Zwei Personen klettern an einer Kletterwand hoch, von einer Sicherungshelferin beobachtet, der wir über die Schulter schauen.
Hoch hinaus in kleinen Schritten: Kletterwand beim Ausrüster Vaude in Tettnang. (Foto: Alwin Buchmaier/​Vaude/​Wikimedia Commons)

Privatkredit, Schnellrechner zur Baufinanzierung, Tipps für die Reisekasse. Wer die Homepage der Sparda-Bank München anklickt, findet die normalen Angebote eines Geldinstituts. Doch oben auf der Startseite kann man neben den Finanzprodukten, dem Online-Banking und den Hilfeseiten auch den Button "Gemeinwohl" anklicken.

Das ist etwas Besonderes. Denn das Mitglied der genossenschaftlichen Sparda-Bankengruppe in Bayerns Hauptstadt ist ein Pionierunternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ), bei der der Geschäftserfolg nicht nur an Umsatz, Gewinn und Wachstum gemessen wird, sondern auch daran, welcher positive Beitrag für die gesamte Gesellschaft geleistet wird.

Investitionen in Waffen sind bei der Münchner Sparda tabu, ebenso Anlagen in Lebensmittelspekulation oder Atomkraft. Für jedes neue Mitglied in der Genossenschaft pflanzt die Bank einen Baum im Geschäftsgebiet Oberbayern, inzwischen sind es rund 80.000 geworden.

Ein Kunde, der ein Elektro- oder Hybridauto oder ein E-Bike kaufen will, bekommt für den Kredit einen vergünstigten Zinssatz. Das Unternehmen ist seit 2014 klimaneutral, es nutzt Ökostrom und hat den Fuhrpark teilweise auf E-Mobilität umgestellt.

Die Bank macht eine Personalpolitik, die "familienbewusst" ist und berücksichtigt, in welcher Lebensphase die Mitarbeiter sind. Und pro Jahr fließen im Schnitt knapp drei Millionen Euro als Zuschüsse in soziale und andere Projekte.

Die gesamte Lieferkette wird betrachtet

Das sind nur einige Schlaglichter, die zeigen, wie man bei der Bank denkt. GWÖ-Unternehmen verpflichten sich auch, eine formelle Gemeinwohl-Bilanz vorzulegen. Das unternehmerische Handeln wird nach einer Matrix unter den Aspekten Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und demokratische Mitbestimmung beurteilt.

Auf den ersten Blick erscheint es schwierig, solche abstrakte Themen in eine vergleichbare Bilanz zu gießen. Doch ein Handbuch zur Bilanz liefert detaillierte Erläuterungen zu den insgesamt 17 Gemeinwohl-Faktoren. In Bezug auf die Mitarbeiter werden dafür zum Beispiel Gehaltsniveau, Gleichberechtigung, Gestaltungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten abgefragt.

Beim Thema Ökologie geht es etwa um Energieverbrauch, CO2-Bilanz und Ressourcennutzung, wobei auch die gesamte Lieferkette betrachtet wird. Ein externer Auditor bewertet die Bilanz. Erreichbar sind maximal 1.000 Punkte.

Die Sparda-Bank München war eines der ersten Unternehmen in Deutschland, das der von dem österreichischen Autor Christian Felber im Jahr 2010 entwickelten GWÖ beigetreten ist. Ihr Vorstandschef Helmut Lind betont, man wolle sich nicht nur mit Cash-Flow, Eigenkapitalrenditen und dergleichen beschäftigen: "Wir engagieren uns mit Leidenschaft für die Idee der Gemeinwohl-Ökonomie, um diesen wichtigen Beitrag für den notwendigen sozial-ökonomischen Wandel voranzubringen."

Tatsächlich verzeichnet die Bank in dem Bereich deutliche Erfolge. Bei der jüngst vorgelegten Gemeinwohl-Bilanz für die Jahre 2015 bis 2017 erreichte die Bank 602 Punkte, eine Steigerung um 43 Punkte.

In der Langfrist-Vision geht das Unternehmen sogar noch weiter. Dann soll es noch eine "Universalbilanz" geben, "in der gar nicht mehr zwischen den Finanzen und dem Gemeinwohl getrennt wird", wie die Nachhaltigkeitsmanagerin der Bank, Christine Miedl, sagt.

500 Firmen haben Gemeinwohlbilanzen vorgelegt

Die Münchner Sparda-Bank ist zwar die erste und bisher einzige Bank, die Gemeinwohl-Bilanzen erstellt, doch insgesamt nimmt die quasi im Alleingang von Felber gegründete Bewegung durchaus Fahrt auf. Inzwischen unterstützen rund 2.000 Unternehmen vor allem in Österreich und Deutschland die GWÖ, und rund 500 haben bereits entsprechende Bilanzen aufgestellt.

Auch bekannte Unternehmen wie der Outdoor-Hersteller Vaude oder die österreichische Spedition Schachinger Logistik sind dabei, große Konzerne allerdings fehlen. Doch einige Kommunen sind Mitglied geworden, zum Beispiel die Großstädte Stuttgart und Mannheim, deren städtische Eigenbetriebe den GWÖ-Bilanzierungsprozess durchlaufen. Eine Rolle dürfte hier gespielt haben, dass der Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung von Baden-Württemberg eine Förderung der Gemeinwohlökonomie vorsieht.

Die Geschäftsführerin der Stuttgarter Stadt-Tochter "Leben & Wohnen", Sabine Bergmann-Dietz, sieht große Vorteile für das Unternehmen. Die Bilanz habe geholfen, neue Ziele zu setzen. Man habe dazu zum Beispiel Mitarbeiterbefragungen durchgeführt, einen Zufriedenheitsindex aufgestellt und eine Energiebilanz für alle Einrichtungen aufgestellt. Es gehe um einen kontinuierlichen Prozess der Verbesserung. Man müsse sich "immer wieder damit befassen".

Wer nachhaltig wirtschaftet, zahlt drauf

GWÖ-Gründer Felber, der selbst ganz bewusst nicht Wirtschaft studiert hat – sondern Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie – und Attac Österreich mitgründete, fordert eine "echte Ökonomie", die "das gute Leben für alle und Lebensqualität" garantiert. Unternehmen müssen aus seiner Sicht vor allem dem sozialen Zusammenhalt, der Befriedigung von Bedürfnissen, einer gerechten Verteilung und der Stärkung der Demokratie dienen.

Felber glaubt, dass sich diese Umorientierung weg vom reinen Profit- und Wachstumsdenken durchsetzen wird, denn sie entspreche "den ethischen Überzeugungen der großen Mehrheit – nicht nur der Menschen, sondern auch der Unternehmen".

Dass viele Zeitgenossen Angst vor einem solchen Umbau haben, scheint ihm aber auch klar. Denn er sichert zu: "Es gäbe nach wie vor private Unternehmen. Es gäbe auch privates Eigentum." Aber er stellt auch fest: "Das kapitalistische Element und der kapitalistische Charakter dieser Marktwirtschaft würden sogar zur Gänze überwunden werden."

Ein Selbstläufer freilich wird die Gemeinwohl-Ökonomie nicht werden. Geschäftsführerin Antje von Dewitz vom Sportartikelhersteller Vaude, einem weiteren Vorzeigeunternehmen der Bewegung, macht deutlich: Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen sind bisher benachteiligt – aufgrund von höheren Kosten, zusätzlichem Aufwand und größerer Unsicherheit.

Nachhaltige Lieferketten für Produkte zum Beispiel seien eine freiwillige Leistung, die vom Markt nicht automatisch honoriert wird. "Unternehmen werden vor allem nach ihrem finanziellen Erfolg bewertet", sagt von Dewitz. "Sie sollten jedoch auch daran gemessen werden, inwieweit sie Verantwortung für Mensch und Umwelt übernehmen."

Ein Hebel dafür wäre zum Beispiel, wenn GWÖ-Firmen niedrigere Steuersätze zahlen müssten oder leichteren Zugang zu Krediten oder öffentlichen Aufträgen bekämen.

Anzeige