Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) arbeitet an seine Image. Bisher vor allem als Auto- und Diesel-Fan hervorgetreten, bekundet er nun, es gebe ein großes Potenzial für eine umweltfreundliche Mobilität in deutschen Städten – nämlich durch "Elektro-Tretroller", die demnächst zugelassen werden sollen.
Ergänzend zum öffentlichen Nahverkehr seien sie "eine echte zusätzliche Alternative zum Auto", sagte Scheuer am Mittwoch der Agentur DPA. Sie könnten etwa für die "letzte Meile" von der U- und S-Bahn oder der Bushaltestelle nach Hause oder zur Arbeit genutzt werden.
Viel Ärger gibt es jedoch, weil in der geplanten Verordnung des Ministeriums dazu vorgesehen ist, dass E-Roller, die "bauartbedingt" maximal zwölf Stundenkilometer fahren können, auf Gehwegen fahren sollen. Fußgängerverbände und die Grünen lehnen das strikt ab. Motto: "Fahrzeuge gehören nicht auf Gehwege."
Mit Tempo 20 an Fußgängern vorbeirasen?
Scheuers Ministerium hat eine Verordnung zur Zulassung von "Elektro-Kleinstfahrzeugen" erarbeitet, die nun der EU-Kommission zur Prüfung vorliegt. Ziel ist, sie noch in diesem Frühjahr in Kraft treten zu lassen. Schnellere E-Fahrzeuge mit Lenk- oder Haltestange, die bis zu Tempo 20 schaffen, sollen danach auf Radwegen oder Radstreifen fahren; fehlen diese, darf die Fahrbahn genutzt werden.
Helmpflicht oder eine Mofa-Prüfbescheinigung sind nicht geplant, allerdings soll es eine Versicherungspflicht geben. Die E-Tretroller sollen auch in Bussen und Bahnen mitgenommen werden dürfen. Das Ministerium bereitet zudem eine "Ausnahmeverordnung" für kleine Elektrogeräte ohne Lenkstange vor – wie E-Skateboards, Monowheels und Hoverboards. Erwartet wird, dass diese wie die langsameren Tretroller ebenfalls auf Gehwegen fahren dürfen.
Die Grünen loben Scheuer dafür, dass sein Ministerium die ursprünglich wie beim Mofa vorgesehene Führerscheinpflicht gestrichen hat. Die Tretroller seien mit Mofas kaum zu vergleichen. "Außerdem machen immer weniger junge Menschen einen Führerschein", sagte Matthias Gastel, Verkehrsexperte der Partei. Mit den E-Minifahrzeugen entstehe eine attraktive Mobilitätsform, die nicht behindert werden dürfe, sondern durch kluge Regelungen sicher ins Verkehrsgeschehen einzupassen sei.
Auf heftige Kritik trifft jedoch die Freigabe der Gehwege für die langsameren Tretroller, die immerhin Tempo zwölf schaffen, und auch für die schnelleren mit Tempo 20, wenn die Wege dafür geeignet sind und mit einem neuen, speziellen Verkehrsschild dafür freigegeben werden.
"Gehwege müssen den Fußgängern vorbehalten bleiben und konsequenten Schutz vor motorisierten Fahrzeugen bieten, die noch dazu schneller als Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen", meint Gastel. Tatsächlich sind Fußgänger normalerweise mit drei bis fünf Stundenkilometern unterwegs, also deutlich langsamer als die Roller. Tempo zwölf ist das Tempo von schnellen Joggern, Tempo 20 bereits spurtverdächtig.
Gehweg-Freigabe dient nicht der Sicherheit
Der Fußgänger-Lobbyverein FUSS e.V. lässt gar kein gutes Haar an der Gehweg-Freigabe. Dies sei ein "Dammbruch", der den Schutzraum gerade der schwächsten Verkehrsteilnehmer zu vernichten drohe, kritisiert der Sprecher des Vereins, Roland Stimpel. Eine "Horde Pubertierender auf E-Rollern" sei Scheuer wichtiger.
"Egal sind ihm ...zig Millionen Alte, Junge, Menschen mit Behinderungen und alle Menschen, die einfach nur stressfrei auf den Gehwegen unterwegs sein wollen", sagte er. Komme die Regelung wie geplant, gelte auf den Gehwegen künftig wie auf den Autobahnen "das Ellbogenrecht des Schnelleren und Stärkeren", ätzt Stimpel.
Der Verein verweist darauf, dass der Berliner Juraprofessor Stefan Klinski bereits verfassungsrechtliche Bedenken gegen Scheuers Entwurf geltend gemacht hat. Eine Gehweg-Freigabe diene "nicht der Erhaltung der Sicherheit", wie vom Straßenverkehrsgesetz gefordert, sondern schaffe im Gegenteil "zusätzliche Gefahren auf den Gehwegen", so Klinskis Argumentation.
Der Grüne Gastel vermutet, hinter Scheuers Konzept stecke, dass der Minister "offenbar Autos und Lkw vor möglichen Einschränkungen auf der einen oder anderen Fahrbahn bewahren will und stattdessen lieber Konflikte zwischen Kleinstfahrzeugen und dem Fuß- und Radverkehr provoziert". Die Zulassung der E-Minis müsse Anlass sein, Verkehrsräume zugunsten von Radverkehr und E-Kleinstfahrzeugen neu aufzuteilen und dafür, wo erforderlich, in die Fahrbahnen einzugreifen.