Es riecht nach Heu, wie frisch von der Wiese. Doch es ist keine Scheune auf einem Bauernhof, sondern eine moderne Produktionshalle für Verpackungen in der Gemeinde Alling westlich von München. Hier, wo man als Rohstoffe Plastik oder Karton vermutet hätte, stapeln sich große Ballen mit Stroh.

Statt zu Tierfutterzusatz verarbeitet zu werden, landet das trockene Pflanzenmaterial in innovativen Verpackungen – als umweltfreundliche Alternative zu Styropor.

 

Die Halle gehört der Firma Landpack, einem 2013 gegründeten bayerischen Start-up. Das Unternehmen produziert nachhaltige Isolierverpackungen aus Stroh.

Das Material, das sonst nach der Ernte auf den Feldern liegen bleibt oder bestenfalls als Einstreu für Tiere dient, hat isolierende und stoßdämpfende Eigenschaften. Es schützt zum Beispiel gekühlte Lebensmittel ebenso gut wie die herkömmlichen weißen Kunststoffboxen.

Doch im Gegensatz zum Erdölprodukt Styropor ist es ein nachwachsender Rohstoff, regional fast überall verfügbar und nach Gebrauch biologisch abbaubar. Zu Deutsch: Es kann kompostiert werden und dann als Dünger dienen.

Ohne Plastik heißt ohne Erdöl

Patricia Eschenlohr, Mitgründerin und Marketingchefin von Landpack, erläutert: "Wir wollten eine Verpackung entwickeln, die nicht nur isoliert, sondern auch umweltfreundlich ist." Stroh bot sich als billiges, reichhaltig verfügbares Material an.

Doch die studierte Betriebswirtin und ihr Team standen vor einer Herausforderung: Wie lässt sich loses Stroh so verarbeiten, dass es stabil, hygienisch und gleichzeitig formbar wird?

Fleischbox von Landpack. (Bild: Landpack)

Die Lösung war ein spezielles Verfahren, das das Stroh unter Druck zu Platten formt und dabei gleichzeitig die Luft im Material einschließt – und zwar ohne zugesetzte Bindemittel. Die stärkebasierte Bioplastik-Umhüllung kann laut dem Unternehmen zusammen mit dem Stroh in der Biotonne entsorgt werden.

Dadurch entstehen Verpackungen mit einer guten Dämmleistung, die mit Styropor mithalten können. Eschenlohr betont: "Seit der Erfindung von Plastik hat man die heimischen Rohstoffe aus den Augen verloren, daher gab es in den letzten 70 Jahren praktisch keine Forschung zum Thema Strohverarbeitung. Das ändert sich gerade."

Gegen die etablierte Kunststoffbranche anzutreten, war für Landpack nicht leicht. Immerhin werden weltweit jährlich über 20 Millionen Tonnen Styropor produziert, bei einem Gesamtumsatz von 20 bis 25 Milliarden US-Dollar. Das Material ist leicht und billig, hat aber eben eine schlechte Ökobilanz.

Styropor wird aus fossilem Erdöl hergestellt. Nach Gebrauch wird es oft nicht recycelt, sondern verbrannt. In der Umwelt zersetzt es sich nur sehr langsam.

"Plastik wird de facto subventioniert, da diese externen Kosten dem Hersteller nicht angelastet werden", sagt die Landpack-Gründerin. "Damit agieren wir in einem verzerrten Wettbewerbsumfeld."

Erste große Kunden und Preise

Doch Landpack hat es binnen weniger Jahre geschafft, sich in einem schwierigen Markt zu etablieren. Kunden wie die Bio-Molkerei Andechser Natur, Premium-Supermärkte wie Frische-Paradies, Dax-Unternehmen wie Qiagen und Pharmakonzerne setzen auf die "Landbox", so der Produktname.

Eschenlohr betont: "Es reicht nicht, nur eine nachhaltige Alternative zu entwickeln – man muss die Menschen auch davon überzeugen, dass sie funktioniert." Das Unternehmen hat die "grüne" Qualität der Produkte wissenschaftlich analysieren lassen. Studien belegen, dass die Strohverpackungen eine ähnlich hohe Isolierleistung haben wie Styropor, aber nachhaltig sind und einen minimalen CO2-Fußabdruck haben.

Stroh vom Acker könnte bald sehr gefragt sein. (Bild: Konstantin Christian/​Shutterstock)

Die Firma ist als Leuchtturm-Beispiel der Kampagne "Zukunft Bioökonomie Bayern" vom bayerischen Wirtschaftsministerium ausgewählt worden und bekam unlängst den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2025 verliehen. Heute arbeiten 35 Menschen bei Landpack, ein weiterer Produktionsstandort in den USA ist konkret in Vorbereitung.

"Unsere Verpackungen sind als Einwegverpackungen konzipiert, die aber mit wirklich gutem Gewissen entsorgt werden können", erläutert die Unternehmerin. Bei der Vergärung und Kompostierung des Strohs entsteht Biogas, das zur Strom- und Wärmeversorgung genutzt werden kann, während die Nährstoffe durch Ausbringen des Komposts auf den Feldern zurück in den biologischen Kreislauf gelangen.

"Zur Produktion der Landbox verwenden wir ausschließlich erneuerbare Energien, wobei wir ohnehin im Vergleich zu Styropor nur ein Fünfzigstel des Primärenergiebedarfs aufweisen", so Eschenlohr. Einige der Kunden verwendeten die Verpackungen auch mehrfach, was die Ökobilanz weiter verbessert.

Reichen die verfügbaren Stroh-Mengen?

Doch das Unternehmen denkt bereits weiter. Die Vision ist ein flächendeckendes Verpackungssystem, das ohne erdölbasierte Kunststoffe auskommt. Dafür wurde das Sortiment bereits erweitert, neben der Stroh-Box stellt Landpack mittlerweile auch Verpackungen aus Recylingpapierfasern her.

Aber auch für Stroh bieten sich noch andere Einsatzbereiche an. Eschenlohr: "Es geht um alle Anwendungen, bei denen aktuell noch Styropor für Isolierung, Stoßdämpfung oder Schallschutz verwendet wird – etwa Dämmplatten zur Gebäude-Isolierung."

Aber reichen die verfügbaren Mengen an Stroh überhaupt für eine solche Bioökonomie? Dass der Rohstoff bei einer breiten Nutzung schnell knapp würde, glaubt die Landpack-Chefin nicht. "Stroh ist die Biomasse mit dem derzeit größten Nutzungspotenzial weltweit."

 

Stroh falle mit rund zwei Milliarden Tonnen pro Jahr in gigantischen Mengen an, so Eschenlohr, gleichzeitig gebe es derzeit kaum Technologien, die es nutzbar machen. In Asien könne man der gewaltigen Strohmengen nur durch Verbrennung auf dem Acker Herr werden, mit der entsprechenden Luftverschmutzung, während hierzulande der Rohstoff zumeist direkt wieder eingeackert werde.

Laut Studien könnten mehr als 30 Prozent davon – in Deutschland sind das zehn Millionen Tonnen – ohne Auswirkungen auf die Humusbilanz im Boden für industrielle Anwendungen zur Verfügung stehen. "Wenn es diese denn im nötigen Umfang gäbe", sagt Eschenlohr. Ihr Unternehmen arbeitet daran, dass es sie bald gibt.

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