Porträtaufnahme von Markus Adam vor grün bewachsenem Hintergrund.
Markus Adam, Chefjurist beim Energieunternehmen Lichtblick. (Foto: Lichtblick)

Die Lichtblick SE hat zusammen mit 25 weiteren Betreibern von Solar-, Wind- und Biomassekraftwerken im März beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen die seit Dezember geltende Erlösabschöpfung eingelegt, die erneuerbare Stromerzeuger trifft. Es handle sich um eine "unzulässige Sonderabgabe", heißt es in der Beschwerdeschrift. Was ist daran unzulässig?

Markus Adam: Grundsätzlich hat sich der Staat über Steuern zu finanzieren. Sonderabgaben, die staatliche Aufgaben finanzieren sollen, sind nur unter eng begrenzten Voraussetzungen zulässig.

So muss die Abgabe einen über die bloße Mittelbeschaffung hinausgehenden Zweck erfüllen. Die mit der Abgabe belastete Gruppe muss von der Allgemeinheit abgrenzbar sein – durch eine gemeinsame Interessenlage. Diese zeichnet sich durch eine spezifische Sachnähe zu dem mit der Abgabe verfolgten Zweck aus. Wenn beispielsweise mit der Erlösabschöpfung die Energiewende gefördert würde, wäre eine Sachnähe gegeben.

Darüber hinaus muss die mit der Abgabe belegte Gruppe eine besondere Verantwortung haben für die Erfüllung der mit den Einnahmen zu finanzierenden Aufgabe. Es hat insofern auch eine gruppennützige Verwendung des Abgabeaufkommens zu erfolgen.

Die von der Regierung beschlossene Erlösabschöpfung erfüllt keine der vier Voraussetzungen. Sie dient allein der Finanzierung der Strompreisbremse. Es gibt also keinen über die Mittelbeschaffung hinausgehenden Zweck.

Gerade Stromerzeuger, die erneuerbare Energien nutzen, haben keine besondere Sachnähe zu dem Zweck der Abschöpfung, also die Stromverbrauchenden finanziell zu unterstützen. Im Gegenteil: Erneuerbare Energien haben einen preisdämpfenden Effekt und sind somit – auch nach Auffassung des Gesetzgebers – nicht verantwortlich für die hohen Strompreise.

Die hohen Strompreise sind eine Folge der durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bedingten Gasknappheit und fallen somit nicht in den Verantwortungsbereich der Stromerzeuger, die erneuerbare Energien nutzen.

Folglich gibt es keine besondere Gruppenverantwortlichkeit der betroffenen erneuerbaren Stromerzeuger, um die Entlastung der Stromverbrauchenden zu finanzieren. Die Stromerzeuger haben auch keine Verantwortung für eine preisgünstige Energieversorgung. Das ist vielmehr eine Gemeinwohlaufgabe, die über Steuern zu finanzieren ist.

Zudem ist auch die nötige "gruppennützige Verwendung" nicht erfüllt: Die abgeschöpften Mittel sollen der Entlastung der Stromverbrauchenden dienen, nicht jedoch den betroffenen Stromerzeugern.

Darüber hinaus ist die Abschöpfung auch der Höhe nach unzulässig. Sie ist vom Gesetzgeber nicht auf die Kosten "gedeckelt", die für die Entlastung erforderlich sind.

Auf Druck der Erneuerbaren-Branche wurde der Start der gesetzlichen Erlösabschöpfung mehrfach verschoben und gilt erst ab Dezember 2022. Und beim derzeitigen Strompreisniveau fallen ohnehin kaum Übergewinne bei den Ökostromerzeugern an. Lohnt sich da eine Klage, über die sicher erst in den kommenden Jahren entschieden wird?

Ja, denn es geht hier um eine verfassungsrechtliche Grundsatzfrage – auch für zukünftige Entscheidungen.

Die Erlösabschöpfung ist ein schwerer politischer Fehler, der sich nicht wiederholen darf. Der Staat hat mit dem Steuerrecht ein starkes und ausreichendes Instrument, um Unternehmen an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben zu beteiligen.

Während Steuern eben nur auf Gewinne anfallen – also auf die Differenz zwischen realen Einnahmen und realen Ausgaben –, schöpft der Gesetzgeber bei den erneuerbaren Stromerzeugern fiktive Einnahmen ohne Rücksicht auf ihre Ausgaben ab. So ein Eingriff ist finanzpolitisch ohne Beispiel.

Bundeswirtschaftsminister Habeck hat bereits die weitgehende Unwirksamkeit der Erlösabschöpfung eingeräumt und plädiert dafür, diese im Sommer dieses Jahres auslaufen zu lassen. Zugleich hat die Erneuerbaren-Branche einen umfangreichen Forderungskatalog an den Minister übermittelt, um den Ausbau von Wind und Sonne ums Mehrfache zu beschleunigen. Ist es da klug, mit einer Klage die politische Unterstützung für die Energiewende zu gefährden?

Die Klage gefährdet nicht die politische Unterstützung der Energiewende. Für das Klimaschutzziel, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ist der weitere Ausbau der Erneuerbaren notwendig. Daran ändert auch die Beschwerde gegen die Erlösabschöpfung nichts. Im Gegenteil: Die verstärkte Nutzung der Erneuerbaren dient ja dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Klimaschutzziel.

Der zügige Ausbau der erneuerbaren Energien ist außerdem der Schlüssel, um die durch den russischen Angriffskrieg verschärfte Krise der fossilen Energien zu beenden, Deutschlands Abhängigkeit von Gas und Öl zu verringern und die Energiepreise wieder auf ein volkswirtschaftlich erträgliches Maß zu senken.

Der jetzige gesetzliche Ansatz belastet aber die erneuerbaren Energien mit den höchsten Abschöpfungsquoten, was wiederum einen Rückgang der Investitionen in diese Erzeugungstechnologie zur Folge hat – und letztendlich die Energiewende verlangsamt. Und daran kann auch die Bundesregierung kein Interesse haben.

Beachtenswert ist auch dieser Effekt am Strommarkt: Die Erlösabschöpfung führt dazu, dass Anlagen, die ihre Erlöse über direkte Lieferverträge, sogenannte PPA, erzielen, in Zeiten besonders hoher Strompreise an der Börse abgeschaltet werden. Andernfalls müssten die Anlagenbetreiber, die ja ihre Strommengen bereits zu lange vorher vereinbarten Konditionen über die PPA verkauft haben, mehr Geld abführen, als sie über die PPA einnehmen können.

Für die abgeschalteten Erneuerbaren-Anlagen müssten dann fossile einspringen, mehr Gas und Kohle würde verbraucht. Die Erlösabschöpfung verschärft damit die fossile Krise.

Unbestritten ist allerdings, dass es vor allem 2022 enorme ungeplante Gewinne bei erneuerbaren Erzeugern gegeben hat. Die Branche sagt auch selbst, dass diese Gewinne zur Finanzierung der Strompreisbremse herangezogen werden sollen. Wie sollte das geschehen?

Es ist sinnvoll, dass die Bundesregierung Haushalte und Unternehmen angesichts der hohen Energiekosten entlastet. Und es ist sinnvoll, Stromerzeuger an der Finanzierung dieser Entlastung zu beteiligen.

Die Erlösabschöpfung ist jedoch das falsche Instrument. Sie verletzt die Grundrechte der abgeschöpften Unternehmen und bremst die Energiewende. Eine übliche Besteuerung der Gewinne ist verfassungsrechtlich der einzig angemessene und rechtssichere Weg und gefährdet – anders als die Erlösabschöpfung – auch nicht die dringend benötigten Investitionen in neue Anlagen.

Wenn die Erneuerbaren so behandelt und besteuert werden wollen wie derzeit die fossilen Energieerzeuger, stellt sich dann nicht auch die Frage: Muss Ökostrom weiterhin so stark über das Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert werden oder sollte dessen Wachstum nicht vor allem aus dem Markt selbst finanziert werden?

Nach Daten der Netzbetreiber befanden sich im Dezember 2021 rund 85.000 Megawatt erneuerbare Stromerzeugung in der Direktvermarktung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, waren also EEG-gefördert. In demselben Zeitraum waren rund 5.600 Megawatt in der sonstigen Direktvermarktung, finanzierten sich also nicht übers EEG, sondern über PPA rein wettbewerblich.

Markus Adam

ist Volljurist und seit 2006 bei Lichtblick, zunächst als juristischer Referent. Inzwischen leitet er seit acht Jahren die Rechtsabteilung des Ökostrompioniers. Er ist ausgewiesener Experte für Kartell- und Regulierungsrecht und sowohl auf Fridays-for-Future-Veranstaltungen als auch auf Branchenkonferenzen anzutreffen.

Ein Jahr später – im Dezember 2022 – waren 86.600 Megawatt noch in der EEG-Direktvermarktung, aber bereits 12.500 Megawatt in der sonstigen Direktvermarktung, also ohne Förderung.

Bis zum März 2023 setzte sich dieser Trend fort: Nur noch 82.000 Megawatt sind in der EEG-Direktvermarktung, aber bereits 17.000 Megawatt Erneuerbare sind ohne Förderung.

Diese Entwicklung wäre ohne die Erlösabschöpfung sicher noch viel deutlicher ausgefallen, weil die Erlösabschöpfung neue PPAs nur für Neuanlagen ermöglicht und den Wechsel von Bestandsanlagen in PPAs verhindert.

Das zeigt, dass die Erneuerbaren auf dem Weg in den Markt sind. Die Möglichkeit der EEG-Förderung ist weiterhin ein wichtiges Signal an die Investoren, wird aber immer weniger tatsächlich in Anspruch genommen. Die EEG-Förderung wird auch in Zukunft wichtig sein, als eine Art Sicherheitsnetz, aber dieses wird immer weniger genutzt werden.

Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit der Lichtblick SE in der Rubrik Advertorials erschienen.