Hier ist das AKW Philippsburg bei Speyer zu sehen. Block 1 wurde kurz nach der Fukushima-Katastrophe 2011 vom Netz genommen, Block 2 soll 2019 folgen.
Auch das AKW Philippsburg bei Speyer wird abgeschaltet: Block 1 wurde kurz nach der Fukushima-Katastrophe 2011 vom Netz genommen, Block 2 soll 2019 folgen. (Foto: Lothar Neumann/​Wikimedia Commons)

Der deutsche Atomausstieg ist 2011 nach dem GAU in Fukushima beschlossen worden. Acht Reaktoren der älteren Baulinien wurden damals sofort vom Netz genommen, für den Rest legte der Bundestag einen Abschaltplan bis 2022 fest. Derzeit laufen noch sieben Reaktoren. Als nächster Reaktor wird Ende 2019 Philippsburg 2 abgeschaltet, dann folgen Ende 2021 Grohnde, Brokdorf und Gundremmingen C sowie schließlich Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland bis Ende 2022.

Der Umweltverband BUND warnt nun vor Sicherheitsmängeln dieser Anlagen, die in den 1980er Jahren gebaut wurden. Auch in Deutschland sei "jederzeit ein größerer Störfall oder ein Super-GAU möglich", zudem lägen keine ausreichenden Katastrophenschutzpläne vor, kritisiert der Verband. Außerdem behindere der Weiterbetrieb der AKW den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Der Umweltverband hat eine Studie zu den Sicherheitsrisiken anfertigen lassen. Moniert werden darin unter anderem mangelnde Schutzstandards gegen Hochwasser, Erdbeben und Terrorgefahren. Auffällig sei auch eine Häufung von Schäden in Reaktorkernen. Als Beispiel verweist der BUND auf das AKW Brokdorf bei Itzehoe, das weiter laufen dürfe, obwohl dort Verformungen von Brennelementen und Oxidationen an Brennstäben festgestellt wurden.

Weiter bemängelt der Verband, dass die AKW-Betreiber dringend nötige Nachrüstungen und Sicherheitsüberprüfungen wegen der begrenzten Restlaufzeiten nicht mehr durchführen würden. Vor allem technische Nachrüstungen zum Schutz vor Terrorangriffen und Flugzeugabstürzen hält der BUND für angezeigt, wenn die AKW weiter betrieben werden – etwa durch Schutzbauwerke. Die bisher ergriffene Maßnahmen reichten nicht aus.

Laut BUND wird es bis zur Stilllegung in keinem der noch laufenden AKW noch eine periodische Sicherheitsüberprüfung geben. "Das halte ich für unverantwortlich", sagt Studien-Autorin Oda Becker.

Die Überprüfungen sind turnusmäßig alle zehn Jahre vorgesehen. "Fehler im Reaktorkern werden nur per Zufall gefunden", kritisiert die Physikerin.

Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger sagte bei der Vorstellung der Studie in Berlin: "Wirtschaftliche Interessen der Betreiber sind für die Politik wichtiger als die Sicherheit der Bevölkerung." Außerdem würden die sieben AKW bis Ende 2022 noch etwa 750 Tonnen radioaktiven Müll produzieren, deren Entsorgung unklar sei.

"Atomkraftwerke behindern die Energiewende"

Der Öko-Verband appellierte an die Bundesregierung, "die eklatanten Sicherheitsmängel endlich ernst zu nehmen". Die vom Bundesverfassungsgericht bis 30. Juni angemahnte Überarbeitung des Atomgesetzes müsse für einen sofortigen Atomausstieg genutzt werden, forderte Weiger. Nötig sei ein neues Gesetz, das dem Ausbau der erneuerbaren Energien Vorrang vor dem Weiterbetrieb der Atomkraftwerke einräume.

Der Umweltverband sieht den Weiterbetrieb auch als "erhebliches Hindernis" für den weiteren Ausbau des Ökostrom. Windräder würden wegen angeblicher Netzengpässe immer wieder abgeregelt, während die AKW gleichzeitig nahezu ungedrosselt weiterliefen. Um einen kostengünstigen Ausbau der Erneuerbaren zu ermöglichen, müssten die AKW vom Netz.

BUND-Energieexperte Thorben Becker räumte in dem Zusammenhang auf Nachfrage ein, dass es bei einem Sofortausstieg unter Umständen übergangsweise zu einem erhöhten CO2-Ausstoß kommen könne. Er verwies jedoch auf den Rekord-Stromexport Deutschlands, der im Gegenzug heruntergefahren werden könne. "Dadurch würden der Anstieg zumindest zum großen Teil ausgeglichen." Außerdem müsse bis 2022 ohnehin eine Versorgung ohne Atomkraft stehen.

Nach Angaben, die der Energiestatistiker Bruno Burger vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme twitterte, erreichte der deutsche Stromexport im ersten Quartal 2018 ein Rekordhoch. Von Januar bis März habe der Exportüberschuss bei insgesamt 13,9 Milliarden Kilowattstunden gelegen – gegenüber 13,4 Milliarden im selben Zeitraum 2017. Im Schnitt seien im ersten Quartal dieses Jahres 6.440 Megawatt ständig in den Export gegangen, das entspreche der Leistung von fünf AKW.