Atomkraftwerk Beaver Valley
Wird nun als Klimaschützer verkauft: Atomkraftwerk Beaver Valley im US-Bundesstaat Pennsylvania. (Foto: United States Nuclear Regulatory Commission)

Der Schauplatz ist mit Bedacht gewählt: Auf einer Konferenz über "saubere Energie" im Dänischen Zentrum für Architektur in Kopenhagen ist für heute der Termin angesetzt worden. Zwischen Veranstaltungen zur flexiblen Einspeisung und zur Finanzierung erneuerbarer Energien verkünden zur Stunde Abgesandte der USA sowie von Großbritannien, Kanada und Japan die Renaissance der Nuklearenergie. Als klimafreundliche Technologie will die neue Allianz sie verkaufen und nun weltweit auf einen Siegeszug führen.

"Diese globale Initiative wird dafür sorgen, dass Atomenergie einen Platz am Tisch bei den Debatten über Innovation und fortschrittliche Saubere-Energie-Systeme haben wird", erklärte der Vizechef des US-Energieministeriums Dan Brouillette schon vor dem Termin. "Innovative Nuklear-Systeme werden eine Schlüsselrolle in der weltweiten Dekarbonisierung spielen."

Die Atomenergie lasse sich gut ins Energiesystem der Zukunft einpassen, sagte Brouillette – als Ergänzung zu den erneuerbaren Energien. Und zwar überall dorf, wo man viel Strom brauche: in Entsalzungsanlagen oder für Industrieprozesse, bei der Herstellung von synthetischem Wasserstoff oder Energiespeichern.

Zunächst einmal ist die Rhetorik bemerkenswert: Dass die USA überhaupt einen Beitrag zum Klimaschutz leisten wollen, überrascht, tut die Regierung in den USA doch gerade alles dafür, Klimaschutz-Maßnahmen einzuebnen, Erkenntnisse zum Klimawandel zu ignorieren oder anzuzweifeln, und selbst den Begriff "Klima" von den Regierungs-Webseiten zu tilgen.

Experten: Atomkraft viel zu teuer

Allerdings dürfte es US-Präsident Donald Trump weniger um den Klimaschutz gehen als darum, eine bestimmte Industrie voranzubringen. Schon zum Klimagipfel 2017 in Bonn schickte er Vertreter der Atomindustrie – neben Lobbyisten der Gas- und Kohlebranche. Alle traten dort angeblich im Namen des Klimaschutzes auf.

Im Gegensatz zu Kohle- und Gaskraftwerken stoßen Atomkraftwerke tatsächlich kaum Klimagase aus. Knapp 450 Atomkraftwerke laufen derzeit in 30 Ländern. Zusammen decken sie etwa elf Prozent der weltweiten Stromproduktion ab. Nicht nur wegen des Problems der Lagerung des Atommülls und der GAU-Gefahr bezweifeln Experten, dass sich die Atomkraft ins Energiesystem der Zukunft einpassen können.

"Diese Debatte langweilt mich", sagt Felix Matthes vom Öko-Institut gegenüber Klimareporter. "Sie kocht alle paar Jahre hoch." Matthes hält es schon allein aus ökonomischen Gründen für wenig wahrscheinlich, dass die Welt vor einer Renaissance der Atomkraft steht.

Das beste Beispiel sei Großbritannien, das sich ebenfalls an der neuen Allianz beteiligt. Um den Klimaschutz voranzutreiben und sich noch schneller von der Kohle zu lösen, will die Regierung neben Gas und Erneuerbaren auch auf Atomkraft setzen – und das Kraftwerk Hinkley Point C bauen lassen. Über 35 Jahre soll der französische Betreiber EdF elf Cent pro Kilowattstunde bekommen. Zum Vergleich: Der Preis für Solarstrom liegt in Deutschland schon heute oft unter fünf Cent. Selbst wenn man die Kosten für Speicher hinzurechnet, seien die erneuerbaren Energien preisgünstiger, so Matthes.

"Hohes Klumpenrisiko"

Die USA wollen deshalb auf kleine Atomkraftwerke setzen, wie sie es schon in Bonn propagiert haben. Sie sollen sich in modularer Bauweise schnell und an jedem Ort errichten lassen. Allerdings lohnt sich der Bau angesichts der hohen Materialkosten nur bei der Produktion großer Stückzahlen, weshalb in der Vergangenheit dann doch immer wieder auf große Kraftwerke gesetzt wurde. "Die passen aber nicht ins zukünftige Energiesystem", sagt Matthes.

Hinzu kommt ein weiteres Problem: "Werden die Anlagen in Serie gebaut, vergrößert sich das Klumpenrisko", sagt der Energieexperte. Das heißt: Taucht in nur einer Anlage ein Sicherheitsproblem auf, können mit einem Schlag große Versorgungskapazitäten ausfallen. Ein Beispiel war Japan nach dem Tsunami 2011, als nach dem GAU im Atomkraftwerk Fukushima alle Atomkraftwerke des Landes vom Netz genommen wurden.

Matthes war an jenem 11. März 2011 selbst in Japan. Im Umweltministerium in Tokio – direkt gegenüber der Konzernzentrale des staatlichen Energieversorgers Tepco – hielt er einen Vortrag zum Emissionshandel. Gerade als er fertig war, wackelte das Gebäude. Schon da wurde ihm mulmig, und noch mehr, als er im Fernsehen die Bilder der Atomkatastrophe in Fukushima sah – auf CNN, denn die japanischen Sender zeigten die Bilder nicht.

Im Ausblenden von Katastrophen ist Japan auch heute noch Meister. Sieben Jahren nach Fukushima will das Land nun der Atomenergie zum Wiederaufstieg in der Welt verhelfen.

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