Ein Strommessgerät zum In-die-Steckdose-Stecken liegt auf einem 20-Euro-Schein.
Wer nicht auf den staatlichen Preisdeckel warten will, kann mit einem Strommessgerät zumindest schon mögliche Stromfresser im Haushalt ausfindig machen. (Foto: Alexander Stein/​Pixabay)

Bei der Strompreisbremse verschärfen sich die Konflikte zwischen der Ampel-Regierung und nahezu der gesamten Stromversorgerbranche, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Die beiden großen Branchenverbände BDEW und VKU reagierten heute ablehnend auf die Pläne der Bundesregierung, die Strompreisbremse bereits zum 1. Januar 2023 in Kraft zu setzen. Mit der Bremse sollen die aufgrund der hohen Strompreise entstandenen Zusatzgewinne abgeschöpft werden.

Diese Mittel sollen zugleich dazu dienen, den Strompreis zu deckeln. So ist für Haushalte eine Obergrenze von 40 Cent je Kilowattstunde im Gespräch. Dies soll für 80 Prozent des Jahresverbrauchs gelten.

Für die Industrie sollen 70 Prozent des Jahresverbrauchs auf 13 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt werden. Diese Vorschläge sollen in einer Vorlage für die heutige Beratung des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten der Länder enthalten sein.

Die Zusatzgewinne sollen dabei rückwirkend ab September abgeschöpft werden. Der entsprechende Beschluss der EU hätte eine Abschöpfung sogar ab März dieses Jahres ermöglicht.

Die Gesetzesvorlage soll nach Angaben des Energie- und Wasserwirtschaftsverbandes BDEW am 17. November auf den Weg gebracht und erst kurz vor Weihnachten vom Parlament beschlossen werden.

Dass die Vorschriften dann schon Anfang 2023 wirksam werden können, sei zeitlich "völlig unrealistisch", kritisierte heute BDEW-Geschäftsführerin Kerstin Andreae. Man spreche über ein komplexes System, in dem Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher mit einer Vielzahl unterschiedlicher Tarifgestaltungen korrekt abgerechnet werden müssen, begründete sie die Ablehnung.

Entlastung sei notwendig, müsse aber auch umsetzbar sein, sagte Andreae. Wichtig seien einfache und pragmatische Lösungen.

Die Strompreisbremse schon im kommenden Januar und damit zwei Monate früher als die Gas- und Wärmepreisbremse beginnen zu lassen, sei nicht möglich, betonte heute auch Ingbert Liebing, Chef des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). "Diese Ankündigung hat bei denen, die es umsetzen sollen, helles Entsetzen ausgelöst."

Sei eine Entlastung schon zum Februar oder zu einem noch früheren Zeitpunkt geplant, müsse diese so pauschal und einfach wie möglich ausgestaltet sein, sagte Liebing. Der VKU schlägt dazu vor, eine "Taskforce" aus Bundeswirtschaftsministerium und Energieversorgern einzusetzen.

Bundestags-Dienst: Rückwirkende Abschöpfung unzulässig

Die Erneuerbaren-Branche sieht sich durch ein Gutachten in ihrer Auffassung bestätigt, dass eine Abschöpfung der Zusatzgewinne auf steuerlichem Wege mit geltendem EU-Recht vereinbar ist. Das habe ein Rechtsgutachten der Berliner Wirtschaftskanzlei Raue im Auftrag des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) ergeben, teilte der BEE heute mit.

"Eine Steuer ist die gerechtere und auch deutlich einfachere Lösung", sagte BEE-Präsidentin Simone Peter. "Sie wäre auch das wesentlich effizientere Instrument zur kurzfristigen Beschaffung von Finanzmitteln als die bisher vorgesehenen hochkomplexen, überbürokratischen Planungen zur Strompreisbremse." Man appelliere an den Gesetzgeber, den Empfehlungen des Gutachtens zu folgen und die Übergewinnabschöpfung effizient und verfassungskonform zu gestalten.

Der Erneuerbaren-Verband argumentiert hier auch damit, dass eine solche steuerliche Lösung auf EU-Ebene für Mineralölkonzerne als sogenannter "Solidaritätsbeitrag" vorgesehen ist. Dies könne dann auch für die Erneuerbaren umgesetzt werden, diese wären dann nicht schlechter gestellt, betonte Peter.

In dem Rechtsgutachten wird darüber hinaus auf eine Untersuchung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags Bezug genommen, laut dem ein rückwirkender Eingriff in die Erlöse verfassungsrechtlich unzulässig wäre. Peter begrüßte in dem Zusammenhang, dass eine Gewinnabschöpfung ab März offenbar vom Tisch sei. Damit wäre eine erste wichtige Korrektur vorgenommen. Weitere Anpassungen müssten aber im Sinne von Vertrauensbildung und Investitionsschutz folgen, forderte die BEE-Präsidentin.

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