Demonstranten in Warschau während des Weltklimagipfels in der polnischen Hauptstadt 2013
"Systemwandel statt Klimawandel" - Klimaaktivisten protestieren auf dem Weltklimagipfel in Warschau 2013. (Foto: Susanne Schwarz)

Die nationalkonservative Regierung Polens will zum diesjährigen Weltklimagipfel im südpolnischen Katowice besondere Regeln aufstellen, um "die öffentliche Sicherheit und Ordnung sicherzustellen". So steht es in einem Gesetzentwurf, den der polnische Senat in der vergangenen Woche verabschiedet hat. Dazu gehört eine Einschränkung des Versammlungsrechts: Spontane Demonstrationen sollen in Katowice vom 26. November bis zum 16. Dezember verboten sein. Innerhalb dieser Spanne findet der zweiwöchige Klimagipfel COP 24 statt.

Das würde nicht bedeuten, dass überhaupt nicht demonstriert werden darf, regulär angemeldete Proteste dürfte es wohl geben. In Rechtsstaaten gibt es normalerweise – in Polen sonst ebenfalls – aber auch die Möglichkeit, Demonstrationen kurzfristiger oder überhaupt nicht anzumelden. Das soll gewährleisten, dass die Versammlungsfreiheit auch bei schnellen Entwicklungen nicht ausgehebelt wird.

Ein mögliches Beispiel: Sollten die Staaten auf der Weltklimakonferenz an einem Tag bekannt geben, am nächsten Tag eine brisante Entscheidung treffen zu wollen, reicht die Zeit nicht, um noch eine normale Demonstration anzumelden – ohne Spontan- oder Eilversammlungen können Bürger dann also nicht mehr in dieser Form ihre Meinung äußern.

Der Sejm, die erste Kammer des polnischen Parlaments, hat den Gesetzentwurf schon vor zwei Wochen verabschiedet. Um es in Kraft treten zu lassen, fehlt nur noch die Unterschrift von Staatspräsident Andrzej Duda. Dass Duda das Gesetz kippt, gilt als unwahrscheinlich.

UN-Klimasekretariat gibt Daten weiter

Die Einschränkung der Versammlungsfreiheit ist nicht die einzige Sonderregel, die die Regierung für den Weltklimagipfel vorsieht. Der Gesetzentwurf enthält außerdem die Erlaubnis für die Polizei, "Informationen inklusive persönlicher Daten über Menschen, die als Teilnehmer des COP-24-Gipfels registriert sind, zu sammeln, zu speichern, zu verarbeiten und zu nutzen, oder mit den Organisatoren zu kooperieren, ohne das Wissen oder die Zustimmung der Betroffenen".

Dass das tatsächlich passieren könne, bestätigte Nick Nuttall vom UN-Klimasekretariat, das die Weltklimakonferenzen veranstaltet, gegenüber Klimareporter. "Seit den terroristischen Geschehnissen vom 11. September 2001 in den USA ist es die Praxis des UN-Klimasekretariats, einige Teilnehmerdaten mit den Gastgeberländern der Weltklimakonferenzen zu teilen, wenn diese darum bitten", erklärt Nuttall. "Wir vertrauen darauf, dass diese Daten ausschließlich dem Zweck dienen, zu dem sie weitergegeben werden – nämlich, um es zu ermöglichen, dass Konferenzteilnehmer rechtzeitig ein Visum bekommen."

Die offenbar mehr als 15 Jahre alte Praxis widerspricht bisherigen Darstellungen des Klimasekretariats: Auf dem Online-Registrierungsportal wurde Konferenzteilnehmern bis gestern sogar zugesichert, dass Ausweisnummer, Geburtsdatum und Name "niemandem außerhalb des UN-Klimasekretariats und der den Teilnehmer nominierenden Partei zugänglich gemacht" würden.

Das Online-Portal sei "veraltet", räumte Nuttall ein. "Wir werden es aktualisieren, so dass es widerspiegelt, dass manche Daten mit dem Gastgeberland geteilt werden", versprach er. Der fragliche Satz wurde im Laufe des Donnerstags von der Website entfernt.

Spontandemonstrationen im Konferenzzentrum

Dass Polen spontane Demonstrationen während des Weltklimagipfels verbieten will, kommentierte Nuttall nicht und äußerte sich nur allgemein. "Das UN-Klimasekretariat unterstützt das Recht auf friedlichen Protest und friedliche Demonstrationen innerhalb und außerhalb der Weltklimakonferenzen", sagte er. "Wir erkennen allerdings an, dass Regierungen im Sinne der öffentlichen Sicherheit möglicherweise Entscheidungen treffen müssen, die dann außerhalb der UN-Zonen greifen."

Das Konferenzgelände des Weltklimagipfels gilt für dessen Dauer jeweils als internationaler Boden – nicht als französischer, marokkanischer, deutscher oder eben polnischer. Selbst wenn also für Katowice gilt, dass kurzfristige Demonstrationen nicht gestattet sind, können diese im Konferenzzentrum durchaus stattfinden. Ein wirklicher Ersatz ist das nicht: Die Öffentlichkeit bekommt dort weniger von dem Protest mit und nicht zur Konferenz zugelassene Bürger dürfen nicht teilnehmen.

Einen ähnlichen Fall gab es bereits zur Weltklimakonferenz im Jahr 2015 in Paris, die kurz nach den Terroranschlägen vom 13. November in der französischen Hauptstadt begann. Die Regierung hatte den Ausnahmezustand ausgerufen, der – ebenfalls unter Berufung auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung – das Versammlungsrecht einschränkte. Der Beschluss war umstritten – mehrere Demonstrationen der Klimabewegung fanden dem Verbot zum Trotz statt.

Einen wichtigen Unterschied zu dem Vorstoß in Polen gibt es aber: Für den Pariser Ausnahmezustand gab es einen Anlass. In Katowice gibt es den nicht – die Regierung argumentiert schon fast ein Jahr im Voraus mit einer Gefahr für die Sicherheit.

"Versuch, die Zivilgesellschaft einzuschränken"

Katarzyna Guzek von Greenpeace Polen sieht in dem aktuellen Gesetzentwurf den Versuch, Regierungskritiker einzuschüchtern."Das ist schon wieder ein neuer Schritt, mit dem die Regierung die Zivilgesellschaft in ihren Möglichkeiten einschränken will, ihre Meinung zu bekunden", sagte sie im Gespräch mit Klimareporter. Der Vorstoß liege im allgemeinen Trend. "Man macht es Nichtregierungsorganisationen und auch Bürgern schwerer, Kritik an der Regierung zu üben", so Guzek.

Dass die globale Klimabewegung das Gastgeberland Polen nicht loben wird, ist auch aus einem anderen Grund abzusehen. Das Land erzeugt fast seinen ganzen Strom mit Kohle und nirgends in der EU wird mehr Steinkohle gefördert. Auf EU-Ebene versucht Polen regelmäßig, Klimaschutz-, Energiewende- und Luftreinhaltungsregeln abzuschwächen, die den Kohlekonzernen schaden würden. Katowice als Konferenzstandort steht dafür sinnbildlich: Die Stadt im Süden Polens ist das Zentrum der polnischen Kohlewirtschaft.

Seit November 2015 regiert die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in Polen. Sie hat in beiden Parlamentskammern die absolute Mehrheit. In den bisherigen zwei Jahren der Legislaturperiode hat die Regierung zahlreiche Gesetze und Regelungen durchgesetzt, die demokratische Grundsätze wie die Gewaltenteilung sowie die Rechte der Opposition und anderer Kritiker einschränken.

Das rief auch die Europäische Kommission auf den Plan. Sie sehe in Polen die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit, teilte diese im Dezember mit. Um das zu prüfen, hat das europäische Gremium erstmals ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrages eingeleitet. Das könnte gravierende Folgen für Polen haben: Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, könnten dem Land Stimmrechte auf EU-Ebene entzogen werden.

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