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"Wie steht der Dax? Was waren die Tops und die Flops des Tages?" Es gibt viel wichtigere Fragen, die die Leute bewegen, ist die "Klima vor acht"-Initiative überzeugt. (Screenshot: Klima vor acht)

Die Minuten vor der ARD-Tagesschau gehören der Sendung "Börse vor acht", und das seit fast zwei Jahrzehnten. Rund 2,5 Millionen Zuschauer hat das Format jeden Werktag.

Ein Top-Sendeplatz, denn mit der Sendung beginnt quasi die Versammlung vor dem medialen "Lagerfeuer", als das die älteste TV-Nachrichtensendung um 20 Uhr immer noch gilt. Es schauen auch 70 Prozent Leute zu, die sich gar nicht besonders für Finanzen interessieren, sagen ihre Macher.

Soll dieser Sendeplatz weiter für Börsennachrichten reserviert sein, wo nicht einmal jeder sechste Deutsche Aktien besitzt? Eine Initiative von Klimaaktivisten meint: Nein. Sie fordert die ARD und die anderen TV-Anstalten auf, ein tägliches Kurz-Format mit Infos zur Klimakrise ins Programm zu integrieren, basierend auf wissenschaftlichen Fakten. Titel: "Klima vor acht".

"Die Sender informieren zwar durchaus über das Thema", sagt Mit-Initiatorin Friederike Mayer. "Doch meistens nur, wenn es um Katastrophen geht. Etwa, wenn in Kalifornien die Wälder brennen. Oder sie bringen es in Dokus nachts um 22.30 Uhr."

"Klima vor acht" soll, leicht verständlich, Wissen über die sich zuspitzende Krise liefern, die inzwischen alle Lebensbereiche betreffe, wie Mayer erläutert – "von Wohnen über Mobilität bis Migration".

Viele Zeitgenossen hätten die Dimension noch gar nicht begriffen, und würden bisher durch die Konzentration auf Katastrophen-Berichterstattung abgeschreckt, sich mit dem Thema intensiver zu beschäftigen. "Deswegen soll es in dem Format auch darum gehen, wissenschaftliche Erkenntnisse einzuordnen und Lösungsansätze aufzuzeigen", erläutert die Aktivistin, die als Journalistin und Lektorin arbeitet.

Initiative: Wir wollen zeigen, was gute Klimaberichterstattung ist

Die Idee für ein solches Format im TV ist nicht neu. Es gibt eine Petition, in der die ARD aufgefordert wird, einen prominenten Sendeplatz für "Klima vor acht" einzurichten. Sie ist inzwischen von über 27.500 Menschen unterschrieben worden.

Auch die im Rahmen der Fridays-for-Future-Bewegung entstandene Gruppe "Grannies for Future" hat sich mit zahlreichen Briefen dazu an die öffentlich-rechtlichen Sender gewandt. Im vergangenen Juni besetzten Umweltaktivisten von "Extinction Rebellion" sogar eine Zufahrt zum NDR, wo die Gemeinschaftsredaktion ARD aktuell sitzt, um mehr Aufmerksamkeit für das Thema zu fordern.

Nun wird das Projekt konkret. Die "Klima vor acht"-Initiative schaffte es, per Crowdfunding auf dem Portal Startnext 46.000 Euro einzusammeln, mit denen sechs Pilotfolgen produziert werden. Angepeilt waren nur 20.000, aber dieses Ziel war bereits nach drei Stunden erreicht. Am Ende kam mehr als doppelt so viel Geld zusammen. "Das zeigt, wir haben da eindeutig einen Nerv getroffen", kommentierte Norman Schumann, ein weiterer Initiator.

Ein Produktionsstudio ist gefunden. Die sechs Videos mit drei bis fünf Minuten Länge sollen Anfang nächsten Jahres fertig sein und dann auf Youtube und anderen Plattformen veröffentlicht werden. Anspruch der Gruppe ist: Die Videos sollen so professionell gemacht sein, dass sie in der ARD gezeigt werden könnten. Man wolle zeigen, was gute Klimaberichterstattung ist, sagt Mayer – "und dass es in diesem Format funktioniert".

ARD: Unsere Börsensendung behandelt auch Umweltfragen

Dass die ARD tatsächlich einsteigt, ist derzeit allerdings unwahrscheinlich. Die ARD-Programmdirektion erklärte, die jetzige Börsensendung vor der Tagesschau befasse sich bereits regelmäßig mit dem Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Umwelt.

Und der geschäftsführende Redakteur für das ARD-Vorabendprogramm, Christoph Schmidt, ließ wissen, er verstehe das Anliegen der Aktivisten "nicht so ganz". Denn in der Viertelstunde vor der Tagesschau – da laufen auch noch "Wissen vor acht" und "Wetter vor acht" – sei die Klimaberichterstattung bereits ein elementarer Bestandteil.

Medienexperten halten eine Ergänzung der bisherigen Berichterstattung allerdings für angezeigt. Es gebe in Deutschland durchaus ein großes Problembewusstsein in Bezug auf die Klimakrise, große Teile der Bevölkerung seien sehr gut informiert, meint die Passauer Professorin für Wissenschaftskommunikation Hannah Schmid-Petri. Allerdings liege der Fokus zu sehr auf den negativen Folgen des Klimawandels, was den Zuschauern das Gefühl gebe, nichts bewirken zu können.

Die "Klima vor acht"-Initiative ziele in eine sehr gute Richtung, "weil ja ihr Anliegen auch ist, wirklich konkrete Lösungsansätze oder mögliche Antworten darzustellen", sagte Schmid-Petri dem Deutschlandfunk. Idealerweise führe das dazu, "dass mehr Leute erkennen, wie der Klimawandel wirklich mit unserem Alltag zusammenhängt und was wir ganz konkret dagegen unternehmen können".

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Mitinitiatorin Mayer hofft, dass die Programmgewaltigen bei der ARD doch noch umdenken, wenn sie die fertigen Videos sehen. Die intensive Behandlung der Corona-Pandemie bei den öffentlich-rechtlichen Sendern zeige ja, was möglich ist.

"Auch hier haben wir es mit einer globalen Krise zu tun, die alle Menschen betrifft." Beim Klimawandel sei das nicht anders, nur dass er die Lebensverhältnisse noch viel dauerhafter verändere.

Bisher hat es noch keinen direkten Kontakt der "Klima vor acht"-Gruppe mit der ARD gegeben. Aber das kann ja noch kommen. ARD-Redakteur Schmidt sagte, er sei für Gespräche immer offen. 

Ergänzung am 28. Mai 2021: Die ARD will ihr Programm vor der Tagesschau neu strukturieren.

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