenwärtig schaffe es Köln aber nur, drei Flächen jährlich in Grün-Blau umzugestalten, räumt Franzke ein.

Ein Problem dabei ist nach ihren Worten die starke Flächenkonkurrenz. Fußgänger, Radfahrer und das Auto müssten mitbedacht werden, wenn der Stadtraum neu verteilt wird. Verständnis dafür schaffen soll in Köln nicht zuletzt ein "Handbuch der wassersensiblen Straßenraumgestaltung", das noch in diesem Jahr vorliegen soll.

 

"Am Ende ist es eine Frage des Geldes", resümiert Franzke. Um schneller zu einer klimaresilienten Stadt zu kommen, will sie die Frage der Entsiegelung immer auch dann einbringen, wenn ohnehin die städtische Oberfläche aufgerissen wird, etwa für Mobilität oder Fernwärme. Da müsse dann ganzheitlich gedacht werden, meint Franzke. Anders gesagt: Wärmeplanung also gleich zusammen mit Anpassungsplanung.

Ob Schottergärten dabei verboten werden oder nicht, erscheint da eher als untergeordnetes Problem.