Offene Mülltonne mit gelbem Deckel, Säcke voller Plastikmüll sind hineingestopft.
Hier soll sich nichts ändern, aber vorher und nachher. Allerdings eher später als früher. (Bild: Animaflora Picsstock/​Shutterstock)

Kunststoffe sind in der modernen Welt unverzichtbar, doch sie haben diverse Schattenseiten. Vor allem tragen sie zum Verbrauch fossiler Ressourcen und zum CO2-Ausstoß bei, und sie sind für ein gewaltiges Müllproblem verantwortlich – von verdreckten Straßen in Großstädten über Mikroplastik in der Nahrungskette bis zu den Plastikstrudeln in den Weltmeeren.

Der Verband der europäischen Kunststoff-Produzenten, Plastics Europe, hat hier nun ein Signal gesetzt. Er veröffentlichte einen Aktionsplan zur "Defossilisierung der Kunststoffindustrie". Umweltverbänden geht der Plan allerdings nicht weit genug, sie warnen vor Scheinlösungen.

Die weltweite Produktion von Kunststoffen hat sich seit 1980 auf fast 400 Millionen Tonnen jährlich vervierfacht, und die Branche rechnet mit einer weiteren Verdreifachung der Mengen bis Mitte des Jahrhunderts. Basis für die Plastikherstellung sind zumeist Erdöl und Erdgas, auch für die Prozessenergie werden meist diese fossilen Rohstoffe eingesetzt.

Plastics Europe hat sich nun zum Ziel gesetzt, den Anteil fossiler Ressourcen in der Kunststoffproduktion bis 2050 zu 65 Prozent durch im Kreislauf geführte ("zirkuläre") Rohstoffe aus Biomasse, recycelten Materialien und CO2-Abscheidung und -Nutzung (CCU) zu ersetzen. In dem Verband sind über 100 führende Kunststoff- und Chemieunternehmen organisiert, darunter in Deutschland Firmen wie BASF, Dupont und Covestro.

Der Umbauplan nennt sich "Plastics Transition Roadmap" und sieht vor, den CO2-Ausstoß in der Kunststoffproduktion bis 2030 um 28 Prozent zu senken und die Industrie dann bis 2050 in eine "klimaneutrale Kreislaufwirtschaft" zu überführen. Nach den Angaben werden derzeit in Europa bereits 19,5 Prozent aller Kunststoffe aus zirkulären Rohstoffen hergestellt. Dieser Anteil könne bis 2030 auf 25 Prozent und bis 2050 auf 65 Prozent erhöht werden.

Plastikindustrie fordert politische Unterstützung

Allerdings sei dazu "Unterstützung durch die Bundesregierung und der Europäischen Kommission" nötig, sagte Ingemar Bühler, Hauptgeschäftsführer von Plastics Europe Deutschland. Die zusätzlichen Investitionen und Betriebskosten, um dieses Ziel zu erreichen, bezifferte Bühler auf geschätzte 235 Milliarden Euro. Die Roadmap hat der Verband gemeinsam mit der Unternehmensberatung Deloitte erarbeitet.

Der Plan sieht unter anderem vor, das Design von Plastikprodukten grundlegend zu verbessern. Sie müssten so hergestellt werden, dass sie weniger Material verbrauchen und leichter recycelt werden können. Zudem sollten der Ausbau von Mehrwegsystemen sowie Geschäftsmodelle gefördert werden, die die Kreislaufführung unterstützen – nach dem Prinzip "Leihen statt Kaufen".

Weitere Punkte: Investitionen in moderne Anlagen zum Sammeln, Sortieren und Recyceln von Kunststoffabfällen, verbindliche Quoten für den Einsatz von Recyclingplastik sowie ein EU-weites Deponierungsverbot und eine Ausdehnung der Hersteller-Verantwortung.

Der Verband macht allerdings auch Druck auf die Politik. Die europäische Kunststoffindustrie sei bisher weltweit Spitzenreiter bei der Entwicklung zirkulärer Kunststofftechnologien, speziell in der Verwertung und dem Recycling von Kunststoffabfällen, betonte Bettina Dempewolf von Plastics Europe Deutschland. Man beobachte jedoch "mit großer Sorge das Investitionsklima in Europa".

Die schwierigen Marktbedingungen könnten dazu führen, dass künftig mehr Kunststoffe importiert werden und die Investitionen hiesiger Hersteller sinken, sagte Dempewolf. "Die Bundesregierung muss daher gezielt Maßnahmen ergreifen, um Investitionen in umweltfreundliche Technologien zu ermöglichen und den Einsatz von zirkulären Kunststoffen zu fördern."

"Eine Scheinlösung"

Kritik an der Strategie von Plastics Europe kommt vom BUND. Deutschlands wichtigster Umweltverband bemängelt unter anderem, dass auch 2050 noch 35 Prozent der Kunststoff-Produktion mit fossilen Rohstoffen geschehen soll. "Das ist nicht machbar, wenn die im Pariser Klimavertrag und im Green Deal der EU vorgegebenen Klimaziele erreicht werden sollen", sagte die Kreislaufwirtschafts-Expertin des Verbandes, Janine Korduan, gegenüber Klimareporter°.

Nötig sei eine starke Reduktion der global gestiegenen Produktionsmengen, unter anderem durch eine stärkere Abkehr von Einwegplastik, und eine möglichst energiesparsame Wiederverwertung des dann noch anfallenden Materials durch mechanisches Recycling. Derzeit machten Einwegverpackungen rund 40 Prozent der Plastikproduktion in der EU aus, so Korduan, davon lande ein großer Teil in der Müllverbrennung und in Zementfabriken, wobei CO2 mit entsprechender Treibhauswirkung entstehe.

Das Problem durch sogenanntes chemisches Recycling in den Griff zu bekommen, wie es die Branche vorhabe, wird nach Überzeugung der Expertin nicht gelingen. Diese Methode, bei der Altplastik wieder in Grundchemikalien verwandelt wird, verursache enorme technische Probleme, erzeuge problematische Nebenprodukte wie Pyrolysekoks und verschlinge enorme Energiemengen, die in absehbarer Zeit nicht in erneuerbarer Form zur Verfügung stünden. Korduan: "Für Verpackungen ist das eine Scheinlösung."

Der BUND hält zudem den Ansatz, neues Plastik unter Verwendung von CO2 aus Abgasen oder aus der Atmosphäre zu gewinnen, für nicht realisierbar, jedenfalls nicht im benötigten Maßstab. Seit Jahrzehnten werde an der CO2-Nutzung geforscht. Solche CCU-Lösungen seien aber in der Massenproduktion weder technisch noch wirtschaftlich sinnvoll, auch in Zukunft nicht.

Ursache sei die chemische Reaktionsträgheit von CO2, die nur mit hohem Energieaufwand überwunden werden könne, so Korduan. "Und dies ändert sich auch mit weiteren Subventionen nicht." Zusätzlich sei noch Wasserstoff nötig, der in der "grünen" Variante auch noch lange knapp sein werde.

Die BUND-Expertin fasst es so zusammen: "Nur weniger und langlebige Plastikprodukte können tatsächlich nachhaltig produziert werden."

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