Dramatischer Regenhimmel über Italien
Italien wird vom Klimawandel eingeholt. (Foto: Gianni Del Bufalo/​Flickr)

"Italien wird gefoltert", sagte Italiens Premierminister Guiseppe Conte zu den schweren Unwettern, die sein Land zwischen den Dolomiten im Norden und Sizilien im Süden seit über einer Woche im Griff halten.

Sintflutartiger Regen, Schlammlawinen, Millionen entwurzelte Bäume und zerstörte Skipisten werden gemeldet – und bisher über 30 Tote.

Die Schäden sind gigantisch, auch, weil Italiens Behörden vielfach illegales Bauen in gefährdeten Zonen toleriert und die Katastrophenvorsorge vernachlässigt haben. Experten wie Andrea Bergamasco vom Meeresforschungsinstitut Ismar in Venedig warnen: "Die Mittelmeerregion wird vom Klimawandel eingeholt."

Auch früher gab es schon katastrophale Unwetter in dem Mittelmeerland, auch solche mit vielen Todesopfern. So starben 1996 bei einer Überschwemmungskatastrophe an der toskanischen Küste 13 Menschen. Doch inzwischen häufen sich die extremen Wetterereignisse – und zwar im ganzen Mittelmeerraum.

Dass Italien nun schon so viele Tage von Regen und Sturm "gegeißelt" ("flagellato") wird, wie die Bürger des Landes sagen, liegt an der Wetterlage über Mitteleuropa. Hier wechselten sich zuletzt fast nur Hochdruckgebiete ab, wodurch den Tiefdruckgebieten aus dem Atlantik deren "normaler" Weg nach Osten versperrt blieb.

Sie ziehen entweder über Nord- oder Südeuropa an den Hochs vorbei. Auf dem Südkurs treffen die kühlen Tiefdruckgebiete dann auf das vom Sommer noch warme Mittelmeer – perfekte Voraussetzungen, dass die Tiefs sich zu Unwettern verstärken.

Veränderte Wetterdynamik bringt Regen-Rekorde

Zuletzt war es das Tief "Xena", das sich besonders im Nordwesten Italiens austobte, für den heutigen Dienstag wurden bis zu 250 Liter Wasser pro Quadratmeter erwartet. Und ein weiterer Tiefausläufer zog bereits von der Iberischen Halbinsel Richtung Italien, ebenfalls mit viel Regen im Gepäck.

Für Wissenschaftler passen solche Extremereignisse zu ihren Szenarien für eine aufgeheizte Welt. Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) verweist darauf, dass der Klimawandel die Temperatur der Meeresoberflächen erhöht hat. "Im Mittelmeer weist sie in diesem Jahr fast wieder einen Rekord auf."

Dadurch habe sich die Dynamik des Wetters verändert, sagt Hoffmann. Ob die extremen Niederschläge dadurch häufiger auftreten, sei noch unklar. Es sei aber wahrscheinlich, "dass die Intensität zunimmt". Die Niederschläge werden also extremer, die Gefahr von Überschwemmungen steigt. Tatsächlich wurden in diesem Jahr in mehreren Mittelmeer-Regionen Niederschlagsrekorde gemessen.

Im Mittelmeerraum sind ergiebige Regenfälle im Herbst durchaus nicht ungewöhnlich, wie Hoffmann erläutert – eben aufgrund des Phänomens, dass das Binnenmeer sich im Sommer aufheizt und die Wärme länger als die Luft speichert.

Der Klimawandel allerdings steigere die Unterschiede zwischen Wasser- und Lufttemperatur. Die Folge: Die Tiefdruckgebiete "tanken" wegen des wärmeren Wassers immer mehr Feuchtigkeit, die dann wieder abgeregnet wird. Die Heftigkeit der Niederschläge nimmt zu.

Unwetter rund ums Mittelmeer – Starkregen in Deutschland

Eine grausame Illustration davon sind die zahlreichen Unwetter, die in den vergangenen Wochen rund ums Mittelmeer über 80 Menschenleben gefordert haben. Auf Mallorca zum Beispiel, wo am 9. Oktober binnen weniger Stunden über 230 Liter Regen pro Quadratmeter fielen, kamen 13 Menschen um.

Mitte Oktober traf es die Region um das südfranzösische Carcassonne, wo das Hochwasser teils sieben Meter hoch stieg; die entstandenen Schäden werden auf 200 Millionen Euro geschätzt.

In Tunesien starben elf Menschen, nachdem heftige Niederschläge sonst ausgetrocknete Täler um den Touristenort Nabeul geflutet hatten. In Jordanien traf es 21 Menschen, vor allem Schulkinder, die bei einem Ausflug zu den heißen Quellen am Roten Meer von einer Sturzflut überrascht worden waren.

Das wärmere Mittelmeer hat übrigens nicht nur für die Region, sondern durchaus auch für Mitteleuropa Folgen. Es gebe "auch starke Auswirkungen auf die Regenmengen bei uns", sagt PIK-Experte Hoffmann.

Eine vor zwei Jahren veröffentlichte Studie des Kieler Helmholz-Zentrums für Ozeanforschung (Geomar) zeigte tatsächlich, dass hierzulande häufiger mit Starkregen und Jahrhundert-Hochwassern gerechnet werden muss, weil die berüchtigten regenreichen "5b-Wetterlagen" sich dadurch seit 1970 um 17 Prozent verstärkt haben.

Diese führen Tiefdruckgebiete aus dem Mittelmeer nach Mitteleuropa. Die Luftmassen dieser Wetterlagen nehmen über dem Mittelmeer viel Wasserdampf auf – und der fällt dann bei uns als sintflutartiger Regen. Auf das Konto solcher Tiefdruckgebiete gehen unter anderem die "Jahrhundert-Hochwasser", die in Deutschland in den Jahren 2002, 2010 und 2013 auftraten.

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