Werden die Absender jemals Antwort auf ihre Nachrichten bekommen? (Foto: Petra Niemann/​Pixabay)

Die Macht der Umweltverbände scheint mittlerweile grenzenlos zu sein. Nein, ich meine jetzt nicht die Deutsche Umwelthilfe und ihren Feldzug gegen den Diesel, sondern ein eher lokales Ereignis, über das jüngst die DPA berichtete.

Das Stadtmarketing von Elmshorn bei Hamburg hatte sich, wie die Agentur den Elmshorner Nachrichten entnahm, für die Weihnachtszeit eine ganz besondere Aktion ausgedacht. Auf dem Lichtermarkt, so heißt der örtliche Weihnachtsmarkt, sollten kurz vor Heiligabend Hunderte Kinderwünsche an den Weihnachtsmann per Luftballon gen Himmel steigen.

Insgesamt 500 schneeweiße Ballons hätten am 21. Dezember mit den Wunschzetteln der Kinder ihre Reise antreten sollen, allesamt aus "umweltfreundlichem Naturkautschuk", wie Manuela Kase, Geschäftsführerin des Stadtmarketings Elmshorn, dem Blatt berichtete. Auch bei den Schnüren habe man auf abbaubare Produkte geachtet.

So weit, so öko. Doch das reichte den Umweltschützern nicht. BUND und Nabu kritisierten, dass sich Tiere an den Schnüren strangulieren oder die Ballonreste fressen und daran eingehen können. Auch ein Latex-Ballon werde erst nach acht bis zehn Wochen brüchig und könne in dieser Zeit im Magen eines Tieres landen.

"So schön der Anblick von 500 weißen Ballons auch sein mag. In der heutigen Zeit kann dies einfach nicht mehr als guter Weg gesehen werden, um Weihnachtswünsche weiterzugeben", schrieb die schleswig-holsteinische BUND-Meeresexpertin Stefanie Sudhaus an Frau Kase. Die machte daraufhin einen Rückzieher und verkündete kleinlaut, die geplante Aktion sei "vielleicht nicht mehr zeitgemäß".

Selige Zeiten

Ja, das waren noch Zeiten, als man noch unbeschwert einen Luftballon aufsteigen lassen konnte.

Ich bewahre in meiner Geldkassette einen alten Brief auf. Ich würde ihn nie wegwerfen, weil er eine Art Glücksbringer für mich ist. Er kommt aus Holland, den Absender kenne ich nicht. Ich erhielt ihn 1970, da war ich acht Jahre alt. Irgendjemand hatte auf einem Feld in den Niederlanden einen Brief gefunden, den ich mit einem Luftballon auf die Reise geschickt hatte, eine fliegende Flaschenpost sozusagen. In krakeliger Kinderhandschrift hatte ich darauf meine Adresse notiert und "Postleizahl" statt Postleitzahl geschrieben. Für mich als Kind klang das logischer.

Über die Zeilen auf Niederländisch an den "Beste Georg" habe ich mich gefreut wie ein Schneekönig. Auf der Rückseite meines Briefchens, das auch in dem Umschlag steckte, hatte jemand eine lustige Zeichnung gemalt, ein Männchen mit großer Nase, das auf einer Schaukel sitzt. Wahrscheinlich war es der oder die Unbekannte, die den Brief gefunden hatte.

Ich mochte Luftballons und mag sie immer noch. Ganz normale aus buntem, quietschendem Gummi meine ich, nicht jene aus einer metallbeschichteten und mit irgendwelchen "lustigen" Motiven bedruckten Glitzerfolie, wie sie heute modern sind. Kürzlich hatte sich wieder solch ein Hightech-Exemplar im Tunnel der Münchner S-Bahn verirrt. Der Ballon blieb in der Oberleitung hängen und verursachte zuerst einen Kurzschluss und dann ein riesiges Verkehrschaos.

Vielleicht sollte man solch gemeingefährliche Ballons einfach verbieten. Die EU-Kommission hatte jüngst schon mal damit angefangen, Wegwerfkunststoffe einzudämmen, und Plastik-Trinkhalme, Wegwerfgeschirr, Wattestäbchen, Plastikrührstäbchen und Halter für Luftballons auf den Öko-Index gesetzt.

Ich finde das gut, aber ich meine, die EU sollte das Kind jetzt nicht mit dem Bade ausschütten. Für mich haben Luftballons nämlich etwas Poetisches, sie sind so etwas wie ein Symbol der Freiheit.

Nena hatte 1982 ja nicht umsonst "99 Luftballons" besungen und damit auf dem Höhepunkt der Friedensbewegung einen der größten deutschen Pop-Hits aller Zeiten gelandet:

Der Kolumnist

Der Autor und Journalist Georg Etscheit lebt in München und engagiert sich seit vielen Jahren im Umwelt- und Naturschutz. (Foto: Monika Höfler)

99 Jahre Krieg
ließen keinen Platz für Sieger.
Kriegsminister gibts nicht mehr
und auch keine Düsenflieger.
Heute zieh ich meine Runden,
seh die Welt in Trümmern liegen.
Hab nen Luftballon gefunden,
denk an dich und lass ihn fliegen.

Auch wenn diese Verse heute etwas verstaubt klingen: Kinder sollten auch in ökologisch fortgeschrittenen Zeiten die Möglichkeit haben, einen Luftballon auf die Reise ins Unbekannte zu schicken, um sich vielleicht irgendwann über eine Antwort zu freuen. Wie die Schneekönige.