Wissenschaftler haben eine bisher nicht bekannte Quelle für das Treibhausgas Methan entdeckt. Wie eine Forschergruppe um Mina Bižić vom Leibniz- Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin-Friedrichshagen herausgefunden hat, sind auch Cyanobakterien – der geläufigere Begriff lautet Blaualgen – in der Lage, Methan zu produzieren.
Diese Erkenntnis ist auch deshalb überraschend, weil man bisher davon ausgegangen war, dass Organismen Methan in einem anaeroben Prozess, also unter Luftabschluss, erzeugen – und dabei Archaeen oder auch Urbakterien die wesentlichen Akteure sind. Ihre Studie haben die Forscher im Fachjournal Science Advances veröffentlicht.
Methan (CH4) ist nach Kohlendioxid im Zusammenhang mit dem von Menschen verursachten Klimawandel das zweitwichtigste Treibhausgas und trägt auch entscheidend zum Abbau von Ozon bei. Es dauert etwa zwölf Jahre, bis Methan zerfällt. Zwar ist das schneller als beim Kohlendioxid, das rund 120 Jahre in der Atmosphäre verweilt, jedoch nimmt Methan viel mehr Wärme auf.
Hälfte des Methans aus anthropogenen Quellen
Wissenschaftler gehen davon aus, dass Methan deshalb etwa 30-mal stärker wirkt als Kohlendioxid. Der Methan-Anteil in der Atmosphäre hat sich seit Mitte des 18. Jahrhunderts mehr als verdoppelt – wobei er in den 1990er- und 2000er-Jahren weitgehend konstant blieb, um dann ab 2008 stark zu steigen.
Etwas mehr als die Hälfte des Methans stammt aus anthropogenen Quellen, vor allem aus der Viehzucht von Wiederkäuern, die es bei ihrer Verdauung produzieren. Methan ist außerdem der Hauptbestandteil von Erdgas zum Heizen. Wichtige natürliche Quellen sind Sümpfe. Auch bei Waldbränden wird viel Methan freigesetzt.
Blaualgen sind verbreitete Mikroorganismen, die sowohl in den Ozeanen als auch in Süßwasser und in Böden massenhaft vorkommen. Eine ihrer Besonderheiten ist, dass sie wie Bakterien keinen Zellkern besitzen, jedoch wie zellkernhaltige Pflanzen ihre Energie durch Fotosynthese gewinnen. Dabei entsteht Sauerstoff.
Die Wissenschaft geht davon aus, dass Cyanobakterien zu den ältesten Organismen der Erde überhaupt zählen und dass sie wesentlich für die allmähliche Anreicherung von Sauerstoff in der Atmosphäre verantwortlich waren.
Mehr Blaualgen, mehr Treibhausgase
Bedeutend ist auch ihre Rolle bei den globalen Kohlenstoff- und Stickstoffkreisläufen. Ein einzelnes Cyanobakterium ist winzig, aber in großen Ansammlungen sind diese Mikroorganismen auch mit bloßem Auge sichtbar – beispielsweise als gefärbte Wasserblüten, als schaumige Masse auf Wasseroberflächen oder schleimige Krusten auf feuchten Steinen und Felsen.
Besonders gut gedeihen Blaualgen in Gewässern, die durch Überdüngung viele Nährstoffe enthalten. Als Folge der intensiven Landwirtschaft nehmen deshalb die Algenblüten auf dem Wasser stark zu. Auch die Leibniz-Forscher weisen auf diesen Zusammenhang hin. Die Überdüngung sehen sie als Ursache dafür an, dass Blaualgen nicht nur in sumpfigen Feuchtgebieten, sondern auch verstärkt in Meeren und Seen auftauchen.
Da die Mikroorganismen Methan erzeugen, wie man jetzt weiß, können bei einer höheren Konzentration in den Ozeanen auch deutlich größere Mengen des Treibhausgases in die Atmosphäre gelangen. Allerdings weisen die Wissenschaftler darauf hin, dass es schwierig sei abzuschätzen, wie viel Methan in der Atmosphäre genau auf das Konto der Blaualgen geht. Das lässt sich schlicht damit begründen, dass die globale Biomasse an Cyanobakterien nicht bekannt ist.
Blaualgen produzieren auch bei Dunkelheit Methan
Die Erkenntnis, dass die Ozeane signifikante Mengen von Methan an die Atmosphäre abgeben, findet Hermann Bange vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Geomar) "bemerkenswert" – auch wenn der Wissenschaftler denkt, dass die Meere als Quelle für das Treibhausgas im Vergleich zu den Emissionen aus Feuchtgebieten von untergeordneter Bedeutung sind.
Der Ozeanforscher geht auf Basis der Studienergebnisse davon aus, dass Methan – anders als lange angenommen – tatsächlich auch unter sauerstoffhaltigen Bedingungen gebildet werden kann.
Moritz Lehmann vom Department Umweltwissenschaften der Universität Basel lobt die Studie der Leibniz-Forscher als "tolle Arbeit" und "extrem sorgfältig". Die Tatsache, dass es sich nicht um einen "exotischen Prozess", sondern um "omnipräsente Bakterien" handele, unterstreiche die "globale Relevanz der Studie".
Die Arbeit bestätigt für Lehmann "schon länger gemachte Beobachtungen von Methan-übersättigten Verhältnissen im sauerstoffreichen Oberflächenwasser von Seen und Ozeanen sowie einer Verbindung zur Aktivität von fotosynthetisierenden Cyanobakterien".
Interessant findet der Schweizer Wissenschaftler die Entdeckung, dass die Blaualgen auch bei Dunkelheit Methan produzieren – wobei noch nicht klar ist, wie genau dieser Mechanismus funktioniert. Er befürchtet, dass "im Zuge der Überdüngung unserer Gewässer und der Klimaerwärmung Cyanobakterien immer dominanter werden könnten".
Für Moritz Lehmann ist klar: "Damit bietet die Studie ein kausales Bindeglied zwischen menschengemachten Einflüssen auf die Meere und Seen und zu erwartenden erhöhten Methan-Emissionen in der Zukunft."